New York erlebt einen Tag ohne jedes Gewaltverbrechen - zum ersten Mal in der Polizeigeschichte
In anderen Städten ist ein Mord eine Meldung - in New York ist es eine aufsehenerregende Nachricht, wenn mal keiner passiert. Am Montag soll das bisher Undenkbare nun eingetreten sein: mehr als 24 Stunden lang niemand erschossen, niemand erstochen, niemand aufgeschlitzt, jedenfalls nach Aktenlage der Polizei. Paul Browne, dem Sprecher des New York Police Department, war dieser Umstand ein eigenes Presse-Statement wert. Er bemerkte: 'Schön, wenn die Woche so anfängt.' Aber hinter diesen lapidaren Worten verbarg sich das Bewusstsein, einen historischen Einschnitt zu verkünden. Denn einen Tag ohne Gewaltverbrechen hat es in New York seit Menschengedenken und nachweislich seit Beginn aller derartigen Aufzeichnungen nicht gegeben. Er ist im Selbstverständnis der Stadt eigentlich auch nicht vorgesehen. Die Aggressivität und das Verbrechen gehören zum Mythos New Yorks, und dieser Mythos wird sorgfältig gepflegt. 'Gotham' war bei den Schriftstellern Washington Irving oder Edgar Allen Poe noch ein Schimpfwort für New York, das ihnen großmäulig, dreckig und kriminell vorkam; heute spricht aus dem Begriff meistens eine Art Großstadt-Stolz auf Abgründe und Härten des täglichen Überlebenskampfes hier.
Konnten sich heute endlich mal um en Papierkram kümmern: New Yorker Polizisten
In der Boulevardpresse, die selbst überwiegend vom Vermelden der Schießereien lebt, meldete sich der Polizeihistoriker Tom Reppetto mit Erinnerungen an die Zeiten um 1990 zu Wort, als die Stadt die Rekordzahl von 2245 Tötungsdelikten im Jahr registrierte: 'Damals haben wir in einer Stadt gelebt, in der die Leute vor Angst nicht mehr vor die Tür gegangen sind, in der Kleinkinder zum Schlafen in die Badewanne gelegt wurden, damit sie nicht von Kugeln getroffen werden, und in der in den Kindergärten geübt wurde, sich auf den Boden zu werfen, sobald Schüsse zu hören sind.'
Gemessen an den Zahlen der Achtziger- und frühen Neunzigerjahre, als das Rauschgift Crack epidemisch war, ist die Stadt seither tatsächlich deutlich sicherer geworden. In diesem Jahr wurden bisher weniger als 400 Morde gezählt. Damit gilt 2012 als Rekordjahr, was die Sicherheit betrifft. Die New Yorker selber stehen dieser Entwicklung allerdings oft mit bemerkenswerter Zwiespältigkeit gegenüber. Der neu gewonnenen Bewegungsfreiheit in einst als lebensgefährlich geltenden Vierteln entspricht dabei der Hang, diese Lebensgefahr in einer Mischung aus Angstlust und Nostalgie immer wieder zu beschwören: New Yorker machen gern den Eindruck, als ob sie als Verlust eines authentischen New Yorker Lebensgefühls empfinden, dass man sich nicht mehr darauf verlassen kann, im Central Park überfallen zu werden. Das hat damit zu tun, dass der Zugewinn an Sicherheit durch eine Null-Toleranz-Politik unter den Bürgermeistern Giuliani und Bloomberg erkauft wurde, die ihrerseits von vielen als gewalttätig empfunden wird.
Die Statistik gibt den Politikern jedoch recht. Den Eltern der außergewöhnlich vielen Kinder, die in diesem Sommer auf Spielplätzen bei Gang-Auseinandersetzungen von verirrten Kugeln getötet wurden, nützt sie wenig. Ein Tag ohne Gewaltverbrechen ist eine statistische Ausnahme, heißt aber nur, dass der Polizei keines bekannt geworden ist.
In anderen Städten ist ein Mord eine Meldung - in New York ist es eine aufsehenerregende Nachricht, wenn mal keiner passiert. Am Montag soll das bisher Undenkbare nun eingetreten sein: mehr als 24 Stunden lang niemand erschossen, niemand erstochen, niemand aufgeschlitzt, jedenfalls nach Aktenlage der Polizei. Paul Browne, dem Sprecher des New York Police Department, war dieser Umstand ein eigenes Presse-Statement wert. Er bemerkte: 'Schön, wenn die Woche so anfängt.' Aber hinter diesen lapidaren Worten verbarg sich das Bewusstsein, einen historischen Einschnitt zu verkünden. Denn einen Tag ohne Gewaltverbrechen hat es in New York seit Menschengedenken und nachweislich seit Beginn aller derartigen Aufzeichnungen nicht gegeben. Er ist im Selbstverständnis der Stadt eigentlich auch nicht vorgesehen. Die Aggressivität und das Verbrechen gehören zum Mythos New Yorks, und dieser Mythos wird sorgfältig gepflegt. 'Gotham' war bei den Schriftstellern Washington Irving oder Edgar Allen Poe noch ein Schimpfwort für New York, das ihnen großmäulig, dreckig und kriminell vorkam; heute spricht aus dem Begriff meistens eine Art Großstadt-Stolz auf Abgründe und Härten des täglichen Überlebenskampfes hier.
Konnten sich heute endlich mal um en Papierkram kümmern: New Yorker Polizisten
In der Boulevardpresse, die selbst überwiegend vom Vermelden der Schießereien lebt, meldete sich der Polizeihistoriker Tom Reppetto mit Erinnerungen an die Zeiten um 1990 zu Wort, als die Stadt die Rekordzahl von 2245 Tötungsdelikten im Jahr registrierte: 'Damals haben wir in einer Stadt gelebt, in der die Leute vor Angst nicht mehr vor die Tür gegangen sind, in der Kleinkinder zum Schlafen in die Badewanne gelegt wurden, damit sie nicht von Kugeln getroffen werden, und in der in den Kindergärten geübt wurde, sich auf den Boden zu werfen, sobald Schüsse zu hören sind.'
Gemessen an den Zahlen der Achtziger- und frühen Neunzigerjahre, als das Rauschgift Crack epidemisch war, ist die Stadt seither tatsächlich deutlich sicherer geworden. In diesem Jahr wurden bisher weniger als 400 Morde gezählt. Damit gilt 2012 als Rekordjahr, was die Sicherheit betrifft. Die New Yorker selber stehen dieser Entwicklung allerdings oft mit bemerkenswerter Zwiespältigkeit gegenüber. Der neu gewonnenen Bewegungsfreiheit in einst als lebensgefährlich geltenden Vierteln entspricht dabei der Hang, diese Lebensgefahr in einer Mischung aus Angstlust und Nostalgie immer wieder zu beschwören: New Yorker machen gern den Eindruck, als ob sie als Verlust eines authentischen New Yorker Lebensgefühls empfinden, dass man sich nicht mehr darauf verlassen kann, im Central Park überfallen zu werden. Das hat damit zu tun, dass der Zugewinn an Sicherheit durch eine Null-Toleranz-Politik unter den Bürgermeistern Giuliani und Bloomberg erkauft wurde, die ihrerseits von vielen als gewalttätig empfunden wird.
Die Statistik gibt den Politikern jedoch recht. Den Eltern der außergewöhnlich vielen Kinder, die in diesem Sommer auf Spielplätzen bei Gang-Auseinandersetzungen von verirrten Kugeln getötet wurden, nützt sie wenig. Ein Tag ohne Gewaltverbrechen ist eine statistische Ausnahme, heißt aber nur, dass der Polizei keines bekannt geworden ist.