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Mehr Marihuana wagen

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Hubert Wimber ist 65 Jahre alt, Polizeipräsident von Münster und wurde jüngst vom Innenministerium in eine Arbeitsgruppe berufen, welche die Auswirkungen des demografischen Wandels für die Polizei untersuchen soll. Die Ergebnisse stehen noch aus, man kann aber jetzt schon sagen, dass sie nicht so viel Auswirkungen haben werden wie der demografische Wandel des Herrn Wimber. Der geht nämlich im Mai 2015 in Rente und wird dann gleich im Anschluss Gründungs-Präsident der deutschen Sektion von Law Enforcement against Prohibition (Leap), eines Vereins, in dem sich Richter, Staatsanwälte, Politiker und Polizisten für die Legalisierung von Marihuana einsetzen. In den USA hat die Organisation bereits 15000 Mitglieder und einen Anteil an der Legalisierung von Marihuana in Bundesstaaten wie Colorado und Oregon.

Eigentlich sollte die deutsche Sektion schon im Oktober in Berlin gegründet werden, eine Pressekonferenz wurde bereits einberufen. Aber Wimber musste kurzfristig absagen – wozu er selbst öffentlich allerdings keine Stellung nahm.




Macht der Polizei viel Arbeit: Cannabis und seine Konsumenten.

Sein oberster Dienstherr, das Düsseldorfer Innenministerium, teilte damals auf Anfrage mit, es gebe da ein „organisatorisches Problem“. Das klang so, als habe sich der Polizeipräsident mal eben im Terminkalender vertan. So sollte es wohl in der Öffentlichkeit ankommen. „Wir begrüßen, dass er von dieser Aufgabe Abstand genommen hat, aber ein Verbot wurde nicht ausgesprochen“, behauptete das Ministerium ein anderes Mal.


Es klang ziemlich seltsam, so als habe sich Wimber mit seinem Cannabis-Engagement einfach mal in der Tür geirrt. Dabei spricht sich der Polizeipräsident mit grünem Parteibuch seit Jahren dafür aus, Konsumenten mit geringen Mengen Marihuana nicht mehr weiter zu verfolgen.


Bisher müssen die Polizisten immer noch eine Strafanzeige stellen, die dann von der Staatsanwaltschaft meist eingestellt wird, in Nordrhein-Westfalen bei einer Menge bis zu zehn Gramm. Nach Berechnungen der Fraktion der Piraten im Landtag sind allein im bevölkerungsreichsten Bundesland 500 Beamte nur damit beschäftigt, Rauschgiftdelikte aufzunehmen, die in der Regel fallengelassen werden. Warum die Leute also nicht gleich laufen lassen, frage sich auch der Polizeipräsident. Solche Thesen hört man aber in der Landesregierung nicht gern, und verbot Wimber das Engagement im Verein, wie Innenminister Ralf Jäger (SPD) nun doch im Innenausschuss zugeben musste. Das gelte auch für alle übrigen „öffentlichen Handlungen und Erklärungen“ in dem Kontext, solange er Polizeipräsident und somit Repräsentant des Landes sei. Frank Tempel , drogenpolitischer Sprecher der Linken im Bundestag und einer der Mitgründer von Leap, sprach von einem „politischen Maulkorb“, der die Gründung des Vereins nicht aufhalten werde. Unterstützung bekommt er von der Deutschen Polizeigewerkschaft: Deren Vorsitzender Rainer Wendt sagte dem Magazin Focus, „es wäre besser, den Konsum geringer Mengen von Cannabis nicht mehr verfolgen zu müssen – um sinnlose Bürokratie zu vermeiden.“ Die Polizei brauche aktuell in Zeiten knapper Kassen „mehr denn je die Kraft“, ihre Kernaufgaben zu erfüllen.

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