Quantcast
Channel: jetzt.de - SZ
Viewing all articles
Browse latest Browse all 3345

Fuß aus der Tür

$
0
0
Bald gibt es den Beruf des Rundfunkgebühren-Eintreibers nicht mehr. Unterwegs mit einem Letzten seiner Art

Sie ist einfach zu jung, um nur-HF zu sein. Günther Morbitzer hat schon bei der Vorrecherche gesehen, was für ein Geburtsjahr unter ihrem Namen steht - und in der Spalte rechts daneben: 'nur HF', also 'nur Hörfunkgerät'. Kein Fernseher. Deshalb hat er ein Sternchen neben den Namen gemalt. 'Die Jahre der Erfahrung haben gezeigt, dass es meistens nicht so ist', sagt er, da will er also mal nachfragen. Und nun, Angesicht zu Angesicht mit dem Klingelschild des zitronengelben Hauses im Münchner Stadtteil Schwabing, sieht er noch etwas: Im Haus wohnt noch eine junge Frau mit demselben Nachnamen. Sie hat ihre Geräte abgemeldet, weil sie ins Ausland gezogen ist. 'Na hallooo', sagt Morbitzer, das erscheint ihm auch unwahr. Einer der Schildnamen steht gar nicht auf seiner Liste, den schreibt er mit Nachdruck dazu. Hinter solchen Namen verbirgt sich meistens jemand, der keine Rundfunkgebühren zahlt.

Dann hebt Morbitzer seine schwarze Aktentasche etwas höher und macht einen großen Schritt in den Dreck.

Im Hausflur wird renoviert, die Tür steht offen. Er eilt die Treppe hinauf, nimmt zwei Stufen auf einmal. Und sieht die Abdeckungen der Türklingeln, die alle auf einem Fensterbrett liegen. Keine Namen an den Klingeln also, und als er versuchsweise ein Knöpfchen drückt, bleibt es still. 'Eine Katastrophe', murmelt er in seinen ordentlich gestutzten Bart.

Ganz so katastrophal ist es dann aber doch nicht, das fällt Morbitzer recht schnell ein. Er geht die Treppe wieder hinunter, diesmal Stufe für Stufe. Auf zum nächsten Haus. Vor der Tür greift er noch schnell in seine Aktentasche und schüttelt die BR-Kugelschreiber in ihrer Plastiktüte locker. Als Dankeschön für die Gebührenzahler, sagt er. Stifte mit blauem BR-Logo, 'wir sind ja Gebührenberater', sagt Morbitzer, 'da kann man doch auch mal einfach was Nettes tun.' Gebühreneintreiber, das hört er nicht gerne. GEZ-Schnüffler, Treppenterrier, so etwas sagt er gar nicht erst selbst, sondern nur: 'Sie wissen schon, wie wir noch so genannt werden, in diesen ganzen Foren.' Mit der GEZ haben Morbitzer und sein Team tatsächlich nicht direkt zu tun, von der Zentrale in Köln stammen nur die Listen mit den gemeldeten Mediennutzern. Günter Morbitzer, 53, betreibt ein Beauftragtenbüro für Rundfunkgebühren für den BR, seit 17 Jahren. Seine Mitarbeiter sind bei ihm angestellt, bekommen ein Gehalt - bei anderen Landesrundfunkanstalten arbeiten auch Berater auf Provision, da drängte sich in der Vergangenheit schon ein Beraterfuß in eine Tür, die geschlossen werden sollte. 'Man kann das natürlich mit der Haudrauf-Methode machen', sagt Morbitzer. 'Ich mag es lieber reklamations- und geräuscharm.' Jetzt wird das alles überflüssig, die ARD kündigt allen GEZ-Beauftragten zum Jahresende.





Morbitzer hat früher bei Coca Cola gearbeitet in leitender Funktion, als Verkaufsleiter bei der Telekom, als Immobilienmakler. Im Endeffekt, sagt er, seien das alles Verkäuferjobs, auch dieser: 'Du verkaufst dich immer wieder selbst.' Und erklärt schnell: 'Also, nicht im negativen Sinn.' Deshalb gehe er nie in Jeans zu den Teilnehmern, sagt er, seine Mitarbeiter sollen das auch nicht. Heute trägt Morbitzer schwarzen Cord zum lilafarbenen Pulli mit Zopfstrickmuster. Die Brille ist halbrandlos, Morbitzer selbst wird, sobald er an einer Tür geklingelt hat, ecken- und kantenlos. 'Wir wollen uns nur einmal bei Ihnen bedanken dafür, dass Sie immer Ihre Gebühren zahlen', sagt er kreidig, fragt nach den Lieblingssendern, ob sie gut empfangbar seien und wie nebenbei, ob es denn auch am Arbeitsplatz ein Radio gebe. 'Mei', sagt eine blonde Frau mit Schürze, ein Mädchen mit der gleichen Schürze in kleiner neben sich, 'Sie sind aber vornehm! Da bin ich ja baff, dass Sie einfach mal fragen, wie es uns geht.' Dafür bekommt sie einen Kugelschreiber und ein BR-Memoryspiel für die Tochter. 'Ich sage immer: Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus', sagt Morbitzer. 'Ich hoffe, es bleibt heute bei so netten Begegnungen.' Er verteilt an diesem Tag noch fünf Kugelschreiber.

Sein Team, bestehend aus ihm und fünf Mitarbeitern, ist für etwa ein Drittel Münchens und der umliegenden Landkreise zuständig, etwa 800000 Menschen sind das. 2500 Besuche machen sie monatlich insgesamt, daraus resultieren dann etwa 500 bis 600 Anmeldungen bisher nicht gemeldeter Teilnehmer, sagt Morbitzer. Er selbst geht noch etwa zwei Mal pro Woche nach draußen, meistens arbeitet er im Büro, in einem von vielen grauen Kastenhäusern in einem Gräfelfinger Industriegebiet, zwischen Firmen für Wasseraufbereitung, Tauchausrüstung, Autoreifen. Er teilt sich ein Stockwerk mit einer Schweizer Firma für Kochsysteme. BR-blaue Infoblätter hängen an den Wänden, Türen, Schränken, die große Umstellung muss vorbereitet werden. Morbitzer wird dann für den neuen Service vor allem gewerbliche Kunden beraten, wie viele seiner Mitarbeiter bleiben, wird man sehen müssen.

Eine letzte Frage also noch - die hört er ja sowieso ständig, oder? Morbitzer nickt, man muss ihm die Frage nicht stellen, er kennt sie. 'Warum ich diesen Beruf mache, ja? Da war eine Anzeige in der Zeitung, dass sie einen Gebietsleiter Rundfunkgebühren suchen für den Münchner Bereich. Und ich habe immer ein offenes Ohr für extravagante Dinge.'


Viewing all articles
Browse latest Browse all 3345