Es geht bergauf. Ein kleines Stückchen nur, aber immerhin. Das Jahr 2013 war für all jene, die für die Rentenkassen und den Erhalt der Bevölkerung zuständig sind, ein Grund zum Anstoßen – wenn auch nicht gerade Champagner her musste. Soeben hat das Statistische Bundesamt ein Geburten-Plus verkündet: 682069 Babys erblickten im vergangenen Jahr in Deutschland das Licht der Welt. Exakt 8525 mehr als im Jahr davor. Und mehr ist schon mal besser als weniger, auch wenn es sich um ein winziges Mehrchen von gerade mal 1,25Prozent handelt.
Ihr erstes Baby bekommen Frauen immer später. Der Statistik für das Jahr 2013 zufolge lag das durchschnittliche Alter Erstgebärender bei 29 Jahren.
Seit 1965 schon, also mit Einführung der Anti-Baby-Pille, geht es mit den Geburten in Deutschland bergab – von damals 1,4 Millionen im Jahr auf etwa 800000 Mitte der Siebzigerjahre. Und nach einem leichten Zwischenhoch im Jahr 1991 (rund 900000 Geburten) ist es immer stiller geworden in Deutschlands Kreißsälen. Nur 2007 konnte noch einmal eine freudige Nachricht verkündet werden: ein außergewöhnliches Plus von 12140 Babys – wohl eine Verzerrung durch das am 1. Januar 2007 eingeführte Elterngeld, das manchen Kinderwunsch um ein Jahr verlagerte. Seit zehn Jahren jedenfalls dümpeln die Zahlen nun knapp unter 700000 vor sich hin. Dabei sind neben den absoluten Babyzahlen weitere Fakten wichtig, wenn man die Lage der Nation verstehen will, die sich offenbar doch schon in der Wiege entscheidet.
Ältere Mütter
Ihr erstes Baby bekommen Frauen immer später. Der Statistik für das Jahr 2013 zufolge lag das durchschnittliche Alter Erstgebärender bei 29 Jahren, im Jahr 2009 war eine Frau, die ihr erstes Baby bekam, noch 28,5 Jahre alt. Aber auch wenn die Mütter immer älter werden, sind Entbindungen nach dem 40. Lebensjahr nicht sehr häufig: Nur drei Prozent waren es im Jahr 2013. Vor allem hochqualifizierte Frauen bekommen ihre Babys erst zwischen dem 35. und 39. Lebensjahr. Zuvor etablieren sie sich meist im Beruf und sichern sich finanziell ab. Für den Soziologen Jürgen Dobritz vom Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) ist das einer der Gründe „für das niedrige Geburtenniveau in Deutschland, die hohe Kinderlosigkeit und die geringen Anteile von Frauen mit drei oder mehr Kindern“. Klar: Wer relativ spät erst Mutter wird, für den sinken die Chancen auf mehr Kinder.
Der produktive Osten
Im Osten und Westen Deutschlands haben sich die Geburtenraten weitgehend angeglichen. Nur nach der Wende war die Zahl in Ostdeutschland kurzzeitig drastisch eingebrochen, in den frühen Neunzigerjahren lag sie nur noch bei 0,8 Kindern pro Frau. Inzwischen liegt der Wert mit 1,46 leicht über dem des Westens. 1934 brachten Frauen in Gesamtdeutschland noch 2,2 Kinder zur Welt. Dann waren es jahrzehntelang – nämlich für die Jahrgänge 1948 bis 1972 – jeweils 2,0 Kinder pro Frau. Beim Unterschied zwischen Ost und West spielen wohl überlieferte Werte eine Rolle: Wenn Mütter kleiner Kinder arbeiten gehen, ist das auf dem Gebiet der ehemaligen DDR fast der Normalzustand. Die Frauen im Westen haben stärker mit dem bösen Wort der Rabenmutter zu kämpfen.
Kinderlosigkeit
Ursache der niedrigen Geburtenrate in Deutschland ist aber weniger, dass Frauen im Durchschnitt weniger Kinder bekommen als ihre eigenen Mütter. Es sind die vielen Kinderlosen, die die Statistik vermasseln: „Der Anteil der Frauen ohne Kind hat das niedrige Geburtenniveau maßgeblich bedingt“, heißt es in einer Studie vom Statistischen Bundesamt. Jede fünfte Frau Mitte vierzig hat kein Kind. Damit ist der Anteil der kinderlosen Frauen im Vergleich zum Jahr 1900 auf das Doppelte angewachsen. Studierte Frauen sind besonders häufig kinderlos – unter den heute 45- bis 49-jährigen Akademikerinnen sind es 28 Prozent. Besonders verbreitet ist dieses Phänomen in den Stadtstaaten Hamburg (32 Prozent) und Berlin (29 Prozent) – auch der oft als Rückzugsgebiet der Latte-Macchiato-Mütter gepriesene Prenzlauer Berg kann statistisch keineswegs mit einer hohen Geburtenrate auftrumpfen. Im Jahr 2003 lag der angebliche Babyboomer-Bezirk mit einem Kind je Frau sogar deutlich unter dem Durchschnitt.
Kind und Kegel
In Ostdeutschland kommen erheblich mehr uneheliche Kinder zur Welt als in Westdeutschland. Aber auch im Westen nimmt ihr Anteil zu: 1995 wurden in Deutschland insgesamt noch rund 120000 Kinder geboren, deren Eltern keinen Trauschein hatten. 2013 hat sich die Zahl auf 237 562 quasi verdoppelt.
Die Kopftuch-Legende
Frauen mit Migrationshintergrund haben tatsächlich mehr Kinder als in Deutschland geborene Frauen. Der Unterschied ist allerdings nicht groß. 2010 bekamen deutsche Frauen 1,3 Kinder, Migrantinnen 1,6. Dabei haben sich Frauen mit ausländischen Wurzeln den deutschen angenähert. Ein Effekt, der überall beobachtet wird: Einwanderer passen sich in Fortpflanzungsfragen den Gewohnheiten des Landes an, in dem sie leben.
Geld macht’s nicht
Bei der Kinderzahl liegt Deutschland im europäischen Vergleich im unteren Bereich; was die Zahl der familienpolitischen Leistungen betrifft, jedoch weit oben: Es gibt bereits 156 verschiedene Zuwendungen. Noch mehr Geld vom Staat wird vermutlich wenig bringen, wenn man die Geburtenrate erhöhen will. Viel wichtiger scheint zu sein, was in den Köpfen passiert. So kommt eine Untersuchung des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung zu dem Schluss, dass sich Politik und Wissenschaft bei der Suche nach den Ursachen für die niedrige Geburtenrate zu sehr auf die schwierige Vereinbarkeit von Familie und Beruf konzentrieren. BiB-Direktor Norbert Schneider kritisiert, dass es „keine positiv besetzten Familienleitbilder in Deutschland gibt“. Die Mutter und Ehefrau, die sich nur um Haushalt und Kinder kümmert, oder die berufstätige Mutter mit Kleinkind – beide Rollenbilder seien einseitig und eher negativ besetzt. Erst wenn Frauen keine Angst mehr haben müssten, entweder als Rabenmutter oder als Heimchen am Herd dazustehen, hätten sie auch Mut für das Abenteuer Baby.
Ihr erstes Baby bekommen Frauen immer später. Der Statistik für das Jahr 2013 zufolge lag das durchschnittliche Alter Erstgebärender bei 29 Jahren.
Seit 1965 schon, also mit Einführung der Anti-Baby-Pille, geht es mit den Geburten in Deutschland bergab – von damals 1,4 Millionen im Jahr auf etwa 800000 Mitte der Siebzigerjahre. Und nach einem leichten Zwischenhoch im Jahr 1991 (rund 900000 Geburten) ist es immer stiller geworden in Deutschlands Kreißsälen. Nur 2007 konnte noch einmal eine freudige Nachricht verkündet werden: ein außergewöhnliches Plus von 12140 Babys – wohl eine Verzerrung durch das am 1. Januar 2007 eingeführte Elterngeld, das manchen Kinderwunsch um ein Jahr verlagerte. Seit zehn Jahren jedenfalls dümpeln die Zahlen nun knapp unter 700000 vor sich hin. Dabei sind neben den absoluten Babyzahlen weitere Fakten wichtig, wenn man die Lage der Nation verstehen will, die sich offenbar doch schon in der Wiege entscheidet.
Ältere Mütter
Ihr erstes Baby bekommen Frauen immer später. Der Statistik für das Jahr 2013 zufolge lag das durchschnittliche Alter Erstgebärender bei 29 Jahren, im Jahr 2009 war eine Frau, die ihr erstes Baby bekam, noch 28,5 Jahre alt. Aber auch wenn die Mütter immer älter werden, sind Entbindungen nach dem 40. Lebensjahr nicht sehr häufig: Nur drei Prozent waren es im Jahr 2013. Vor allem hochqualifizierte Frauen bekommen ihre Babys erst zwischen dem 35. und 39. Lebensjahr. Zuvor etablieren sie sich meist im Beruf und sichern sich finanziell ab. Für den Soziologen Jürgen Dobritz vom Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) ist das einer der Gründe „für das niedrige Geburtenniveau in Deutschland, die hohe Kinderlosigkeit und die geringen Anteile von Frauen mit drei oder mehr Kindern“. Klar: Wer relativ spät erst Mutter wird, für den sinken die Chancen auf mehr Kinder.
Der produktive Osten
Im Osten und Westen Deutschlands haben sich die Geburtenraten weitgehend angeglichen. Nur nach der Wende war die Zahl in Ostdeutschland kurzzeitig drastisch eingebrochen, in den frühen Neunzigerjahren lag sie nur noch bei 0,8 Kindern pro Frau. Inzwischen liegt der Wert mit 1,46 leicht über dem des Westens. 1934 brachten Frauen in Gesamtdeutschland noch 2,2 Kinder zur Welt. Dann waren es jahrzehntelang – nämlich für die Jahrgänge 1948 bis 1972 – jeweils 2,0 Kinder pro Frau. Beim Unterschied zwischen Ost und West spielen wohl überlieferte Werte eine Rolle: Wenn Mütter kleiner Kinder arbeiten gehen, ist das auf dem Gebiet der ehemaligen DDR fast der Normalzustand. Die Frauen im Westen haben stärker mit dem bösen Wort der Rabenmutter zu kämpfen.
Kinderlosigkeit
Ursache der niedrigen Geburtenrate in Deutschland ist aber weniger, dass Frauen im Durchschnitt weniger Kinder bekommen als ihre eigenen Mütter. Es sind die vielen Kinderlosen, die die Statistik vermasseln: „Der Anteil der Frauen ohne Kind hat das niedrige Geburtenniveau maßgeblich bedingt“, heißt es in einer Studie vom Statistischen Bundesamt. Jede fünfte Frau Mitte vierzig hat kein Kind. Damit ist der Anteil der kinderlosen Frauen im Vergleich zum Jahr 1900 auf das Doppelte angewachsen. Studierte Frauen sind besonders häufig kinderlos – unter den heute 45- bis 49-jährigen Akademikerinnen sind es 28 Prozent. Besonders verbreitet ist dieses Phänomen in den Stadtstaaten Hamburg (32 Prozent) und Berlin (29 Prozent) – auch der oft als Rückzugsgebiet der Latte-Macchiato-Mütter gepriesene Prenzlauer Berg kann statistisch keineswegs mit einer hohen Geburtenrate auftrumpfen. Im Jahr 2003 lag der angebliche Babyboomer-Bezirk mit einem Kind je Frau sogar deutlich unter dem Durchschnitt.
Kind und Kegel
In Ostdeutschland kommen erheblich mehr uneheliche Kinder zur Welt als in Westdeutschland. Aber auch im Westen nimmt ihr Anteil zu: 1995 wurden in Deutschland insgesamt noch rund 120000 Kinder geboren, deren Eltern keinen Trauschein hatten. 2013 hat sich die Zahl auf 237 562 quasi verdoppelt.
Die Kopftuch-Legende
Frauen mit Migrationshintergrund haben tatsächlich mehr Kinder als in Deutschland geborene Frauen. Der Unterschied ist allerdings nicht groß. 2010 bekamen deutsche Frauen 1,3 Kinder, Migrantinnen 1,6. Dabei haben sich Frauen mit ausländischen Wurzeln den deutschen angenähert. Ein Effekt, der überall beobachtet wird: Einwanderer passen sich in Fortpflanzungsfragen den Gewohnheiten des Landes an, in dem sie leben.
Geld macht’s nicht
Bei der Kinderzahl liegt Deutschland im europäischen Vergleich im unteren Bereich; was die Zahl der familienpolitischen Leistungen betrifft, jedoch weit oben: Es gibt bereits 156 verschiedene Zuwendungen. Noch mehr Geld vom Staat wird vermutlich wenig bringen, wenn man die Geburtenrate erhöhen will. Viel wichtiger scheint zu sein, was in den Köpfen passiert. So kommt eine Untersuchung des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung zu dem Schluss, dass sich Politik und Wissenschaft bei der Suche nach den Ursachen für die niedrige Geburtenrate zu sehr auf die schwierige Vereinbarkeit von Familie und Beruf konzentrieren. BiB-Direktor Norbert Schneider kritisiert, dass es „keine positiv besetzten Familienleitbilder in Deutschland gibt“. Die Mutter und Ehefrau, die sich nur um Haushalt und Kinder kümmert, oder die berufstätige Mutter mit Kleinkind – beide Rollenbilder seien einseitig und eher negativ besetzt. Erst wenn Frauen keine Angst mehr haben müssten, entweder als Rabenmutter oder als Heimchen am Herd dazustehen, hätten sie auch Mut für das Abenteuer Baby.