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Einsame Heldinnen

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Vergangene Woche hat die Zeit auf ihrer Titelseite das Bild gedruckt einer sich melancholisch auf die Lippe beißenden Person, weiblich, Ende zwanzig, und dazu die Frage gestellt: „Wer hat Angst vor solchen Frauen?“ Die Publizistin und feministische Aktivistin Teresa Buecker hatte den Titel vorab auf Twitter gepostet und dazu geschrieben, ihr falle spontan sofort eine Antwort ein: „Harald Martenstein“, jener Kolumnist des Zeit-Magazins, der sich seit einigen Jahren gern über alles beschwert, was von Feministinnen, Nicht-Heterosexuellen und Nicht-Weißen als gerechtigkeitsfördernd betrachtet wird.



Die "junge Frau" ist gut ausgebildet, vernetzt, eigenständig - und einsam.

In der Tat scheint es so, als habe sich die deutsche Öffentlichkeit etwa seit der Debatte, die mit dem Hashtag #Aufschrei verbunden ist, polarisiert. Die Kampflinie lässt sich ziemlich klar zwischen „jungen Frauen“ und „alten Männern“ ziehen, wobei hier jung und alt nicht so sehr auf Jahrgänge hinweisen, sondern auf gesellschaftliche Verortung. Unter den politischen jungen Frauen befinden sich auch Männer, und umgekehrt lassen sich manche publizierenden Frauen auch relativ klar als alte Männer einordnen. Jedenfalls haben sich gerade junge Frauen zum Beispiel in den Diskussionen um Sexismus und Prostitution als Gesellschaftskritikerinnen hervorgetan und als Trägerinnen von Forderungen für eine fortschrittlichere Gesellschaft als die, die wir haben.

Im Gegensatz dazu formiert sich eine Garde „alter, weißer Männer“, die sich als die Bewahrer der Geschlechter-Ordnung und Hüter des gesunden Menschenverstandes in der Öffentlichkeit sehen. Sie möchten keine Angestellten des öffentlichen Dienstes mit ProfessX ansprechen müssen. Sie möchten sich öffentlich zu ihrer Homophobie erklären. Sie möchten gerne nicht mit Quoten belästigt werden und einer Frau doch bitte einfach ein Kompliment machen dürfen.

Man könnte also durchaus feststellen, dass es Teile der Gesellschaft gibt, die Angst haben vor jungen, politisch aktiven Frauen und den Veränderungen, die diese erreichen wollen. Dass wir uns historisch in einer einmaligen Zeit befinden, in der es tatsächlich von Vorteil sein kann, jung und weiblich zu sein. Und dass dieser Vorteil eher relativ ist, wenn man bedenkt, von wie vielen Parametern er abhängt (Bildung, Einkommen, Herkunft, Attraktivität) und wie viel Abwehr er auslöst. Man könnte also feststellen, dass das Junge-Frau-Sein etwas von seiner traditionellen Gefängnishaftigkeit verloren hat, aber noch längst nicht Freiheit oder gar Macht in Aussicht stellt.

Aber dafür hat die Zeit keine Zeit, denn es gilt einen neuen Deutungskomplex zu eröffnen für die wohl meist gedeutete Gruppe unserer Gesellschaft. „Die junge Frau“ wird hier als Archetyp definiert, und zwar als Protagonistin einer „neuen Einsamkeit“. Es ist wenig überraschend, dass eine der Autorinnen selbst eine junge Frau ist, die im vergangenen Jahr mit einem Text über „Die Schmerzensmänner“ Aufsehen erregt hatte, in der es um die romantische Unentschlossenheit junger Männer ging. Jetzt wird der „jungen Frau“ romantische Unfähigkeit attestiert.

Top ausgebildet, bestens vernetzt und sexuell durchaus aktiv sei sie, fände aber „keinen Mann“. Junge Frauen blieben heute gefährlich lange unverpartnert und sorgten dadurch einerseits für Sorge und Unbehagen in der Rest-Gesellschaft – weil sie sich der „fetischisierten Norm des Paares“, wie es Literaturwissenschaftlerin Barbara Vinken ausdrückt, verweigerten.

Sie erzeugten durch ihre geistige und wirtschaftliche Eigenständigkeit andererseits aber auch Wut und Ressentiments. Als Kronzeugin dafür wird in einem beispiellosen Fall von überdrehtem Deutungsopportunismus die Lehramtsstudentin Tuğçe Albayrak ins Feld geführt, die Ende November auf einem Parkplatz in Offenbach von einem betrunkenen, sexuell aggressiven jungen Mann erschlagen wurde. Auch sie sei eine der „weiblich selbstbewussten Premiumsingles“, um die es gehen müsse, heißt es da, „jung, schön“, mit einem großen Freundeskreis ausgestattet, aber trotzdem ein Beispiel für „gebildete, frauenvernetzte Einsamkeit“ – schließlich habe sie die ganze Nacht nur mit ihren Freundinnen verbracht, was die Autorin offenbar für sehr modern und bemerkenswert hält. (Laut Presseberichten stand Albayrak tatsächlich kurz vor der Verlobung mit ihrem Freund.) Und das alles steht dann irgendwie in einem Zusammenhang mit der Fernsehserie „Girls“, dem Sado-Maso-Film „Nymphomaniac“ und der hohen Aktivität junger Frauen in sozialen Netzwerken.

Diese Engführung ist skurril und auch recht geschmacklos. Sie zeigt aber sehr schön den fatalen Hang zur Romantisierung, der sich sofort einstellt, wenn es um junge Frauen geht. Die einzige Bedrohlichkeit, die ihnen unterstellt werden darf, ist eine, die vom Beziehungsstatus ausgeht. Denn junge Frauen mögen zwar in der Öffentlichkeit präsent wie nie sein – nach wie vor beschränkt sich ihre Funktion dennoch fast immer allein darauf, für die Verhandlung des Geschlechterdispositivs zur Verfügung zu stehen. Also: Die junge Frau ist offensichtlich nicht deutbar, ohne dass sie ins Verhältnis zum Mann gestellt wird und ohne dass ihre Biologie zum Thema wird. Sie ist das nicht einmal für Frauen selbst, wie man am Beispiel der Zeit sieht.

Und vielsagend war auch die Debatte, bei der am Beispiel einer Reproduktionstechnologie letztlich die gesellschaftliche Funktion junger Frauen verhandelt wurde. Denn in der Debatte um „Social Freezing“, also das Einfrieren fruchtbarer Eizellen (eine Art biologischer Bausparvertrag für die irgendwann auf jeden Fall vorzunehmende Familiengründung), wurden junge Frauen nicht als einsame Arbeitnehmerinnen charakterisiert, sondern: von Befürworterinnen als selbstbestimmte Trägerinnen und Umsetzerinnen von Karriereplänen und Kinderwünschen. Und von Gegnern als cryofanatische Lebenslaufperfektionistinnen.

Interessant ist hier, dass keine Seite dazu in der Lage schien, den Kinderwunsch als Teil der condition humaine anzuerkennen, mal erfüllbar, mal nicht, mal vorhanden, mal nicht. Stattdessen ging es, gerade auch bei den frauenfreundlich gesinnten Befürworterinnen des Vorgangs, immer um Freiheit. Eine Freiheit jedoch, die immer nur definierbar ist in Bezug auf andere: den richtigen Partner, der noch nicht gefunden sein mag. Die richtige Karrierestufe, die noch nicht erreicht sein mag. Der „richtige Zeitpunkt“, der von allen möglichen Umständen abhängig ist.

Ganz egal, ob junge Frauen statistisch gesehen wirklich besonders alleine sind (es gibt übrigens auch Statistiken, die gerade der jungen Generation einen besonders ausgeprägten Willen zur fetischisierten Paar-Norm nachweisen): Die junge qualifizierte Frau ist in unserer Öffentlichkeit immer die zukünftige Partnerin, die begehrte Arbeitnehmerin, die potenzielle Mutter. Und so bleibt am Ende das größte Problem der jungen Frau das, was sie schon immer hatte: In den Augen der anderen und in ihren eigenen Augen soll sie alles Mögliche sein. Aber nie einfach nur ein Mensch unter vielen.


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