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Drachenzähmen für Fortgeschrittene

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Am Anfang stirbt ein Drache, am Ende stirbt ein Zwerg, und dazwischen macht es ordentlich Wumms, in „Die Schlacht der fünf Heere“, dem letzten Film der „Hobbit“-Trilogie.



Martin Freeman spielt den Hobbit Bilbo Beutlin diesmal besonders schmunzelig.

Für „Hobbit“-Quereinsteiger: In Teil eins wurde hauptsächlich gegessen und geredet – 169 Minuten lang. In Teil zwei wurde dann sehr viel herumgeschlichen und herangepirscht, verteilt auf 161 Minuten. Weshalb es sich jetzt dramaturgisch wohl gar nicht mehr verhindern ließ, dass in Teil drei endlich mal was passiert.

Peter Jackson, der unbedingt das Kunststück fertigbringen wollte, aus der dickleibigen Tolkien-Bibel „Herr der Ringe“ nur drei Filme und aus der schmalen Tolkien-Fibel „Der kleine Hobbit“, nun ja, auch drei Filme zu machen, hatte sich und seinen Zuschauern mit dieser fixen Idee bislang wirklich keinen Gefallen getan.

Wie er aber nun nach dreizehn Jahren und mehr als tausend Filmminuten seinen Tolkien-Zyklus mit einem finalen Mittelerde-Knall beendet, ist wirklich aufregend anzuschauen – und das nicht nur, weil „Die Schlacht der fünf Heere“ mit 144 Minuten quasi ein Kurzfilm geworden ist.

In dem gewaltigen Kampf zwischen Tausenden Menschen, Zwergen, Elben, Orks und einem Hobbit um den Goldschatz im Einsamen Berg, definiert Jackson wie derzeit kein anderer Kollege die Rolle des Regisseurs im modernen Blockbusterkino. Der muss heute vor allem eines sein: ein perfekter Choreograf.

Im vergangenen Jahrzehnt wurden die letzten großen Hürden der digitalen Effektkunst mit viel Pixel-Power überwunden – gerade dank Jackson und seiner fleißigen Crew, zu der in erster Linie seine neuseeländische Trickschmiede Weta gehört.

Seitdem sind Blockbuster-Regisseuren kaum noch Grenzen zur Realisierung ihrer Traumbilder gesetzt. Und genau hier liegt das Problem vieler aktueller Hollywoodfilme: Vor lauter digital entfesselten Zauber- und Superheldenwelten hat man immer öfter das Gefühl, dass die Filmemacher in ihren eigenen Schlachtgemälden den Überblick verlieren: Überall zischt und knallt und blitzt es so laut, so grell und so lange, bis man nicht mehr weiß, wo oben und unten ist.

Neue Spielzeuge mit selbstbewussten Namen wie „Epic“ – die Superdigitalkameras, mit denen der „Hobbit“ gefilmt wurde – oder „Massive“ – die Supersoftware, mit denen die Riesenschlachten animiert wurden – muss man beherrschen können. Sonst beherrschen die Werkzeuge die Filme. Jackson ist in dieser Hinsicht einer der ganz wenigen Hollywood-Regisseure, dem seine eigenen Tricks nicht um die Ohren fliegen wie dem Zauberlehrling sein Besen.

Dabei ist das Geheimnis hinter seiner Choreografie-Kunst eigentlich gar keins, weil es seit der Frühzeit des Films von allen schlauen Regisseuren angewandt wird, und wohl nur im Rausch der Effekte immer mehr in Vergessenheit geriet. Das perfekte Beispiel findet sich gleich zu Beginn des neuen „Hobbit“, als der gewaltige Drache Smaug, im Original donnernd von Benedict Cumberbatch gesprochen, Feuer speiend eine Art Mittelerde-Venedig zerlegt. Das inszeniert Jackson auch nicht viel anders als Fritz Lang den Drachenauftritt in seinem fünfstündigen „Nibelungen“-Epos von 1924. Lang musste sich zwar noch eine zwanzig Meter große Puppe basteln lassen, die von siebzehn kräftigen Assistenten bedient wurde, während Jackson seinen Drachen schuppengenau digital animieren ließ.

Doch heute wie damals gilt, dass so ein Drachenvieh nur in der richtigen Proportion zum Restspektakel Furcht einflößend funktioniert. Dies war auch schon die große Computer-Pionierleistung im „Herr der Ringe“, was man geblendet von der Opulenz der Schlachten schnell vergisst: Die Größenverhältnisse zwischen den Fabelwesen richtig hinzubekommen, so dass man Zwerge und Zauberer im selben Bild zeigen kann, ohne dass es lächerlich aussieht. Wenn er sich selber lässt und sich nicht in ewigen Elb-Monologen verheddert, dann gelingt ihm so eine atemberaubende Sequenz wie der Drachenangriff und dessen anschließender Todestanz über den winzigen Menschenhäuslein. Und auch das toppt Jackson noch: Mit einem irren Duell zwischen Chef-Ork und Chef-Zwerg an einem gefrorenen Wasserfall. Die Kombattanten prügeln sich auf einer abgebrochenen Eisscholle kurz vor dem Abgrund, während im Hintergrund die Monsterschlacht tobt – eine der eindrucksvollsten Szenen dieses Kinojahres.

Drache, Zwerg, Ork – nur wo bleibt der titelgebende Hobbit? Der hat im letzten Teil eher eine Sidekick-Funktion: Weil alle verrückt spielen, muss der besonnene Bilbo Beutlin als freundlicher Diplomat zwischen den Fronten vermitteln. Martin Freeman, der momentan sehr erfolgreich im Fernsehen unterwegs ist, als Dr. Watson in „Sherlock“ oder in der neuen Hitserie „Fargo“, spielt ihn diesmal besonders schmunzelig.

Er muss einen obsessiven Zwerg besänftigen, gegen den Gollum und Smaug leichte Verhandlungspartner waren. Er muss den irren Anweisungen des Zaubermeisters Gandalf Folge leisten – und grinst trotzdem spitzbübisch, als säße er schon wieder beim Bier im Auenland. Wohin er laut Tolkien-Imperativ ja auch wieder zurück muss, damit 60 Jahre nach den „Hobbit“-Geschehnissen der „Herr der Ringe“ losgehen kann. Warum es in der Reihenfolge der Verfilmungen jetzt andersherum war? Schuld sind alte, sehr komplizierte Verträge über die Filmrechte, die noch zu Lebzeiten Tolkiens abgeschlossen wurden. Zu verfilmen gäbe es heute noch diverse Fragmente wie das „Silmarillion“ oder die „Nachrichten aus Mittelerde“. Aber das schloss Jackson anlässlich der Londoner Weltpremiere von „Die Schlacht der fünf Heere“ vehement aus. Zum einen, weil so ein Hobbit-Film eine nervenzerreibende Sache sei. Zum anderen, weil die Tolkien-Erben, die schon permanent auf den bisherigen Filmen herumgehackt haben, die restlichen Werke bewachen wie der Drache Smaug seinen Goldschatz.

Andererseits: Das Jackson-Imperium hat in Neuseeland, in dessen wilden Landschaften die Filme gedreht wurden, mit viel Hollywoodgeld eine veritable Film- und Tourismusindustrie geschaffen, an der jetzt Tausende Arbeitsplätze hängen. Der Hobbit steht als Exportschlager nicht mehr weit hinter der Kiwi – vielleicht verlangt schlicht die Staatsräson bald eine weitere Fortsetzung. Und auch wenn Drachen zu Raserei und Tobsucht neigen: Wie jeder eifrige Tolkien-Leser weiß, kann man mit genug Chuzpe selbst den fiesesten Feuerspucker erlegen.

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