Der Druck ist hoch geworden und in vielen Fällen ist er zerstörerisch. Wer als Wissenschaftler einen Vertrag auf Zeit hat, der muss die Zeit nutzen. Das heißt: erfolgreich forschen. Es müssen Ergebnisse da sein, ehe die zwei oder drei Jahre um sind, die ein Professor oder Institut gewährt haben. Und die Ergebnisse müssen neu sein, bemerkenswert, nicht nur ein Protokoll der Ratlosigkeit. Was macht dieser Druck mit jungen Wissenschaftlern? Er lässt sie immer wieder zu Tricksern werden, zu Fälschern. So lautet zumindest das Ergebnis einer Studie, die an diesem Donnerstag veröffentlicht wird.
Eine technische Assistentin der Landwirtschaftlich-Gärtnerischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin arbeitet in einem Labor mit Pflanzensprößlingen. Einer Studie nach zwingt die unsichere Joblage viele junge Wissenschaftler zu "Fehlverhalten".
Die Autoren, von denen einige selbst auf befristeten Stellen arbeiten, haben fast 1700 Nachwuchswissenschaftler zu ihren Arbeitsbedingungen befragt – und reichlich Kritik gesammelt. Tausende befristete und oft kümmerlich bezahlte Stellen machen den Beruf Wissenschaftler an Hochschulen und Forschungsinstituten unattraktiv, ausbeuterisch – und verführen zum Betrug. Denn was tun einige Forscher, wenn sie nicht die passenden Ergebnisse finden? Sie machen sie passend: Gut 80 Prozent der Befragten gaben an, dass die unsichere Lage „wissenschaftliches Fehlverhalten“ begünstige, gut 40 Prozent von ihnen hatten solches Fehlverhalten wegen Zeitverträgen schon selbst erlebt. Das heißt, sie unterdrücken oder fälschen unerwünschte Ergebnisse. Eigentlich sind sie der Wahrheitssuche verpflichtet.
Doch das Leben in Unsicherheit wirkt viel weiter, hinein in das Privatleben: Fast zwei Drittel der Nachwuchswissenschaftler sagen, sie hätten bereits jetzt Kinder, wenn sie einen festen Job hätten, fast 90 Prozent der Wissenschaftlerinnen sehen darin eine „systematische Benachteiligung der Frauen“. Fast zwei Drittel der Befragten würden der Tochter eines Freundes eher abraten, Wissenschaftlerin zu werden. Forscher ist kein Traumberuf mehr. „Die beste Frauenförderung wären mehr feste Stellen“, sagt Sebastian Raupach, einer der Autoren der Studie „Exzellenz braucht Existenz“. Raupach hat eine Petition für bessere Arbeitsbedingungen initiiert, binnen weniger Monate unterstützten sie 25000 Wissenschaftler im Netz. 84 Prozent der 160 000 wissenschaftlichen Mitarbeiter an Deutschlands Hochschulen haben Zeitverträge, die Lage bei den gut 50000 Mitarbeitern an Forschungsinstituten wie Fraunhofer ist kaum besser. Sie unterstützen Professoren, managen Organisationskram und forschen. In vielen Fällen arbeiten sie zu Recht auf Zeit, etwa, weil die Doktorarbeit nach drei Jahren geschrieben oder das Forschungsprojekt nach zwei Jahren beendet ist. Doch die Befristung ist auch in anderen Bereichen zur Regel geworden, etwa bei Dozenten.
Raupach arbeitete selbst acht Jahre auf Zeitverträgen, er ist Partei, will etwas bewegen mit der Studie. Doch die Ergebnisse entsprechen den Berichten vieler Wissenschaftler – und weiteren Studien: Gerade erschien eine Untersuchung des Instituts für Hochschulforschung in Halle-Wittenberg. Ergebnis: Von den Lehrbeauftragten an Universitäten, die zum Beispiel Proseminare anbieten, wird nur jeder zweite bezahlt. Das Team um Projektleiter Roland Bloch verglich an acht Hochschulen die Vorlesungsverzeichnisse mit den Namen, die in der Gehaltsliste der Uni auftauchen. Ein Drittel der Lehrenden ist der Verwaltung demnach offenbar gar nicht bekannt – und wird somit nicht von der Uni bezahlt. Viele sind Mitarbeiter an externen Instituten und arbeiten gratis, um Kontakte zu knüpfen oder Erfahrung zu sammeln. „Der Lehrbetrieb würde zusammenbrechen ohne die wissenschaftlichen Mitarbeiter – und diese sind fast immer befristet beschäftigt“, sagt Bloch. Weil die Hochschulen oft selbst nur befristet Geld haben, handeln sie wie viele Firmen: sie setzen Zeitarbeiter ein. „Hire-and-fire-Lehrende“ nennt sie Bloch. Dies aber verschlechtere die Lehre: Keiner betreut die Studenten dauerhaft, ständig wechseln die Ansprechpartner.
„Die prekären Arbeitsverhältnisse treiben die besten Köpfe aus der Wissenschaft“, sagt Simone Raatz (SPD). Die Vizevorsitzende des Bildungsausschusses im Bundestag möchte dem Trend zum wissenschaftlichen Prekariat neue Regeln entgegenstellen. Nach einem Eckpunktepapier ihrer Fraktion soll es Mindestzeiten für Arbeitsverträge geben und mehr feste Stellen. Gerade Doktoranden müssten Sicherheit erhalten, um nicht nach einem Jahr Arbeit vor dem Nichts zu stehen, sagt Raatz. Sie will nicht alle Zeitverträge in feste Stellen umwandeln, das fordern nicht einmal die Wissenschaftler selbst. „Es geht uns um eine sinnvolle Personalauswahl durch Bewertungen und Gespräche“, sagt Raupach. Eine breite Mehrheit der Wissenschaftler fordert laut seiner Studie, Hochschulen und Instituten eine Obergrenze für befristete Stellen vorzuschreiben.
Ob es so kommt, wird sich bald klären: Kommende Woche sprechen SPD und Union darüber, im Januar sollen gemeinsame Eckpunkte stehen. Einfach wird es nicht werden. Bildungsministerin Johanna Wanka (CDU) schrieb kürzlich, der wissenschaftliche Nachwuchs brauche zwar bessere Perspektiven. „Zu pauschale Einschränkungen“ bei Zeitverträgen richteten aber mehr Schaden an als sie nutzten.
Eine technische Assistentin der Landwirtschaftlich-Gärtnerischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin arbeitet in einem Labor mit Pflanzensprößlingen. Einer Studie nach zwingt die unsichere Joblage viele junge Wissenschaftler zu "Fehlverhalten".
Die Autoren, von denen einige selbst auf befristeten Stellen arbeiten, haben fast 1700 Nachwuchswissenschaftler zu ihren Arbeitsbedingungen befragt – und reichlich Kritik gesammelt. Tausende befristete und oft kümmerlich bezahlte Stellen machen den Beruf Wissenschaftler an Hochschulen und Forschungsinstituten unattraktiv, ausbeuterisch – und verführen zum Betrug. Denn was tun einige Forscher, wenn sie nicht die passenden Ergebnisse finden? Sie machen sie passend: Gut 80 Prozent der Befragten gaben an, dass die unsichere Lage „wissenschaftliches Fehlverhalten“ begünstige, gut 40 Prozent von ihnen hatten solches Fehlverhalten wegen Zeitverträgen schon selbst erlebt. Das heißt, sie unterdrücken oder fälschen unerwünschte Ergebnisse. Eigentlich sind sie der Wahrheitssuche verpflichtet.
Doch das Leben in Unsicherheit wirkt viel weiter, hinein in das Privatleben: Fast zwei Drittel der Nachwuchswissenschaftler sagen, sie hätten bereits jetzt Kinder, wenn sie einen festen Job hätten, fast 90 Prozent der Wissenschaftlerinnen sehen darin eine „systematische Benachteiligung der Frauen“. Fast zwei Drittel der Befragten würden der Tochter eines Freundes eher abraten, Wissenschaftlerin zu werden. Forscher ist kein Traumberuf mehr. „Die beste Frauenförderung wären mehr feste Stellen“, sagt Sebastian Raupach, einer der Autoren der Studie „Exzellenz braucht Existenz“. Raupach hat eine Petition für bessere Arbeitsbedingungen initiiert, binnen weniger Monate unterstützten sie 25000 Wissenschaftler im Netz. 84 Prozent der 160 000 wissenschaftlichen Mitarbeiter an Deutschlands Hochschulen haben Zeitverträge, die Lage bei den gut 50000 Mitarbeitern an Forschungsinstituten wie Fraunhofer ist kaum besser. Sie unterstützen Professoren, managen Organisationskram und forschen. In vielen Fällen arbeiten sie zu Recht auf Zeit, etwa, weil die Doktorarbeit nach drei Jahren geschrieben oder das Forschungsprojekt nach zwei Jahren beendet ist. Doch die Befristung ist auch in anderen Bereichen zur Regel geworden, etwa bei Dozenten.
Raupach arbeitete selbst acht Jahre auf Zeitverträgen, er ist Partei, will etwas bewegen mit der Studie. Doch die Ergebnisse entsprechen den Berichten vieler Wissenschaftler – und weiteren Studien: Gerade erschien eine Untersuchung des Instituts für Hochschulforschung in Halle-Wittenberg. Ergebnis: Von den Lehrbeauftragten an Universitäten, die zum Beispiel Proseminare anbieten, wird nur jeder zweite bezahlt. Das Team um Projektleiter Roland Bloch verglich an acht Hochschulen die Vorlesungsverzeichnisse mit den Namen, die in der Gehaltsliste der Uni auftauchen. Ein Drittel der Lehrenden ist der Verwaltung demnach offenbar gar nicht bekannt – und wird somit nicht von der Uni bezahlt. Viele sind Mitarbeiter an externen Instituten und arbeiten gratis, um Kontakte zu knüpfen oder Erfahrung zu sammeln. „Der Lehrbetrieb würde zusammenbrechen ohne die wissenschaftlichen Mitarbeiter – und diese sind fast immer befristet beschäftigt“, sagt Bloch. Weil die Hochschulen oft selbst nur befristet Geld haben, handeln sie wie viele Firmen: sie setzen Zeitarbeiter ein. „Hire-and-fire-Lehrende“ nennt sie Bloch. Dies aber verschlechtere die Lehre: Keiner betreut die Studenten dauerhaft, ständig wechseln die Ansprechpartner.
„Die prekären Arbeitsverhältnisse treiben die besten Köpfe aus der Wissenschaft“, sagt Simone Raatz (SPD). Die Vizevorsitzende des Bildungsausschusses im Bundestag möchte dem Trend zum wissenschaftlichen Prekariat neue Regeln entgegenstellen. Nach einem Eckpunktepapier ihrer Fraktion soll es Mindestzeiten für Arbeitsverträge geben und mehr feste Stellen. Gerade Doktoranden müssten Sicherheit erhalten, um nicht nach einem Jahr Arbeit vor dem Nichts zu stehen, sagt Raatz. Sie will nicht alle Zeitverträge in feste Stellen umwandeln, das fordern nicht einmal die Wissenschaftler selbst. „Es geht uns um eine sinnvolle Personalauswahl durch Bewertungen und Gespräche“, sagt Raupach. Eine breite Mehrheit der Wissenschaftler fordert laut seiner Studie, Hochschulen und Instituten eine Obergrenze für befristete Stellen vorzuschreiben.
Ob es so kommt, wird sich bald klären: Kommende Woche sprechen SPD und Union darüber, im Januar sollen gemeinsame Eckpunkte stehen. Einfach wird es nicht werden. Bildungsministerin Johanna Wanka (CDU) schrieb kürzlich, der wissenschaftliche Nachwuchs brauche zwar bessere Perspektiven. „Zu pauschale Einschränkungen“ bei Zeitverträgen richteten aber mehr Schaden an als sie nutzten.