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Cleopatra und die Hollywood-Leaks

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Was haben der nordkoreanische Nachwuchsdiktator Kim Jong-un und die ägyptische Pharaonin Cleopatra gemeinsam? Beide sind gerade unfreiwillige, aber zentrale Protagonisten in einer der heftigsten Schmierenkomödien, die sich die amerikanische Filmindustrie seit Langem geleistet hat – und die sie wohl auch noch lange beschäftigen wird.

Was ist passiert? Bereits Ende November hatte eine bislang anonyme Hacker-Gruppe namens „Guardians of Peace“ die Computer von Sony Pictures ausspioniert, einem der größten und einflussreichsten Filmstudios in Hollywood. Die Hacker verlangten von den Sony-Bossen zunächst einen bislang unbekannten Geldbetrag. Kurz darauf wollten sie aber plötzlich etwas ganz anderes erpressen: Sie forderten Sony auf, die Trash-Komödie „The Interview“, die in den USA an Weihnachten und in Deutschland im Februar anlaufen soll, nicht in die Kinos zu bringen. In dem Film spielen James Franco und Seth Rogen, der auch Koregisseur und Koautor des Projekts ist, zwei amerikanische TV-Macher, die ein Exklusiv-Interview mit Kim Jong-un bekommen – und von der CIA aufgefordert werden, den Diktator bei dieser Gelegenheit doch bitte zu eliminieren.



"Hollywood-Leaks": Die Hacker-Gruppe "Guardians of Peace" hat die Computer von Sony Pictures veröffentlicht ausspioniert und pikante Informationen veröffentlicht.

Der Trailer verspricht ein herrlich politisch inkorrektes Klamauk-Tohuwabohu, das die „Guardians“-Hacker aber überhaupt nicht witzig finden. Sie stellten nicht nur fünf Sony-Filme auf Filesharing-Plattformen, um dem Studio finanziell zu schaden, sondern veröffentlichten auch Gehaltslisten von Sony-Mitarbeitern sowie Budgetkalkulationen. Besonders Letztere ist man in Hollywood immer sehr darauf bedacht geheim zu halten – damit die Konkurrenz nicht weiß, wie weit man sich finanziell für ein Projekt aus dem Fenster lehnt. Dem naheliegenden Verdacht, dass Nordkorea hinter der Cyber-Attacke stehen könnte, widersprach der dortige Regierungssprecher vehement – betonte aber gleichzeitig fröhlich, dass man über die ganze Sache auch nicht unglücklich sei.

Das war aber nur das Vorspiel dieser Hollywood-Leaks-Affäre, die sich Mittwoch zu einer ordentlichen Schlammschlacht unter sehr mächtigen Filmemachern ausgeweitet hat – womit nun Cleopatra ins Spiel kommt. Die hat in Hollywood bereits 1963 ein legendäres Monumentalfilm-Denkmal bekommen, mit Elizabeth Taylor als bezaubernder Pharaonin. Ein Film, der der Schauspielerin Angelina Jolie so gut gefallen hat, dass ein opulentes Remake von „Cleopatra“ seit Jahren ein erklärter Traum von ihr ist. Und im Gegensatz zu Kleinkindern mit Prinzessinnenphantasien hat sie aufgrund ihres Renommees, das den Filmstudios schon viele Millionen Dollar eingebracht hat, auch die Möglichkeit, ihren Wunsch Wahrheit werden zu lassen. Dummerweise ist sie aber trotzdem so ziemlich die Einzige, die dieses Projekt, das mit 180 Millionen Dollar ein selbst für L.A.-Verhältnisse irre hohes Budget haben soll, für eine gute Idee hält. Das legen die vertraulichen E-Mails zwischen hohen Hollywood-Executives nahe, die die „Guardians of Peace“-Hacker nun als nächsten Schritt in ihrer Anti-„Interview“-Offensive veröffentlicht haben. Diese Mails sind etwas zu detailreich und mit zu vielen Insider-Informationen gespickt, um Fälschungen zu sein, weshalb auch Gossip-ferne Fachzeitschriften wie Variety ihren Inhalt gerade genüsslich wiederkäuen.

Als Erster hatte das New Yorker Medienblog Gawker Auszüge zusammengetragen – und dürfte damit dafür gesorgt haben, dass in Hollywood so mancher Business-Lunch abgesagt wurde. Natürlich ist klar, dass in einer Industrie, die sich gerade panisch gegen Internet-Filmkonkurrenten wie den Streaming-Dienst Netflix rüstet und immer wahnsinnigere und riskantere Budgets und Marketingkampagnen für ihre Blockbuster auffährt, nicht nur freundlicher Smalltalk geführt wird. Doch geben die eisernen, ungeschriebenen Gesetze in den Hollywood Hills seit jeher vor, dass man interne Schmutzkampagnen nicht nach außen trägt. Ein Meister dieser Kunst ist beispielsweise Steven Spielberg, der sich in der Öffentlichkeit gerne als netter, bärtiger Märchenonkel verkauft, aber im Betrieb als knallharter Verhandlungspartner gilt, dessen Machtwort sich sogar auf Projekte auswirken kann, in die er gar nicht unmittelbar involviert ist.

Auch bekannt für seine rigorosen Verhandlungsstrategien sowie sein Desinteresse an Dinnerpartys ist der Produzent Scott Rudin. Der ist außerhalb der Filmindustrie namentlich nicht sehr berühmt, aber trotzdem der Kopf hinter ziemlich vielen Hits. Er hat unter anderem „Die Truman Show“ und „No Country for Old Men“ produziert – und ist seit einigen Jahren der Stammproduzent des gefeierten Regisseurs David Fincher. Mit ihm hat er zuletzt das Biopic „The Social Network“ über Facebook-Gründer Mark Zuckerberg gestemmt. Eine Zusammenarbeit, die sie für ein weiteres Biopic, diesmal über Apple-Gründer Steve Jobs, fortsetzen wollten – und zwar für das Sony-Studio. Ein Projekt, das seit Jahresanfang heiß diskutiert wurde, vor allem seit Fincher für die Regie und Christian Bale für die Hauptrolle gehandelt wurden. Aber plötzlich platzte das Prestigeprojekt, mit dem Rudin nun zum konkurrierenden Universal-Studio wechseln musste, wo es mit ganz neuem Personal geplant werden muss. Jetzt weiß man aufgrund der neuen, von den „Guardians“ geklauten internen Sony-Mails auch warum. Im zwischen Februar und November dieses Jahres ausgetauschten Mailwechsel von Rudin und seiner Kollegin Amy Pascal, die im Vorstand von Sony sitzt, gibt der geschasste „Jobs“-Produzent wild fluchend Angelina Jolie die Schuld am Scheitern des Films. Jolie habe durch Intrigen dafür sorgen wollen, dass Fincher von „Jobs“ abgezogen werde, um ihren privaten „Cleopatra“-Irrsinn zu inszenieren – ein Film, der ursprünglich Rudins zweites Herzensprojekt im Hause Sony gewesen ist.

Nachdem Rudin seinen Frust in den E-Mails an Pascal zuerst noch an ein paar anderen Kollegen ausgelassen hat – zum Beispiel bezeichnet er die junge Produzentin Megan Allison als „bipolare 28-jährige Spinnerin“ –, schießt er sich anschließend vollkommen auf sein Hauptziel Jolie ein: „Jeder Idiot weiß doch, dass dieses Projekt ein Riesenreinfall sein wird. Wenn wir das wirklich machen, wird die gesamte Filmindustrie uns auslachen – und zwar zu Recht. (...) Ich werde bestimmt nicht einer 180 Millionen Dollar teuren Ego-Dusche vorsitzen.“ Dann wird er persönlich: Jolie sei eine „untalentierte, verzogene Göre, die mit ihrer Wahnidee noch diverse andere Karrieren zerstören werde.“

Als Pascal ihn auffordert, sich doch einfach mit ihr zusammenzusetzen oder zumindest mal zu telefonieren, rastet Rudin endgültig aus: „So ein Masturbationsanruf ist ein Rumgewichse, für das ich wirklich keine Zeit habe. (...) Ich habe nicht das geringste Bedürfnis, einen Film mit ihr zu drehen – oder mit irgendjemandem, der für sie arbeitet.“ Das wiederum ist ein fieser Seitenhieb auf Angelinas Ehemann Brad Pitt und ihre sechs (Adoptiv-)Kinder: Die nämlich sollen angeblich allesamt in dem verhassten „Cleopatra“-Film mitspielen, nachdem Jolie schon so gute Erfahrungen mit ihrer Tochter Vivian vor der Kamera gemacht habe. Vivian war in diesem Jahr gemeinsam mit ihrer Mutter in der „Dornröschen“-Neuauflage „Maleficent“ zu sehen.

Auch von Rudins Geschäftskumpel David Fincher wollen die „Guardians“ Geheimes erfahren haben, wie Gawker berichtet. In einer E-Mail lästert Fincher, der den täglichen Hollywoodbetrieb seit jeher hasst, über den wohl am heißesten erwarteten Blockbuster des kommenden Jahres: „Star Wars Episode VII“. Darin spielt Adam Driver eine tragende Rolle, der seit seinem Sidekick-Auftritt in „Inside Llewyn Davis“ zum Shootingstar geworden ist. Trotzdem findet Fincher es eine „schreckliche Idee“, dass Driver einen „Star Wars“-Bösewicht spielen soll. Das ist zwar keine ganz so drastische Äußerung wie die von Rudin, dürfte Fincher aber trotzdem einige Türen in der nachtragenden, eitlen amerikanischen Filmindustrie verschlossen halten – zum Beispiel beim Disney-Studio, dessen wichtigster Goldesel aktuell „Star Wars“ ist.

Wie wird es nach diesen Hasstiraden weitergehen in Hollywood? Einerseits wird sich gerade das Sony-Studio nun nicht mehr so stoisch schweigsam zu den Geschehnissen geben können wie bisher. Denn die neueste Meldung in der Angelegenheit war nun in der Los Angeles Times zu lesen, die berichtete, das Studio sei bereits vor einiger Zeit vom Department of Homeland Security gewarnt worden, dass ein Kim-Jong-un-Attentäter-Film vielleicht keine gute Idee sei. Dass der Film solche internen wie externen Gossip-Lawinen lostreten würde, hat wohl trotzdem keiner der Verantwortlichen vermutet. Andererseits: Dass Sony in filmwirtschaftlich so unsicheren Zeiten trotzdem an einem solch riskanten Projekt festhält, zeugt von einer Chuzpe, die man in der Ära der Fortsetzungs-Superhelden-Filme einem großen Hollywood-Studio eigentlich gar nicht mehr zugetraut hätte.


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