München – Lassana Bathily spricht schüchtern, aber seine Worte sind kraftvoll und klar: „Wir sind Brüder. Es geht nicht um Juden, Christen oder Muslime. Wir sitzen alle im selben Boot, man muss sich gegenseitig beistehen, um aus so einer Krise herauszukommen.“ Wie wenig es dem 24-Jährigen um Herkunft oder Religion geht, zeigt seine eigene Geschichte: Er stammt aus Mali, lebt in Paris, ist praktizierender Muslim und arbeitet als Lagerist in einem jüdischen Geschäft – in dem koscheren Supermarkt an der Porte de Vincennes, in dem sich am Freitagmittag der islamistische Attentäter Amedy Coulibaly verschanzte. Bathily hat nicht nur die Geiselnahme überlebt, er hat auch sechs anderen Menschen dort das Leben gerettet
Ein Einschussloch ist am 10.01.2015 in Paris (Ile-de-France) an dem jüdischen Supermarkt zu sehen, in dem der islamistische Geiselnehmer nach Angaben der französischen Staatsanwaltschaft am 09.01.2015 vier Geiseln getötet hatte
Als der Terrorist Coulibaly gegen 13.30Uhr das Geschäft betritt und anfängt, um sich zu schießen, verrichtet Bathily gerade im Untergeschoss sein Mittagsgebet, so hat er dem französischen Sender BFM-TV im Interview erzählt. Mehrere Kunden flüchten vor dem Angreifer Coulibaly ins Untergeschoss. Bathily reagiert schnell und weist ihnen den Weg zu einem von zwei Kühlräumen. „Ich habe die Tür zum Kühlraum geöffnet, und mehrere Menschen kamen mit mir mit. Dann habe ich das Licht und die Kühlung ausgeschaltet. Ich sagte ihnen, sie sollten leise sein“, erzählt Bathily.
Als der Geiselnehmer bemerkt, dass sich mehrere Kunden vor ihm versteckt haben, schickt er eine Angestellte, sie zu holen. Coulibaly droht: Wenn sie nicht nach oben kommen, werde er sie erschießen. Vier Menschen seien der Aufforderung des Attentäters gefolgt, berichtet ein Zeuge. Ob sie getötet wurden, ist unklar. Bathily schlägt den übrigen versteckten Menschen vor, mit dem Lastenaufzug zum Notausgang hochzufahren. „Aber sie hatten Angst“, so Bathily weiter, dass Coulibaly das Geräusch des Aufzugs hören könnte. Also flüchtet er allein.
Aber als er aus dem Supermarkt kommt, verdächtigen ihn die Sicherheitskräfte, selbst der Attentäter zu sein. „Sie haben mir nicht geglaubt“, erzählt Bathily. Eineinhalb Stunden lang wird er in Handschellen festgehalten, bis ihn ein weiterer Angestellter, der sich aus dem Supermarkt retten kann, identifiziert. Bathily, der seit vier Jahren in dem Laden arbeitet, kann den Beamten einen Plan der Räumlichkeiten aufzeichnen; sein Kollege gibt ihnen den Schlüssel zu einem Absperrgitter.
Inmitten des Schocks, der Besorgnis und der Trauer, welche die Terrorattacken von Mittwoch, Donnerstag und Freitag ausgelöst haben, steht die Tat von Lassana Bathily für Menschlichkeit und Mut. Zwar betont er im Fernsehinterview bescheiden, es sei die Polizei gewesen, welche die Geiseln befreite, er habe nur geholfen. „Sie haben sich bei mir bedankt.“ Aber im Internet feiern viele ihn als Held, im Kurznachrichtendienst Twitter verbreitet sich die Forderung, Lassana Bathily eine Medaille zu verleihen.
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Held aus dem Supermarkt-Keller
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