Am Ende sind es immerhin zwölf Paparazzi, die den Weg vor den Eingang zur wichtigsten Modenschau des Jahres gefunden haben. Kreischbunte Blogger oder schaulaufende Moderedakteure sind aber nirgendwo zu sehen. Nicht etwa, weil es in Strömen regnet. Man hat sie verbannt, vom Hof gejagt. Mitte Dezember ging es los, als die Pressestelle erklärte, Einladungen nur an „Freunde des Hauses“ erteilen zu wollen. Bei einer Branche, in der jeder mit jedem gern auf eng macht, kann solch ein Satz zu herben Enttäuschungen führen. Das Ganze gipfelt in einer kleinen Groteske: Die Pressestelle verschweigt bis zuletzt sogar den Ort, an dem John Galliano sein Comeback mit der Haute-Couture-Kollektion für Maison Martin Margiela will. Offiziell ist nur die Stadt: London.
Der Modeschöpfer John Galliano feierte am Montag sein Comeback nach vier Jahren Pause mit einer Haute-Couture-Kollektion für Margiela.
Vor fast vier Jahren verschwand der Designer aus der Öffentlichkeit, weil er in einer Pariser Kneipe unter Einfluss von Drogen den Satz „Ich liebe Hitler“ fallen ließ. Er verlor den Posten als Chefdesigner bei Dior und musste auch von seinem eigenen Label zurücktreten. Sein Status als Fashion-Superstar war dahin. Der Job als Chefdesigner bei Margiela ist nun seine erste große und auch letzte Chance. Er muss ihn deshalb mit einem Paukenschlag beginnen, perfekt gesteuert, er darf ihn auf keinen Fall dem Zufall überlassen. Darum bleibt die Adresse der Show ein Staatsgeheimnis, darum ist die Gästeliste so ausgesucht wie überhaupt nur möglich. Wenn sich viele Menschen darüber ärgern, nicht eingeladen zu sein, weckt das ganz vortrefflich Begehrlichkeiten.
Der erlauchte Publikumskreis besteht dann tatsächlich nur aus knapp 100 Mitgliedern. Gegen 16 Uhr, 30 Minuten vor Beginn der Show, fahren die ersten schwarzen Limousinen vor einem Bürobunker in Buckingham Gate 62 vor, Stadtteil Westminster. Alber Elbaz, Kreativchef von Lanvin, ist extra aus Paris eingeflogen, Diesel-Designer Nicholas Formichetti aus Italien angereist; Burberry-Boss Christopher Bailey kommt einfach von seiner eigenen Show ein paar Straßen weiter rüber. Natürlich kommt auch Kate Moss, die selbst in Gallianos schwersten Zeiten immer zu ihm gehalten hat. Die Chefredakteurinnen der wichtigsten Ableger von Vogue, Elle und Harper’s Bazaar sind da, gefolgt von der obersten Riege der Modekritiker.
Keiner weiß, was hier gleich zwischen zwei weißen Stuhlreihen und einfachen Baustrahlern auf silbrig-grauschimmerndem Fußboden gezeigt wird. Keiner kann sich diesen Mann bei diesem Label so richtig vorstellen: Galliano, Narziss der Mode, der seine phantastisch-pompös geschnittenen Roben immer so schwelgerisch und doch provokativ präsentiert hat – als Nachfolger von Martin Margiela, der nie in die Öffentlichkeit trat. Der eben jene Modenschauspektakel dekonstruierte, indem er seine Kollektionen in Metroschächten und Turnhallen nicht an Models, sondern an Schaufensterpuppen präsentieren ließ. Der Nähte und Reißverschlüsse nach außen kehrte, um den Aufbau eines Kleidungsstückes sichtbar zu machen. Der auf hautfarbene Trikots schwarze BHs malte, um Nacktheit vorzutäuschen.
Genau das ist dann aber das, was Galliano mit ein paar Looks müde zitiert. Auf einem nudefarbenen Body sitzt ein hochglanzpoliertes Gebilde aus schwarzen Muscheln und Rosen. Von einem anderen Look – ob Kleid, Hemd oder Cape lässt sich nicht sagen – schauen dem Betrachter unterhalb des Busens angesetzte Augen ohne Augäpfel entgegen. Manche Strumpfhosen hält man für aufgemalt, dann entpuppen sie sich aber als echt. Das Gesicht des letzten Models ist mit einer Maske unkenntlich gemacht, die aus Perlen, Edelsteinen und Gold-Elementen besteht. Dinge, die wir eigentlich als kostbar und schön empfinden, sind hier so angeordnet, dass sie eine verstörende Fratze bilden.
Andere Teile haben mit Margiela nichts zu tun. Die Ankle-Boots zum Beispiel, mit Fesselriemen und kunstvoll gegossenen Absätzen wie früher bei Alexander McQueen. Eine taillenhohe Jeansshorts mit dicker Gürtelschnalle, die aus jedem x-beliebigen Kaufhaus hätte stammen können. Und schließlich Kleider, bodenlange Mäntel, und Korsagen, die eine eindeutige Handschrift tragen: Galliano. Asymmetrisch und zerfleddert hängen sie in Rot und Schwarz an den Models herab, dies aber perfekt. Der Designer hat sie großartig dekonstruiert, allerdings ganz anders als früher Margiela. Nicht so tiefgründig, dafür mit viel Marktschreierei.
Zum Schluss Jubel, der Song „Hey, Big Spender“ wird eingespielt. Jemand ruft „He is back!“ Für den Bruchteil einer Sekunde zeigt sich Galliano, mit frisch geglättetem Gesicht und im weißen Kittel. Für viele ist genau das jetzt die eigentliche Verbeugung vor dem Gründer: Der weiße Umhang ist so etwas wie die Arbeitsuniform für alle Mitarbeiter bei Maison Martin Margiela, alle tragen ihn, weil alle irgendwie gleich sein sollen. Galliano als Teil der Familie und nicht als Oberhaupt. Abgang.
Justine Picardie, Chefredakteurin der britischen Harper’s Bazaar, nennt das einfach nur „fabulous“. Katie Grand vom Love Magazine meint sogar, dass Galliano es allen gezeigt hätte. Die Mode hat vergeben. Sie hat ihr Genie wieder.
Im Hintergrund des Trubels draußen auf der Straße findet eine Kundin und Sammlerin das dagegen alles ganz furchtbar. Ihren Namen will sie – wie so häufig bei Frauen, die Haute Couture kaufen – nicht verraten. Die Kleider seien längst nicht so klug gewesen wie zu Martin Margielas Zeiten, platzt es aus ihr heraus: „Margiela hat diese Kollektion nicht verdient.“
Der Modeschöpfer John Galliano feierte am Montag sein Comeback nach vier Jahren Pause mit einer Haute-Couture-Kollektion für Margiela.
Vor fast vier Jahren verschwand der Designer aus der Öffentlichkeit, weil er in einer Pariser Kneipe unter Einfluss von Drogen den Satz „Ich liebe Hitler“ fallen ließ. Er verlor den Posten als Chefdesigner bei Dior und musste auch von seinem eigenen Label zurücktreten. Sein Status als Fashion-Superstar war dahin. Der Job als Chefdesigner bei Margiela ist nun seine erste große und auch letzte Chance. Er muss ihn deshalb mit einem Paukenschlag beginnen, perfekt gesteuert, er darf ihn auf keinen Fall dem Zufall überlassen. Darum bleibt die Adresse der Show ein Staatsgeheimnis, darum ist die Gästeliste so ausgesucht wie überhaupt nur möglich. Wenn sich viele Menschen darüber ärgern, nicht eingeladen zu sein, weckt das ganz vortrefflich Begehrlichkeiten.
Der erlauchte Publikumskreis besteht dann tatsächlich nur aus knapp 100 Mitgliedern. Gegen 16 Uhr, 30 Minuten vor Beginn der Show, fahren die ersten schwarzen Limousinen vor einem Bürobunker in Buckingham Gate 62 vor, Stadtteil Westminster. Alber Elbaz, Kreativchef von Lanvin, ist extra aus Paris eingeflogen, Diesel-Designer Nicholas Formichetti aus Italien angereist; Burberry-Boss Christopher Bailey kommt einfach von seiner eigenen Show ein paar Straßen weiter rüber. Natürlich kommt auch Kate Moss, die selbst in Gallianos schwersten Zeiten immer zu ihm gehalten hat. Die Chefredakteurinnen der wichtigsten Ableger von Vogue, Elle und Harper’s Bazaar sind da, gefolgt von der obersten Riege der Modekritiker.
Keiner weiß, was hier gleich zwischen zwei weißen Stuhlreihen und einfachen Baustrahlern auf silbrig-grauschimmerndem Fußboden gezeigt wird. Keiner kann sich diesen Mann bei diesem Label so richtig vorstellen: Galliano, Narziss der Mode, der seine phantastisch-pompös geschnittenen Roben immer so schwelgerisch und doch provokativ präsentiert hat – als Nachfolger von Martin Margiela, der nie in die Öffentlichkeit trat. Der eben jene Modenschauspektakel dekonstruierte, indem er seine Kollektionen in Metroschächten und Turnhallen nicht an Models, sondern an Schaufensterpuppen präsentieren ließ. Der Nähte und Reißverschlüsse nach außen kehrte, um den Aufbau eines Kleidungsstückes sichtbar zu machen. Der auf hautfarbene Trikots schwarze BHs malte, um Nacktheit vorzutäuschen.
Genau das ist dann aber das, was Galliano mit ein paar Looks müde zitiert. Auf einem nudefarbenen Body sitzt ein hochglanzpoliertes Gebilde aus schwarzen Muscheln und Rosen. Von einem anderen Look – ob Kleid, Hemd oder Cape lässt sich nicht sagen – schauen dem Betrachter unterhalb des Busens angesetzte Augen ohne Augäpfel entgegen. Manche Strumpfhosen hält man für aufgemalt, dann entpuppen sie sich aber als echt. Das Gesicht des letzten Models ist mit einer Maske unkenntlich gemacht, die aus Perlen, Edelsteinen und Gold-Elementen besteht. Dinge, die wir eigentlich als kostbar und schön empfinden, sind hier so angeordnet, dass sie eine verstörende Fratze bilden.
Andere Teile haben mit Margiela nichts zu tun. Die Ankle-Boots zum Beispiel, mit Fesselriemen und kunstvoll gegossenen Absätzen wie früher bei Alexander McQueen. Eine taillenhohe Jeansshorts mit dicker Gürtelschnalle, die aus jedem x-beliebigen Kaufhaus hätte stammen können. Und schließlich Kleider, bodenlange Mäntel, und Korsagen, die eine eindeutige Handschrift tragen: Galliano. Asymmetrisch und zerfleddert hängen sie in Rot und Schwarz an den Models herab, dies aber perfekt. Der Designer hat sie großartig dekonstruiert, allerdings ganz anders als früher Margiela. Nicht so tiefgründig, dafür mit viel Marktschreierei.
Zum Schluss Jubel, der Song „Hey, Big Spender“ wird eingespielt. Jemand ruft „He is back!“ Für den Bruchteil einer Sekunde zeigt sich Galliano, mit frisch geglättetem Gesicht und im weißen Kittel. Für viele ist genau das jetzt die eigentliche Verbeugung vor dem Gründer: Der weiße Umhang ist so etwas wie die Arbeitsuniform für alle Mitarbeiter bei Maison Martin Margiela, alle tragen ihn, weil alle irgendwie gleich sein sollen. Galliano als Teil der Familie und nicht als Oberhaupt. Abgang.
Justine Picardie, Chefredakteurin der britischen Harper’s Bazaar, nennt das einfach nur „fabulous“. Katie Grand vom Love Magazine meint sogar, dass Galliano es allen gezeigt hätte. Die Mode hat vergeben. Sie hat ihr Genie wieder.
Im Hintergrund des Trubels draußen auf der Straße findet eine Kundin und Sammlerin das dagegen alles ganz furchtbar. Ihren Namen will sie – wie so häufig bei Frauen, die Haute Couture kaufen – nicht verraten. Die Kleider seien längst nicht so klug gewesen wie zu Martin Margielas Zeiten, platzt es aus ihr heraus: „Margiela hat diese Kollektion nicht verdient.“