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„Erlebnisse machen glücklicher als Dinge“

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Elizabeth Dunn stößt schwungvoll die Tür zum Café auf, über ihren Schultern eine Sporttasche. „Entschuldigung, dass ich hier im Sportoutfit auftauche, ich konnte es nicht anders in meinen Terminkalender quetschen“, entschuldigt sie sich mit einem Lächeln. Die Psychologieprofessorin der kanadischen University of British Columbia in Vancouver gehört ganz gewiss nicht zu jenen Glücksforschern, die sich auf die Suche gemacht haben, weil sie selbst unglücklich sind. Glück und Geld sind ihre zentralen Forschungsgegenstände. „Ich mach das schon“, sagt sie an der Kasse, und im Handumdrehen sind die Tassen Kaffee per Handy bezahlt.

SZ: Frau Dunn, reden wir über Geld. Wer ist jetzt glücklicher von uns: Ich, weil ich einen Kaffee geschenkt bekommen habe, oder Sie, weil Sie ihn mir bezahlt haben?

Elizabeth Dunn (lacht): Oh, ich war wohl etwas schnell an der Kasse. Ja, tatsächlich wird man glücklicher, wenn man sein Geld für andere ausgibt. Das haben mehrere unserer Versuche bestätigt. Wir haben einer Versuchsgruppe eine Geldkarte gegeben, mit der sie sich Kaffee holen konnten, und einer zweiten Versuchsgruppe haben wir die Karten gegeben mit der konkreten Anweisung, Freunde damit einzuladen. Am Ende zeigte die Gruppe, die ihre Freunde eingeladen hat, deutlich höhere Glückswerte.



Geld macht in gewisser Weise glücklich - sagt Psychologieprofessorin Elizabeth Dunn.

Warum macht das Kaffee-Spendieren glücklich?

Es verstärkt die Freundschaft – und das macht die meisten Menschen glücklich.

Also macht doch nicht Geld glücklich, wie Sie in Ihrem Buch behaupten, sondern etwas Unkäufliches wie Freundschaft?

Das schließt sich nicht aus, sondern ergänzt sich. Wenn Ihnen Freundschaft wichtig ist, dann kann Geld dabei helfen, diesem Ziel näher zu kommen. Ich habe zum Beispiel in den vergangenen Tagen eine Freundin zum Essen eingeladen, die gerade viel zu Hause ist, weil sie ein Baby hat. Klar, wir hätten auch einfach spazieren gehen können, das kostet nichts, aber es hätte nicht so viel Spaß gemacht! Oder ein anderes Beispiel: Wenn Freunde weit weg wohnen, erlaubt es Geld, dass man sie trotzdem sieht. Man investiert es in Flugtickets. Klar kann man auch telefonieren, aber das ist auf der emotionalen Ebene nicht so wirkungsvoll wie der direkte Kontakt. Wenn Menschen sagen, dass man die wichtigsten Dinge im Leben nicht kaufen kann, ist das richtig. Aber Geld hilft ihnen, ihre Ziele zu erreichen.

Egal, welche Ziele?

Nicht ganz. Studien zeigen, dass uns solche Ziele glücklicher machen, die von innen heraus kommen, Wissenschaftler nennen das „intrinsisch motiviert“. Das ist etwa, wenn ich eine Karriere anstrebe, die ich inhaltlich für sinnvoll halte.

Sind Doktoren glücklicher als Investmentbanker?

Im Durchschnitt auf jeden Fall. Investmentbanker sind ganz unten auf der Skala, weil nur wenige von ihnen den Job wählen, weil sie ihn wirklich spannend finden. Die meisten machen das nur wegen des Geldes.

Na, aber wenn Geld glücklich macht ...

Man darf nicht unterschätzen, wie viel Zeit man in der Arbeit verbringt – gerade Investmentbanker arbeiten viel. Und deswegen verbringen sie ihre Zeit nicht mit dem, was sie wirklich glücklich macht – das lässt ihre Glückswerte so schlecht ausfallen.

Wie viel Geld geben Sie denn so Tag für Tag aus, um glücklich zu sein?

Oh, das ist eine schwierige Frage. Wahrscheinlich gar nicht so viel. Im Moment sogar besonders wenig, weil ich kurz vor der Abgabe einer wichtigen Arbeit stehe. Da sitze ich fast nur hinter dem Schreibtisch. Aber es geht auch nicht um eine bestimmte Summe. Unsere Studien haben gezeigt, dass es gar nicht darauf ankommt, wie viel Geld man ausgibt, sondern wie man es ausgibt.

Und wie macht man das?

Generell kann man sagen: Erlebnisse machen glücklicher als Dinge. Wenn man Erwachsene fragt, an was sie sich in ihrer Kindheit erinnern, so sind das fast immer tolle Erlebnisse, nicht Spielzeug. Es lohnt sich wohl also mehr, in Ausflüge statt in Dinge zu investieren. Ein anderer wichtiger Faktor ist Zeit. Die Menschen übersehen oft, welche Folgen ihre Investitionen auf ihre Zeit haben.

Wie meinen Sie das?

Eine meiner besten Investitionen war es, eine Putzfrau zu engagieren. Ich mag diese Arbeit überhaupt nicht und das hat früher immer meinen ganzen Samstag ruiniert. Seit ich die Putzfrau habe, haben meine Wochenenden eine ganz andere Qualität. So eine Investition macht viel glücklicher, als irgendein neues Kleid. Mein Tipp ist: Gehen Sie alle ihre Ausgaben durch und überprüfen Sie, welche Ihnen mehr Zeit für das geben, was Ihnen wirklich wichtig ist. Manchmal muss man auch ums Eck denken: Unser Hund etwa hat meine Zeitverwendung total verändert. Seit wir ihn gekauft haben, verbringen wir viel mehr Zeit draußen. Man lernt auf der Hundewiese Menschen kennen, das sind neue soziale Kontakte – all das macht glücklicher.

Was wäre denn eine zeitliche Fehlinvestition?


Sich ein Haus weit draußen zu kaufen. Denn zur Arbeit pendeln müssen macht allen Studien zufolge unglücklich. Dazu gibt es eine beeindruckende Zahl: Eine Stunde mit dem Auto zur Arbeit pendeln ist in etwa so schlecht für die Glücksstatistik wie gar keinen Job zu haben.

Was ist mit Investitionen, die meine Zeitverwendung nicht verändern? Zum Beispiel ein neues Auto? Manche würden sagen, dass sie das glücklich machen würde.

Ja, aber nicht für lange Zeit. Denn dann hat man sich an den neuen Luxus gewöhnt und bemerkt es gar nicht mehr. Das ist übrigens der nächste wichtige Punkt: Immer wenn man sich an etwas gewöhnt hat, ist es ein Zeichen, dass man seine Ausgaben überdenken sollte. Mein Tipp ist: Schauen Sie sich alle Ausgaben an und überlegen Sie, ob es Dinge gibt, auf die man eine Weile verzichten könnte.

Sie meinen, es macht glücklicher, wenn man Geld gerade nicht ausgibt? Widerspricht das nicht Ihrer These?

Oh nein, überhaupt nicht. Wenn man eine Weile auf etwas verzichtet, das reine Gewohnheit geworden ist, dann erlebt man es später wieder intensiver, wenn man es sich wieder erlaubt.

Eine Art Fastenkur?

So in der Art. Ich habe früher immer Mokka getrunken. Nein, eigentlich war ich schon süchtig danach. Eines Tages bin ich Auto gefahren und habe gleichzeitig einen Mokka runtergeschüttet. Ich habe gar nicht mehr bemerkt, dass ich ihn trinke. Das war der Punkt, an dem ich dachte: Ok, du solltest mal Stopp machen. Jetzt bestelle ich immer einen normalen Filterkaffee und nur ab und zu, am Wochenende oder bei besonderen Gelegenheiten erlaube ich mir einen teuren Mokka, den ich dann besonders genieße.

Gibt es eine Grenze, ab der mehr Geld nicht mehr glücklich macht?

Dazu gibt es gute Studien. In den USA liegt die erste Schwelle bei einem Jahreseinkommen von 75000 Dollar. Ab dann zeigt man keine zusätzlichen positiven Emotionen mehr, das heißt, man lächelt oder lacht dann an einem durchschnittlichen Tag nicht öfter als unterhalb der Schwelle. Was dann aber dennoch steigt – und zwar bei weit über 120000 Dollar pro Jahr – ist die Einschätzung der Lebenszufriedenheit. Man misst Glück wissenschaftlich in drei Komponenten: Positive Einflüsse, die Abwesenheit von negativen Einflüssen und die Einschätzung, wie glücklich und zufrieden die Person mit dem Leben als Ganzes ist. Einkommen wirkt auf diese drei Komponenten unterschiedlich. Geld wirkt am stärksten auf die negative Komponente, will heißen: Geld kann helfen, negative Einflüsse zu verhindern. Es ist weniger effektiv, wenn es um die positiven Einflüsse geht. Nur wenn man es richtig einsetzt, kann man es auch positiv wirken lassen.

Sie sagten, dass der Zeitfaktor zentral ist. Könnten Unternehmen ihre Mitarbeiter mit Zeit belohnen, statt Lohn zu zahlen?

Da gibt es viele Möglichkeiten, die Arbeitszufriedenheit enorm zu erhöhen. Sabbaticals sind ein gutes Beispiel. Am besten funktioniert das, wenn diese Programme Hand in Hand mit den Werten des Unternehmens gehen. Die Outdoor-Kleidungsmarke Patagonia etwa erlaubt ihren Mitarbeitern nach einer bestimmten Zeit, für zwei Monate an einem Umweltprojekt mitzumachen.

Wie können Unternehmen ihre Mitarbeiter sonst noch glücklicher machen?

Manche Unternehmen erlauben Mitarbeitern, sich gegenseitig kleine Anerkennungsboni zu geben, sie schreiben dazu einfach nur ein paar Zeilen, warum es der andere Mitarbeiter verdient hat. Das ist für das Unternehmen nicht viel Geld, die Boni müssen nicht hoch sein, schon 100 Dollar sind sehr effektiv. Ein anderer Weg geht über Spenden. Häufig spenden Unternehmen einen bestimmten Betrag für einen guten Zweck. Wenn sie diese Summe auf die Mitarbeiter aufteilen und jeden Mitarbeiter bestimmen lassen, wofür sie spenden wollen, dann erhöht das definitiv die Arbeitszufriedenheit. Die Mitarbeiter sind dadurch aktiv mit einbezogen, sie haben das Gefühl, etwas Gutes tun zu können.

Macht Sie die berufliche Jagd nach Glück nicht manchmal verrückt, wenn Sie versuchen, alle Regeln anzuwenden?

Definitiv mache ich mir über manche Investitionen viel zu viel Gedanken, das stimmt. Aber andererseits haben mir die Regeln dabei geholfen, manche Ausgaben zu akzeptieren, weil sie meine Ziele voranbringen. Ich glaube, das ist wie bei einer Diät: Wenn man versucht abzunehmen, aber die falschen Ratgeber hat, funktioniert es nicht. Aber wenn man es richtig angeht, wenn man die richtige Strategie wählt, dann funktioniert es. Das stimmt auch für Glück: Es ist nichts daran falsch, Glück zu verfolgen, solange man die richtigen Strategien hat. Und genau daran arbeite ich ja.

Warum wurden Sie Glücksforscherin? Waren Sie total unglücklich?

Es gibt eindeutig zwei Lager. Es heißt ja bei allen Psychologen, dass sie das Fach wählen, weil sie ein Problem haben, oder weil sie besonders gut darin sind. Ich komme ganz sicher aus dem zweiten Lager. Mich hat das Studium bei Dan Gilbert an Harvard fasziniert, und deswegen bin ich dabei geblieben.

Und heute sind Sie glücklicher als vor 16 Jahren, als Sie mit der Glückswissenschaft begonnen haben?

Wissenschaftlich lässt sich das kaum beantworten. Da bräuchte ich ja eine Vergleichsgruppe zu mir, schließlich hat sich in meinem Leben viel verändert. Ich war, glaube ich, schon immer ein fröhlicher Mensch.


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