Wer auf Kuba ins Netz will, braucht Geduld und Geld. Geduld, weil die Daten unermesslich langsam auf die Insel kriechen: Nur ein einziges Unterseekabel verbindet das Land über Venezuela mit der Welt. Geld, weil das Internet eher der Elite vorbehalten ist – Forschern an Universitäten, Politikern, und allen, die an seltenen „öffentlichen Zugangsknoten“ vier Euro pro Stunde fürs Surfen berappen. In einem Land, in dem selbst Ärzte selten mehr als 50Euro im Monat verdienen, sind das nicht viele.
Etwa 9000 Einwohner Havannas haben sich daher ein eigenes Netz zusammengeschraubt, genannt „Streetnet“ oder „SNet“: Sie haben selbst gebaute Wlan-Antennen auf ihre Dächer montiert und Kabel über Häuserschluchten hinweg gespannt. Seit einigen Jahren wächst so ein archaisches Inselnetz heran, in dem die Kubaner weitgehend ungestört Filme teilen, in Videospielen wie Call of Duty gegeneinander antreten oder über die Höhe ihrer Löhne debattieren. Mit dem restlichen Internet ist SNet nicht verbunden.
Havanna im Jahre 2013. Da das Internet in Cuba dem Großteil der Bevölkerung nicht zugänglich ist, haben etwa 9000 Einwohner Havannas sich ein eigenes Netz zusammengesbaut, genannt „Streetnet“ oder „SNet“
Doch das Werk der Aktivisten ist bedroht. Wlan-Technik unterliegt in Kuba starken Beschränkungen, manches Bauteil wird auf dem Schwarzmarkt für 200US-Dollar gehandelt. 2014 berichteten Blogs, Behörden versuchten gezielt, die Infrastruktur der Untergrundnetze anzugreifen. Sie lahmzulegen, ist jedoch schwierig. Denn anders als in herkömmlichen Netzen gibt es im SNet keinen zentralen Knoten, über den alle Daten laufen – und der sich somit kappen ließe. Stattdessen leiten die Geräte der Teilnehmer selbst die Daten ihrer Nachbarn weiter. Fällt eines aus, funktioniert das System weiter. „Es ist ein diffuses Gebilde mit dezentraler Technologie“, sagte der kubanische Kommunikationswissenschaftler Fidel Alejandro Rodríguez den Nieman Reports, einem Journal der Harvard University. „Verantwortlichkeiten und Hierarchien bilden sich spontan, zugleich reicht die Infrastruktur aus, eine ganze Stadt effizient zu vernetzen.“
Die Regierung verhält sich ambivalent. Einerseits müssen aktive Blogger mit Repressalien rechnen, falls sie zu kritisch schreiben. Andererseits befürchtet die Führung, Kuba könne wirtschaftlich weiter abgehängt werden, sollte sich die netzpolitische Isolation verschärfen. Einer von elf Kubanern besaß 2013 nach Angaben der nationalen Statistikbehörde einen Computer, 26Prozent hatten Zugang zum Internet oder zu regionalen Netzen – selbst für die Karibik sehr niedrige Werte. Im Zuge der neuen Annäherung an die USA versprach die Regierung daher, den Zugang der Bürger „stark auszuweiten“. Die Furcht der Regierung, dabei eine Büchse der Pandora zu öffnen, ist groß: Gegenüber der mexikanischen Zeitung La Journada nannte Fidel Castro das Internet einmal „die mächtigste Waffe, die je existiert hat“.
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Inselnetz
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