Die Meldungen aus Westafrika klingen unglaublich: In Sierra Leone haben sich zuletzt in einer Woche nur noch 65 Menschen mit Ebola infiziert, in Guinea lediglich 30, und in Liberia sogar nur vier. Die Zahlen, welche die Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur Verbreitung des tödlichen Virus veröffentlicht hat, machen Hoffnung. Und sie unterscheiden sich eklatant von dem Horrorszenario, das die US-Seuchenschutzbehörde CDC im Herbst 2014 verbreitet hatte: 1,4Millionen Ebola-Infektionen bis Anfang 2015. Ende Januar liegt die Zahl der bestätigten Fälle bei etwas mehr als 21 600. Bis zu 10000 Infektionen jede Woche hatten Experten befürchtet – stattdessen meldete die WHO Ende des Jahres pro Woche durchschnittlich 800 neue Fälle. Zuletzt waren es in den am meisten betroffenen Ländern nicht einmal mehr 100.
Die Zahl der Ebola-Neuansteckungen in Westafrika geht zurück. Eine Ursache dafür ist, dass die Menschen in den betroffenen Gebieten ihr Verhalten geändert haben, um Infizierungen zu vermeiden.
Selbst wenn man wie die WHO mit einer hohen Dunkelziffer rechnet, sind die aktuellen Zahlen erstaunlich. Wieso verläuft die Epidemie so anders als erwartet? Greift die spät angelaufene internationale Hilfe nun doch? Jonas Schmidt-Chanasit, Virologe am Hamburger Bernhard-Nocht-Institut, hat keine eindeutige Antwort. „So ganz können sich das auch die Experten nicht erklären“, sagt er. Vermutlich aber hätten mehrere Faktoren zusammengespielt, darunter auch die intensivierte Unterstützung aus dem Ausland. „Wichtiger aber war wohl das veränderte Verhalten der betroffenen Menschen“, sagt Schmidt-Chanasit.
Ähnlich äußert sich auch Tankred Stöbe, Chef der deutschen Sektion von Ärzte ohne Grenzen (MSF). „Wir glauben, dass vor allem in Liberia, wo Ebola im Herbst am schlimmsten wütete, die Verhaltensänderung der Menschen entscheidend war.“ Sie würden inzwischen Körperkontakt meiden, neue Hygieneregeln beachten und hätten Bestattungsrituale verändert. Es seien also vor allem die Akzeptanz und das Verständnis der Bevölkerung, die den Kampf gegen Ebola gelingen lassen. In Guinea und Sierra Leone sei das noch nicht im selben Maß geglückt wie in Liberia, wo die Ansteckungsrate derzeit am niedrigsten ist. Die Kluft zwischen Prognose und Realität hat Stöbes Ansicht nach aber auch mit der üblichen Reaktion auf Katastrophen zu tun: „Erst wird verharmlost, dann rechnet man mit dem Allerschlimmsten – diesen Mechanismus kennen wir schon aus anderen Epidemien.“
Laut WHO stehen inzwischen in allen drei Ländern mehr Behandlungsplätze für Ebola-Patienten zur Verfügung als nötig. Der Effekt einer ausreichenden Zahl an Betten ist groß: Erkrankte können isoliert werden und stecken niemanden mehr an. Außerdem steigen die Heilungschancen, wenn Patienten mit Flüssigkeit versorgt werden. Doch wenn die Menschen den Helfern nicht vertrauen oder so abgelegen leben, dass sie von der Ebola-Aufklärung nichts mitbekommen, nützen auch Betten nichts. Im Dezember entdeckte ein WHO-Team im abgeschiedenen Osten Sierra Leones fast 90 Ebola-Tote, die – hochansteckend – in einem Krankenhaus lagerten. Solche Fälle zeigen, dass viele Infektionen nicht gemeldet werden und die Epidemie wieder aufflammen kann. Tankred Stöbe von MSF erinnert an das vergangene Frühjahr, als Ebola in Westafrika etwa 200 Menschen umgebracht hatte und die Fallzahlen wieder zu sinken begannen. Im Mai glaubte man den Ausbruch unter Kontrolle. „Es waren aber ein paar wenige unscheinbare Ereignisse wie eine Beerdigung oder ein Verwandtenbesuch über Ländergrenzen hinweg, die den Ausbruch zum Flächenbrand gemacht haben“, sagt Stöbe. Zwar könnte man jetzt viel besser und schneller auf solche Ereignisse reagieren, dennoch müsse man vorsichtig mit den Zahlen umgehen. Dass die WHO von einer Trendwende spricht, ärgert Stöbe. „Der Kampf gegen Ebola ist noch nicht vorbei.“
Er muss jetzt nur mit anderen Mitteln geführt werden. Behandlungsplätze gibt es genug, vor allem in den Ballungszentren. Das von Deutschland finanzierte Krankenhaus in Liberias Hauptstadt Monrovia wird nach Angaben von MSF wohl gar nicht mehr gebraucht. Das Deutsche Rote Kreuz nimmt dort nun Patienten mit anderen Krankheiten auf. Zur vollständigen Eindämmung, da sind sich die Ebola-Experten einig, sind vor allem zwei Dinge nötig: die lückenlose Nachverfolgung aller Kontakte eines Ebola-Patienten, um mögliche Ansteckungen sofort behandeln zu können. Und zweitens mobile Helferteams, die schnell in abgelegene Regionen gelangen und dort ein Aufflackern der Seuche verhindern. Denn eines macht sowohl der WHO als auch den Ärzten ohne Grenzen Sorgen: Nur bei der Hälfte der aktuellen Ebola-Patienten handelt es sich um registrierte Kontaktpersonen älterer Fälle. Bei den anderen weiß man nicht, wo sie sich angesteckt haben – offenbar sind einige Infektionsquellen noch nicht entdeckt.
Und doch sind die neuen Zahlen Grund für Optimismus. Den werden die drei Länder brauchen. Nach der Seuchenbekämpfung erwartet sie die Aufgabe, ihren Einwohnern wieder ein halbwegs normales Leben zu ermöglichen. Auch dabei kann die internationale Gemeinschaft helfen, dann hoffentlich mit weniger Verspätung.
Die Zahl der Ebola-Neuansteckungen in Westafrika geht zurück. Eine Ursache dafür ist, dass die Menschen in den betroffenen Gebieten ihr Verhalten geändert haben, um Infizierungen zu vermeiden.
Selbst wenn man wie die WHO mit einer hohen Dunkelziffer rechnet, sind die aktuellen Zahlen erstaunlich. Wieso verläuft die Epidemie so anders als erwartet? Greift die spät angelaufene internationale Hilfe nun doch? Jonas Schmidt-Chanasit, Virologe am Hamburger Bernhard-Nocht-Institut, hat keine eindeutige Antwort. „So ganz können sich das auch die Experten nicht erklären“, sagt er. Vermutlich aber hätten mehrere Faktoren zusammengespielt, darunter auch die intensivierte Unterstützung aus dem Ausland. „Wichtiger aber war wohl das veränderte Verhalten der betroffenen Menschen“, sagt Schmidt-Chanasit.
Ähnlich äußert sich auch Tankred Stöbe, Chef der deutschen Sektion von Ärzte ohne Grenzen (MSF). „Wir glauben, dass vor allem in Liberia, wo Ebola im Herbst am schlimmsten wütete, die Verhaltensänderung der Menschen entscheidend war.“ Sie würden inzwischen Körperkontakt meiden, neue Hygieneregeln beachten und hätten Bestattungsrituale verändert. Es seien also vor allem die Akzeptanz und das Verständnis der Bevölkerung, die den Kampf gegen Ebola gelingen lassen. In Guinea und Sierra Leone sei das noch nicht im selben Maß geglückt wie in Liberia, wo die Ansteckungsrate derzeit am niedrigsten ist. Die Kluft zwischen Prognose und Realität hat Stöbes Ansicht nach aber auch mit der üblichen Reaktion auf Katastrophen zu tun: „Erst wird verharmlost, dann rechnet man mit dem Allerschlimmsten – diesen Mechanismus kennen wir schon aus anderen Epidemien.“
Laut WHO stehen inzwischen in allen drei Ländern mehr Behandlungsplätze für Ebola-Patienten zur Verfügung als nötig. Der Effekt einer ausreichenden Zahl an Betten ist groß: Erkrankte können isoliert werden und stecken niemanden mehr an. Außerdem steigen die Heilungschancen, wenn Patienten mit Flüssigkeit versorgt werden. Doch wenn die Menschen den Helfern nicht vertrauen oder so abgelegen leben, dass sie von der Ebola-Aufklärung nichts mitbekommen, nützen auch Betten nichts. Im Dezember entdeckte ein WHO-Team im abgeschiedenen Osten Sierra Leones fast 90 Ebola-Tote, die – hochansteckend – in einem Krankenhaus lagerten. Solche Fälle zeigen, dass viele Infektionen nicht gemeldet werden und die Epidemie wieder aufflammen kann. Tankred Stöbe von MSF erinnert an das vergangene Frühjahr, als Ebola in Westafrika etwa 200 Menschen umgebracht hatte und die Fallzahlen wieder zu sinken begannen. Im Mai glaubte man den Ausbruch unter Kontrolle. „Es waren aber ein paar wenige unscheinbare Ereignisse wie eine Beerdigung oder ein Verwandtenbesuch über Ländergrenzen hinweg, die den Ausbruch zum Flächenbrand gemacht haben“, sagt Stöbe. Zwar könnte man jetzt viel besser und schneller auf solche Ereignisse reagieren, dennoch müsse man vorsichtig mit den Zahlen umgehen. Dass die WHO von einer Trendwende spricht, ärgert Stöbe. „Der Kampf gegen Ebola ist noch nicht vorbei.“
Er muss jetzt nur mit anderen Mitteln geführt werden. Behandlungsplätze gibt es genug, vor allem in den Ballungszentren. Das von Deutschland finanzierte Krankenhaus in Liberias Hauptstadt Monrovia wird nach Angaben von MSF wohl gar nicht mehr gebraucht. Das Deutsche Rote Kreuz nimmt dort nun Patienten mit anderen Krankheiten auf. Zur vollständigen Eindämmung, da sind sich die Ebola-Experten einig, sind vor allem zwei Dinge nötig: die lückenlose Nachverfolgung aller Kontakte eines Ebola-Patienten, um mögliche Ansteckungen sofort behandeln zu können. Und zweitens mobile Helferteams, die schnell in abgelegene Regionen gelangen und dort ein Aufflackern der Seuche verhindern. Denn eines macht sowohl der WHO als auch den Ärzten ohne Grenzen Sorgen: Nur bei der Hälfte der aktuellen Ebola-Patienten handelt es sich um registrierte Kontaktpersonen älterer Fälle. Bei den anderen weiß man nicht, wo sie sich angesteckt haben – offenbar sind einige Infektionsquellen noch nicht entdeckt.
Und doch sind die neuen Zahlen Grund für Optimismus. Den werden die drei Länder brauchen. Nach der Seuchenbekämpfung erwartet sie die Aufgabe, ihren Einwohnern wieder ein halbwegs normales Leben zu ermöglichen. Auch dabei kann die internationale Gemeinschaft helfen, dann hoffentlich mit weniger Verspätung.