Gäbe es diesen einen Satz nicht, dann wäre der ganze Zirkus überflüssig. Niemand müsste sich Gedanken über „heiße Zellen“ für Atommüll machen. Die Bundesrepublik müsste nicht befürchten, völkerrechtliche Verträge zu brechen. Die Länder bräuchten nicht Verantwortung für Castoren hin- und herzuschieben. Es gäbe auch nicht die Verfassungsbeschwerde dagegen. Aber es gibt ihn, diesen Satz: „Mit der Verabschiedung des Standortsuch-Gesetzes werden die Transporte von Behältern mit abgebrannten Kernbrennstoffen ins Zwischenlager Gorleben eingestellt.“ Von solchen Behältern, sogenannten Castoren, kommen noch 26 nach Deutschland zurück, fünf aus La Hague in Frankreich, 21 aus Sellafield in England. Nur: Keiner weiß, wohin damit.
26 Castorenbehälter kommen demnächst von der Wiederaufarbeitung in England und Frankreich nach Deutschland zurück. Wo sie untergebracht werden sollen, ist offen.
Im Sommer 2013 war besagter Satz noch der Schlüssel zum Erfolg, Niedersachsen hatte ihn zur Bedingung für einen Neustart beim Atommüll gemacht. Nichts sollte mehr darauf hindeuten, dass Gorleben jahrelang der Favorit für ein Atomendlager war. Also durften auch keine Castoren mehr in das Zwischenlager, das in Sichtweite des Salzbergwerks auf der anderen Seite der Straße liegt. Erst dadurch war, nach monatelangen Verhandlungen, der Weg frei für eine neue Endlagersuche. Doch die 26 verbliebenen Castoren, die letzten Reste der Wiederaufarbeitung deutschen Atommülls im Ausland, waren damit plötzlich ohne Ziel. Dabei sollten die ersten von ihnen, so sehen es Staatsverträge vor, demnächst zurück nach Deutschland kommen. Doch dort finden sie keinen Platz.
Im Sommer 2013 erklärten sich immerhin noch die rot-grünen Landesregierungen Baden-Württembergs und Schleswig-Holsteins bereit, einen Teil des Atommülls zu übernehmen, in ein Zwischenlager neben einem der dortigen Atomkraftwerke. Einzige Bedingung: Auch ein drittes Bundesland muss mitmachen. Niedersachsen fühlte sich schon hinreichend mit Atommüll versorgt und damit unzuständig, so blieben als Länder mit Atomkraftwerken nur Hessen und Bayern. Beide hielten still.
Mittlerweile fällt nun auch Schleswig-Holstein weg, gewissermaßen mit höchstrichterlicher Rechtfertigung. Mitte des Monats besiegelte das Bundesverwaltungsgericht das Ende des Zwischenlagers Brunsbüttel – genau dorthin sollte ursprünglich ein Großteil der Castoren-Fracht. Und aus allerlei Gründen sieht das Land auch keine Chance mehr, den Müll an anderen Atomkraftwerken zu lagern. Stattdessen fordert Kiels grüner Umweltminister Robert Habeck einen Neuanfang. „Die atompolitische Debatte ist völlig festgefahren“, sagt Habeck, „wir sollten uns daraus befreien und noch mal neu ansetzen.“
Nur wie? Habeck schweben neue, zentrale Zwischenlager vor, die sich auch leichter sichern ließen. Seien die Atommeiler erst verschwunden, stünden schließlich sonst „auf der grünen Wiese ein Dutzend Hallen, die von der Wach- und Schließgesellschaft bewacht werden“. Dumm nur, dass der Bund genau so ein Zwischenlager dichtgemacht hat: Gorleben.
Obendrein geht es um millionenschwere Investitionen. Denn die Zwischenlager bei den Atomkraftwerken sind nur für Castoren ausgelegt, die mit abgebrannten Brennelementen bestückt sind, nicht aber für den Abfall aus Wiederaufarbeitungsanlagen. Der nämlich verlangt ziemlich aufwendige technische Vorrichtungen – „heiße Zellen“ etwa, in denen sich notfalls ein Castor reparieren ließe, ohne dass Radioaktivität austritt. Die Betreiber der Atomreaktoren aber, die Stromkonzerne Eon, RWE, Vattenfall und EnBW, sind nicht bereit, sie anzuschaffen. Sie haben schließlich schon die heiße Zelle in Gorleben bezahlt.
So entsteht ein Patt. Die Länder konnten sich zwar auf den Kompromiss für die Endlagersuche samt dem Aus für das Castor-Lager Gorleben verständigen, nicht aber auf Alternativen. Ohne alternative Standorte für die 26 Behälter aber können sich auch die Stromkonzerne entspannt zurücklehnen. „Für welchen Standort sollen wir denn eigentlich Anträge stellen?“, heißt es bei Eon. Ohne Anträge aber gibt es keine Genehmigungen, ohne Genehmigungen kein Ziel für den Atommüll. So bleibt der Atommüll erst einmal in Frankreich und Großbritannien – und wird dort in den nächsten Jahren Standmieten in Millionenhöhe verschlingen. Wer aber zahlt sie?
Seit Ende vorigen Jahres liegt der Fall auch beim Bundesverfassungsgericht. Nach SZ-Informationen hat der Eon-Konzern dort Beschwerde eingelegt. Für zusätzliche Kosten wolle man nicht aufkommen, heißt es bei Eon. Schließlich sei die „alternative Zwischenlagerung ausschließlich politisch motiviert“ – eben durch jenen Satz aus dem Sommer 2013. Entweder müsse die öffentliche Hand alle Mehrkosten tragen. Oder der Gesetzgeber macht das Zwischenlager Gorleben wieder auf.
Davon wiederum will das Land Niedersachsen nichts wissen, es hatte ja das Ende des Zwischenlagers mühsam ausgehandelt. Dem Land liegt ebenfalls eine Klageschrift von Eon vor, der Konzern hat auch das Oberverwaltungsgericht Lüneburg angerufen. Paradoxerweise schöpft das Land aber genau aus dieser Klageschrift neue Hoffnung. Denn in dem 70-seitigen Papier räumt Eon auch ein, dass sich bei den 26 Castoren durchaus aufdröseln lässt, von welchem Unternehmen welcher Atommüll stammt. Damit aber, so heißt es nun in einem Vermerk niedersächsischer Juristen, sei auch jedes Unternehmen für den eigenen Müll zuständig. Bei welchem Akw sie den dann lagerten, sei letztlich ihre Sache.
Wenn die Bundesregierung nicht rasch eine Lösung finde, warnt Niedersachsens Umweltminister Stefan Wenzel (Grüne), „führt das dazu, dass alle Kernkraftbetreiber jeweils ihren eigenen Müll in ihre Zwischenlager zurücknehmen müssen“. Die Bundesregierung wiederum verweist darauf, dass sich die Länder endlich auf Standorte einigen müssten. So verweist einer auf den anderen. Und nichts geht voran.
26 Castorenbehälter kommen demnächst von der Wiederaufarbeitung in England und Frankreich nach Deutschland zurück. Wo sie untergebracht werden sollen, ist offen.
Im Sommer 2013 war besagter Satz noch der Schlüssel zum Erfolg, Niedersachsen hatte ihn zur Bedingung für einen Neustart beim Atommüll gemacht. Nichts sollte mehr darauf hindeuten, dass Gorleben jahrelang der Favorit für ein Atomendlager war. Also durften auch keine Castoren mehr in das Zwischenlager, das in Sichtweite des Salzbergwerks auf der anderen Seite der Straße liegt. Erst dadurch war, nach monatelangen Verhandlungen, der Weg frei für eine neue Endlagersuche. Doch die 26 verbliebenen Castoren, die letzten Reste der Wiederaufarbeitung deutschen Atommülls im Ausland, waren damit plötzlich ohne Ziel. Dabei sollten die ersten von ihnen, so sehen es Staatsverträge vor, demnächst zurück nach Deutschland kommen. Doch dort finden sie keinen Platz.
Im Sommer 2013 erklärten sich immerhin noch die rot-grünen Landesregierungen Baden-Württembergs und Schleswig-Holsteins bereit, einen Teil des Atommülls zu übernehmen, in ein Zwischenlager neben einem der dortigen Atomkraftwerke. Einzige Bedingung: Auch ein drittes Bundesland muss mitmachen. Niedersachsen fühlte sich schon hinreichend mit Atommüll versorgt und damit unzuständig, so blieben als Länder mit Atomkraftwerken nur Hessen und Bayern. Beide hielten still.
Mittlerweile fällt nun auch Schleswig-Holstein weg, gewissermaßen mit höchstrichterlicher Rechtfertigung. Mitte des Monats besiegelte das Bundesverwaltungsgericht das Ende des Zwischenlagers Brunsbüttel – genau dorthin sollte ursprünglich ein Großteil der Castoren-Fracht. Und aus allerlei Gründen sieht das Land auch keine Chance mehr, den Müll an anderen Atomkraftwerken zu lagern. Stattdessen fordert Kiels grüner Umweltminister Robert Habeck einen Neuanfang. „Die atompolitische Debatte ist völlig festgefahren“, sagt Habeck, „wir sollten uns daraus befreien und noch mal neu ansetzen.“
Nur wie? Habeck schweben neue, zentrale Zwischenlager vor, die sich auch leichter sichern ließen. Seien die Atommeiler erst verschwunden, stünden schließlich sonst „auf der grünen Wiese ein Dutzend Hallen, die von der Wach- und Schließgesellschaft bewacht werden“. Dumm nur, dass der Bund genau so ein Zwischenlager dichtgemacht hat: Gorleben.
Obendrein geht es um millionenschwere Investitionen. Denn die Zwischenlager bei den Atomkraftwerken sind nur für Castoren ausgelegt, die mit abgebrannten Brennelementen bestückt sind, nicht aber für den Abfall aus Wiederaufarbeitungsanlagen. Der nämlich verlangt ziemlich aufwendige technische Vorrichtungen – „heiße Zellen“ etwa, in denen sich notfalls ein Castor reparieren ließe, ohne dass Radioaktivität austritt. Die Betreiber der Atomreaktoren aber, die Stromkonzerne Eon, RWE, Vattenfall und EnBW, sind nicht bereit, sie anzuschaffen. Sie haben schließlich schon die heiße Zelle in Gorleben bezahlt.
So entsteht ein Patt. Die Länder konnten sich zwar auf den Kompromiss für die Endlagersuche samt dem Aus für das Castor-Lager Gorleben verständigen, nicht aber auf Alternativen. Ohne alternative Standorte für die 26 Behälter aber können sich auch die Stromkonzerne entspannt zurücklehnen. „Für welchen Standort sollen wir denn eigentlich Anträge stellen?“, heißt es bei Eon. Ohne Anträge aber gibt es keine Genehmigungen, ohne Genehmigungen kein Ziel für den Atommüll. So bleibt der Atommüll erst einmal in Frankreich und Großbritannien – und wird dort in den nächsten Jahren Standmieten in Millionenhöhe verschlingen. Wer aber zahlt sie?
Seit Ende vorigen Jahres liegt der Fall auch beim Bundesverfassungsgericht. Nach SZ-Informationen hat der Eon-Konzern dort Beschwerde eingelegt. Für zusätzliche Kosten wolle man nicht aufkommen, heißt es bei Eon. Schließlich sei die „alternative Zwischenlagerung ausschließlich politisch motiviert“ – eben durch jenen Satz aus dem Sommer 2013. Entweder müsse die öffentliche Hand alle Mehrkosten tragen. Oder der Gesetzgeber macht das Zwischenlager Gorleben wieder auf.
Davon wiederum will das Land Niedersachsen nichts wissen, es hatte ja das Ende des Zwischenlagers mühsam ausgehandelt. Dem Land liegt ebenfalls eine Klageschrift von Eon vor, der Konzern hat auch das Oberverwaltungsgericht Lüneburg angerufen. Paradoxerweise schöpft das Land aber genau aus dieser Klageschrift neue Hoffnung. Denn in dem 70-seitigen Papier räumt Eon auch ein, dass sich bei den 26 Castoren durchaus aufdröseln lässt, von welchem Unternehmen welcher Atommüll stammt. Damit aber, so heißt es nun in einem Vermerk niedersächsischer Juristen, sei auch jedes Unternehmen für den eigenen Müll zuständig. Bei welchem Akw sie den dann lagerten, sei letztlich ihre Sache.
Wenn die Bundesregierung nicht rasch eine Lösung finde, warnt Niedersachsens Umweltminister Stefan Wenzel (Grüne), „führt das dazu, dass alle Kernkraftbetreiber jeweils ihren eigenen Müll in ihre Zwischenlager zurücknehmen müssen“. Die Bundesregierung wiederum verweist darauf, dass sich die Länder endlich auf Standorte einigen müssten. So verweist einer auf den anderen. Und nichts geht voran.