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Tränen im Gericht

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Ein Schuldspruch gibt zu reden. Francesco Schettino, der 54-jährige ehemalige Kapitän der Costa Concordia, ist vom Gericht im toskanischen Grosseto in erster Instanz zu 16 Jahren Haft verurteilt worden – wegen seiner Verantwortlichkeiten bei der Schiffskatastrophe vor der Insel Giglio am 13. Januar 2012. Damals starben 32 Menschen, unter ihnen zwölf Deutsche, als das Kreuzfahrtschiff bei einem küstennahen Manöver auf einen Felsen aufgefahren und gekentert war. 157 der mehr als 4200 Passagiere und Crewmitglieder wurden verletzt oder erlitten Traumata. Zusätzlich zur Haftstrafe muss Schettino, zusammen mit der Reederei Costa Crociere, Schadenersatz in Millionenhöhe an Nebenkläger, darunter auch Opferfamilien, zahlen. Das Urteil nimmt zwar alle vier Anklagepunkte der Staatsanwaltschaft auf, so auch den Tatbestand der fahrlässigen Tötung und jenen des Verlassens des sinkenden Schiffes, mindert das Strafmaß für jedes Delikt aber um etliche Jahre. Die Anklage hatte 26 Jahre Haft gefordert.



Ende eines langen prozesses: Der Kapitän des havarierten Kreuzfahrtschiffs "Costa Concordia", Francesco Schettino wurde zu 16 Jahren Haft verurteilt.

Schettino war der einzige Angeklagte in diesem Prozess, nachdem sich Mitverantwortliche zuvor unter Eingeständnis einer Mitschuld mit dem Gericht geeinigt hatten. Schettino dagegen stellte sich selber als Sündenbock und Opfer wirtschaftlicher Interessen dar und bezichtigte seine Crew der größten Schuld. Seine Verteidigung hatte einen Freispruch gefordert, dürfte nun aber den Strafrabatt von zehn Jahren als Erfolg erachten. Schettino muss auch nicht sofort ins Gefängnis, wie das die Staatsanwaltschaft gefordert hatte, weil eine Flucht befürchtet werden müsse. Er habe in seiner langen Karriere als Seemann weltweit viele Bekanntschaften gemacht, könne sich also leicht verstecken, hatte es geheißen. Dem Gericht erschien diese Gefahr aber als vernachlässigbar und eine sofortige Inhaftierung als unangemessen.

Schettino bleibt also frei bis zum wahrscheinlichen Rekursverfahren, der Verhandlung in zweiter Instanz. Damit endet, zumindest vorerst, einer der spektakulärsten italienischen Gerichtsfälle der letzten Jahre. Schettino erschien darin stets als schillernde, selbstgefällige Figur. Die Boulevardmedien nannten ihn mal „Pirat“, mal „dunklen Korsar“, mal „Kapitän Feigling“, weil er das sinkende Schiff verlassen hatte, eine Todsünde für einen Kommandanten. Seine Liebschaft zur jungen, blonden moldauischen Ex-Hostess Domnica Cemortan, mit der er in der Unglücksnacht diniert hatte und sich dann recht locker auf der Kommandobrücke zeigte, als die Katastrophe schon passierte, schien nur allzu gut zu passen zum Herrn mit den pomadierten, langen Haaren in Uniform.

Francesco Schettino gab zwischen den Gerichtsverhandlungen in Grosseto Interviews, er trat an der Universität von Rom als Gastredner in einem Masterkurs für Krisen- und Notfallmanagement auf, wechselte oft seine Versionen von der Unglücksnacht. Als man ihn zur Rolle des Kommandanten befragte, sagte er, auf einem Schiff komme nach Gott der Kommandant. Solche Sätze schadeten seinem ohnehin schon lädierten Image zusätzlich. Nur entschuldigen mochte er sich nie.

Am letzten Verhandlungstag im Teatro Moderno von Grosseto, das dem Prozess als Gerichtssaal diente, nur Stunden vor dem Urteil, erklärte er dann unter Tränen, er sei an jenem Tag, dem Tag der Tragödie, selber auch „ein bisschen gestorben“. Doch das öffentliche Trauern liege ihm nicht, sagte er, der Schmerz gehöre nicht zur Schau gestellt. Auch diese späte Zerknirschung sollte die Richter wohl etwas milder stimmen.

Während der letzten drei Jahre beklagte sich Schettino immer wieder, die Medien und die Justiz hätten sich allein in ihn verbissen, obschon ihn höchstens eine Mitschuld treffe. Seiner Crew warf er vor, sie sei dilettantisch gewesen, schlecht trainiert und schlecht im Kommunizieren, eine einzige Peinlichkeit. Ihm und seinem professionellen Handeln hingegen sei es zu verdanken, dass nicht alle Passagiere umgekommen seien. Doch je mehr er andere beschuldigte, desto harscher wurde die Kritik an ihm. „Es ist schwierig, das, was ich lebe, ein Leben zu nennen“, sagte Schettino. Und als er diese Worte sprach, versagte ihm die Stimme in einem langen Schluchzen. Dann verließ er die Aula. Es war sein letzter Auftritt im Gericht. Schettino hatte davor an allen 69 Sitzungen teilgenommen, zuletzt von einigen Fieberschüben geplagt. In den vergangenen Tagen kamen immer wieder Ärzte ins Teatro Moderno, um ihm Antibiotika zu spritzen – Drama bis fast ganz zuletzt. Der Urteilsverkündung mochte Francesco Schettino dann aber doch nicht mehr beiwohnen.


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