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Die TTIP-Kommissarin

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Obwohl sie erst ein paar Wochen im Amt ist, kennen viele Europäer bereits ihr Gesicht. Das hat seinen Grund. Cecilia Malmström hat einen der heikelsten Jobs übernommen, den es in der neuen EU-Kommission zu verteilen gab: Sie ist zuständig für das Handelsressort in Brüssel. In dieser Funktion muss die Schwedin das Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten auf den Weg bringen. Ein Abkommen, das inzwischen so umstritten ist wie kaum ein anderes seiner Art zuvor. Viele Europäern sehen in TTIP ein gefährliches Monstrum, das ihre Bürgerrechte beschneidet und ihren Wohlstand gefährdet.

Malmström will diesen Ressentiments entschieden entgegentreten. Das hat sie seit ihrem Amtsantritt im November immer wieder deutlich gemacht. Sie will überzeugen und muss es auch, alles andere wäre eine große Blamage gegenüber dem mächtigen Partner jenseits des Atlantiks. Dass sie als Handelskommissarin noch ein paar andere Baustellen hat – unter anderem 30 andere Freihandelsabkommen (Artikel rechts) – wird dagegen kaum wahrgenommen, für viele Europäer ist sie inzwischen einfach nur die TTIP-Kommissarin.

Malmström lässt keine Gelegenheit aus, ihren Standpunkt klarzumachen. Als in Brüssel Anfang Februar die 8. Verhandlungsrunde zwischen den USA und der EU läuft, trifft sie sich mit einer Handvoll Journalisten aus Deutschland zum Hintergrundgespräch – ein Treffen, das die Grünen-Politikerin Ska Keller organisiert hat. Wie viele dieser Gespräche es in den vergangenen Wochen gab, das habe sie nicht gezählt, sagt sie. Aber es müssen wohl weit mehr als hundert gewesen sein. Sie sei gekommen, um zuzuhören und klare Antworten zu geben, verspricht sie, „alles was ich sage, können Sie auch zitieren“. Das ist nicht selbstverständlich, wenn sich Journalisten mit Politikern und Wirtschaftsbossen treffen. Vieles was da im vertraulichen Rahmen besprochen wird, ist nicht für andere Ohren bestimmt. Diese Offenheit ist Teil von Malmströms Transparenzstrategie, schließlich hat sie versprochen, die Europäer über TTIP besser zu informieren.

Wirklich Neues hat sie freilich an diesem Nachmittag nicht zu bieten, als sie im grauen Kostüm in einem schmucklosen Konferenzraum der EU-Kommission sitzt und Sätze wie diese aneinanderreiht: „Wir wollen gemeinsam mit den USA globale Standards setzen“, oder „Es geht nicht darum unsere europäischen Standards zu senken“ oder „Ich habe Verständnis für die Bedenken“. All das hat sie schon oft gesagt.

Genützt hat es bislang wenig, die Kritik nimmt eher noch zu. Mehr als 1,4 Millionen Unterschriften haben die Gegner des Vorhabens inzwischen gesammelt. An den knapp 150000 Einsprüchen gegen das besonders umstrittene Investorenschutzkapitel hat die Kommission schwer zu knabbern. Während die 46-Jährige argumentiert, protestieren draußen ein paar Straßenzüge weiter TTIP-Gegner, wie so oft in den vergangenen Monaten. Malmström scheint das völlig kaltzulassen. Sie wirkt frisch und gelassen, auch kein bisschen arrogant, wie ihr Vorgänger, der Belgier Karel De Gucht, der aus seiner Abneigung gegen die Protestbewegung keinen Hehl machte. Malmströms Auftritte, viele davon kann man im Internet verfolgen, sehen ganz anders aus. Freundlich, aber bestimmt stellt sie sich jeder Diskussion und signalisiert Kompromissbereitschaft, etwa in der heiklen Investorenschutzfrage, allerdings ohne sich festzulegen.

Davon darf man sich jedoch nicht täuschen lassen, die erfahrene Europapolitikerin hat nur auf den ersten Blick wenig mit De Gucht gemein. Ihr Ziel bleibt dasselbe: ein solides Handelsabkommen zwischen der EU und den USA, mit Investorenschutzkapitel, und nicht ohne, wie es etwa Österreichs Regierung fordert. Wie De Gucht und andere Handelskommissare davor gehört Malmström zum liberalen Flügel. Sie ist Mitglied der liberalen Volkspartei in Schweden, die in etwa mit der FDP vergleichbar ist und dort ungefähr fünf Prozent der Wähler hinter sich hat.

Damit steht die Schwedin, die Mutter von Zwillingen ist, in einer Reihe von Handelspolitikern, die jede Form von Handelshemmnissen, dazu zählen etwa strenge Umweltgesetze, lieber entschärfen als verschärfen wollen. Investoren geben sie lieber freies Geleit, anstatt ihnen Grenzen zu setzen, egal ob es dabei um harmlose Sitzgurtnormen geht oder die weniger harmlose Privatisierung kommunaler Wasserversorger oder die Technologien Fracking und Gentechnik. Malmström hat sich in ihrer Zeit als EU-Kommissarin für Innenpolitik von 2010 bis 2014 als harte Verhandlerin erwiesen, musste aber auch Kritik einstecken, etwa weil sie nach Ansicht ihrer Gegner zu lasch mit dem Recht der EU-Bürger auf Datenschutz umging.

Malmström hat bei TTIP mehr Transparenz versprochen. Doch dieses Versprechen wird sie nur einlösen können, wenn die amerikanische Seite das mitträgt, und danach sieht es derzeit nicht aus. „Wir können keine US-Texte online stellen“, bestätigt Malmström. Die US-Seite bestehe auf Geheimhaltung ihrer Positionen, erklärt sie. Zwar veröffentlicht die EU-Kommission inzwischen mehr Papiere, aber nicht die, auf die es wirklich ankommt, wie Mitglieder des EU-Parlaments beklagen. Ohne vergleichbare US-Papiere sei mit den Informationen ohnehin wenig anzufangen.

Richtig spannend wird es ab diesem Frühjahr. Dann gehen die transatlantischen Gespräch in die entscheidende Phase, bisher wurden nur Verhandlungspositionen ausgetauscht, ab der nächsten Runde geht es dann um den Vertragstext, und der gilt als streng vertraulich. Spätestens dann wird sich zeigen, was das Versprechen der Handelskommissarin wert ist – sie wird sich daran messen lassen müssen.


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