Die Krise macht die Modeschöpfer in Mailand vorsichtig - und ratlos. Trends gibt es trotzdem: Japan, Strenge, steife Stoffe
Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man nach dieser Woche in Mailand glauben, Deutschland sei so etwas wie das gelobte Modeland. Kein Italiener auf den Schauen, der nicht davon schwärmte, 'wie gut ihr es habt!'. Und wie viel besser doch alles wäre, 'wenn nur bloß alle so wären wie ihr!' Ein hübsches Novum, gelten die Deutschen stilistisch gesehen doch sonst eher als Kreisklasse. Aber wenn die Umsatzzahlen in Europa, vor allem in Italien selbst, stagnieren oder sogar fallen und Deutschland hingegen bei Marken wie Tod"s oder Salvatore Ferragamo noch deutlich zulegt, kann man ganz schnell aufsteigen. Jedenfalls bis ein Chinese vorbeikommt. Oder ein Brasilianer. Die sind dann doch noch ein bisschen interessanter, größer, konsumfreudiger.
Die Stimmung in Italien ist nach wie vor gedrückt. Die steigenden Steuern raffen vor allem die Mittelklasse hinweg. Überall muss gespart werden. Wenn auch nicht um jeden Preis. Für den Urlaub zumindest nehmen Italiener gern mal einen Kredit auf, damit die kleine Strandparzelle mit Pavillon, Sonnenliege und Tischchen noch bezahlt werden kann, die im Nobelort Forte dei Marmi diese Saison ab 90 Euro pro Tag kostete. Aber jetzt ist der Sommer vorbei, und eine zur Abwechslung wieder mal gute Mailänder Modewoche, so der Plan, würde sicher dem ganzen Land guttun.
Allein, es passierte erst einmal nichts. Keine Stars in den vorderen Reihen, keine Star-Models, kein Gossip (abgesehen von Jil Sanders Rückkehr natürlich), keine aufregende neue Marke. Sogar die Claqueure bei der Show von Emporio Armani fehlten, die gefühlt seit Jahrzehnten frenetisch jeden Paarlauf der Models beklatschen. Was man nicht plötzlich alles vermissen kann. Der ein oder andere überlegte für einen kurzen Moment, ob es sich mehr lohnen könnte, abends eine Folge der überall in der Stadt plakatierten neuen Casting-Show 'The Apprentice' mit dem ehemalige Formel-1-Manager Flavio Briatore anzusehen, statt auf eine der - immerhin zahlreichen - Shoperöffnungen zu gehen. Aber so verzweifelt war man dann doch nicht.
Und außerdem gab es am Ende des zweiten Tages ja auch endlich das erste Highlight: Prada. Die Modenschauen dieses Hauses sind immer ein Erlebnis, eine Gesamtkomposition aus so vielen Details und Versatzstücken, dass sich manchmal noch Tage später ein weiteres Puzzlestück erschließt. Hatten die Gurkenscheiben auf den Toasthäppchen nicht auch die Form von Gänseblümchen, wie sie sich durch die ganze Kollektion zogen? Waren die in japanisch inspirierten Lederstrümpfen fast barfuß laufenden Models im Vergleich zu den nicht enden wollenden Wedgeplateau-Sandalen, wie sie besonders schlimm bei Pucci zu sehen waren, nicht ein geradezu poetischer Moment?
Was sich jedenfalls sofort erschloss, war das Bild einer Frau mit unterschiedlichen Charakteren, das Miuccia Prada bereits häufiger beschäftigte. Sie ist stark und fragil zugleich ist, trägt eine strenge wie eine kindliche Seite in sich. Das zeigte sich schon am allerersten Look, einem steifen, sehr kurzen Kleid in Schwarz mit zwei einzelnen wie mit Kreide aufgemalten Blumen. Eine angenehme Farbdiät im Vergleich zu all den knallbunten Prints und Farbexzessen, die man die vergangenen Saisons sah und immer noch sieht. Dann folgten an Geishas erinnernde Satin-Kostüme mit in Origamitechnik gefalteten doppelten Satinbahnen, die darunter und dazwischen - wir sind schließlich in Japan und bei Miuccia Prada - deutlich mit Sexappeal spielen.
Dann der erste Pelzmantel. Kurzes Überlegen, in welcher Saison wir uns bei diesen Schauen noch mal befinden. Pelz im Sommer? Ja doch. 'Träumen ist verboten, Nostalgie ist verboten, zu süß kann man auch nicht mehr sein. So vieles ist mittlerweile verboten', wurde Prada nach der Show zitiert. Und wenn etwas verboten ist, macht man es, genau: noch lieber. Das deutliche Wachstum, das die Pelzindustrie bereits für diesen Winter verkündet hat, weil Labels wie Céline und vor allem junge Designer vermehrt bunten Pelz verwenden, dürfte also noch ein bisschen weitergehen.
Die Vielschichtigkeit der modernen Frau ist auch das Thema von Tomas Maier, dem deutschen Designer von Bottega Veneta, der eine der schönsten Kollektionen von Mailand präsentierte. Seine mit Blümchen bedruckten 40er-Jahre-Kleider werden von Nieten durchsetzt oder sind wie mit Kugelschreiber wild übermalt, unter einem schlichten Jerseyshirt zeichnen sich Schmucksteine ab, als wäre eine Kette im Stoff eingearbeitet. Jeder Entwurf hat eine zweite Dimension. 'Sie glauben, Sie verstehen diese Frau. Aber vielleicht auch nicht', sagt Maier. Sie hat nicht nur einen Stil, ist nicht 'nur bohemian' oder nur 'sportlich', sie ist komplexer, geheimnisvoller. Wie ja auch unsere Welt etwas komplexer geworden ist. Seine Reaktion auf die gedämpfte Stimmung in Italien? 'Die Leute brauchen nicht noch einen "Downer". Sie sind schon unten.' Seine Kollektion solle deshalb lieber aufbauen, glücklich machen. Das schafft er locker. Wenn auch nicht mit allzu offensichtlichen Mitteln. Er hasst es, wenn es durchschaubar wird.
Denn das gibt es ja auch. Im Zuge der Krise und der Erschließung neuer Märkte wie China oder das neue Luxus-Lieblingsland Brasilien - beide bevorzugen klare Erkennungsmerkmale einer Marke - gehen die meisten Marken kein großes Risiko mehr ein. Konzentration auf das Wesentliche, 'true to brand' heißt das Rezept. Die DNA des Hauses muss bis in den Fesselriemen der Sandale spürbar sein, bei Gucci findet sich jetzt also auch hier die berühmte Trense wieder. Deshalb kehrt Jil Sander zu Jil Sander zurück, spielen Dolce & Gabbana immer wieder auf ihre sizilianische Herkunft an. Kampagne wie Kollektion waren wieder ein Trip auf ihre Heimatinsel - schon die Einladung wurde mit den typischen Zitronen und Mustern der Keramikfliesen bedruckt, das Teatro Metropol unter den Rängen mit Kakteen bepflanzt. Es folgten: Kleider aus Raffia, die Kartoffelsäcken nachempfunden waren, Basttaschen mit Keramikmuster, riesige Raffiaohrringe, Markisenstreifen und, als krönender Abschluss, ein Korsagenkleid aus Korbgeflecht - ein All-inclusive-5-Sterne-Trip.
Jeder macht also das, was er am besten kann und das am besten noch ein bisschen hochwertiger. Denn wer noch Geld hat - auch in Italien sind das ja immerhin noch ein paar Millionäre, wenn auch weniger als vor der Krise -, der gibt sein Geld lieber für etwas wirklich Besonderes aus. 'Für alle anderen Gelegenheiten hat die Frau doch genug T-Shirts im Schrank', sagt Tomas Maier. Auch seine Kleider sind bis in die Plissees hinein mit aufwendiger Handarbeit veredelt, die geflochtenen Taschen des Hauses sowieso. Sogar eine eher klassischere Marke wie Tod"s wird jetzt geradezu 'couturig' und bietet demnächst von Hand mit Perlen und kleinen Silberkettchen besetzte Loafer und Abendtaschen an. Preislich eher etwas für Leute, die auch eine Dauerkarte für die Strandparzelle in Forte bezahlen können.
Und während man nach der Hälfte der Modewoche noch glaubte, für nächsten Sommer sei kein durchgängiger Trend erkennbar, kam am Ende doch noch einiges zusammen: viel freier Rücken zum Beispiel, das Gegenstück zum tiefen V-Ausschnitt. Viele schöne Grüntöne. Kaum Hosen. Durchblitzende Lingerie. Und natürlich: Japan. Von Prada über die Tapetendrucke bei Gucci bis zu den Samuraiblousons von Pucci - dieser Trend ist plötzlich überall. Japanische Drucke hatten einige Designer bereits in ihren aktuellen Winterkollektionen verwendet, nächsten Sommer geht die Reise weiter. Vielleicht zeigt sich hier nach all den knalligen Farben und wilden Mustern, eine Sehnsucht nach reinigendem Minimalismus und Purismus. Ein bisschen mehr Strenge und Klarheit statt flatternder Silhouetten. Die Stoffe jedenfalls sind für eine Sommersaison fast überall auffallend fest. Jacquard, Leder, Satin, steife Seide, fester Baumwoll-Canvas, der bei Marni fast von alleine steht. Das verleiht dem Körper neue Proportionen, moderne Silhouetten. Vielleicht auch ein bisschen Schutz für harte Zeiten.
Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man nach dieser Woche in Mailand glauben, Deutschland sei so etwas wie das gelobte Modeland. Kein Italiener auf den Schauen, der nicht davon schwärmte, 'wie gut ihr es habt!'. Und wie viel besser doch alles wäre, 'wenn nur bloß alle so wären wie ihr!' Ein hübsches Novum, gelten die Deutschen stilistisch gesehen doch sonst eher als Kreisklasse. Aber wenn die Umsatzzahlen in Europa, vor allem in Italien selbst, stagnieren oder sogar fallen und Deutschland hingegen bei Marken wie Tod"s oder Salvatore Ferragamo noch deutlich zulegt, kann man ganz schnell aufsteigen. Jedenfalls bis ein Chinese vorbeikommt. Oder ein Brasilianer. Die sind dann doch noch ein bisschen interessanter, größer, konsumfreudiger.
Die Stimmung in Italien ist nach wie vor gedrückt. Die steigenden Steuern raffen vor allem die Mittelklasse hinweg. Überall muss gespart werden. Wenn auch nicht um jeden Preis. Für den Urlaub zumindest nehmen Italiener gern mal einen Kredit auf, damit die kleine Strandparzelle mit Pavillon, Sonnenliege und Tischchen noch bezahlt werden kann, die im Nobelort Forte dei Marmi diese Saison ab 90 Euro pro Tag kostete. Aber jetzt ist der Sommer vorbei, und eine zur Abwechslung wieder mal gute Mailänder Modewoche, so der Plan, würde sicher dem ganzen Land guttun.
Allein, es passierte erst einmal nichts. Keine Stars in den vorderen Reihen, keine Star-Models, kein Gossip (abgesehen von Jil Sanders Rückkehr natürlich), keine aufregende neue Marke. Sogar die Claqueure bei der Show von Emporio Armani fehlten, die gefühlt seit Jahrzehnten frenetisch jeden Paarlauf der Models beklatschen. Was man nicht plötzlich alles vermissen kann. Der ein oder andere überlegte für einen kurzen Moment, ob es sich mehr lohnen könnte, abends eine Folge der überall in der Stadt plakatierten neuen Casting-Show 'The Apprentice' mit dem ehemalige Formel-1-Manager Flavio Briatore anzusehen, statt auf eine der - immerhin zahlreichen - Shoperöffnungen zu gehen. Aber so verzweifelt war man dann doch nicht.
Und außerdem gab es am Ende des zweiten Tages ja auch endlich das erste Highlight: Prada. Die Modenschauen dieses Hauses sind immer ein Erlebnis, eine Gesamtkomposition aus so vielen Details und Versatzstücken, dass sich manchmal noch Tage später ein weiteres Puzzlestück erschließt. Hatten die Gurkenscheiben auf den Toasthäppchen nicht auch die Form von Gänseblümchen, wie sie sich durch die ganze Kollektion zogen? Waren die in japanisch inspirierten Lederstrümpfen fast barfuß laufenden Models im Vergleich zu den nicht enden wollenden Wedgeplateau-Sandalen, wie sie besonders schlimm bei Pucci zu sehen waren, nicht ein geradezu poetischer Moment?
Was sich jedenfalls sofort erschloss, war das Bild einer Frau mit unterschiedlichen Charakteren, das Miuccia Prada bereits häufiger beschäftigte. Sie ist stark und fragil zugleich ist, trägt eine strenge wie eine kindliche Seite in sich. Das zeigte sich schon am allerersten Look, einem steifen, sehr kurzen Kleid in Schwarz mit zwei einzelnen wie mit Kreide aufgemalten Blumen. Eine angenehme Farbdiät im Vergleich zu all den knallbunten Prints und Farbexzessen, die man die vergangenen Saisons sah und immer noch sieht. Dann folgten an Geishas erinnernde Satin-Kostüme mit in Origamitechnik gefalteten doppelten Satinbahnen, die darunter und dazwischen - wir sind schließlich in Japan und bei Miuccia Prada - deutlich mit Sexappeal spielen.
Dann der erste Pelzmantel. Kurzes Überlegen, in welcher Saison wir uns bei diesen Schauen noch mal befinden. Pelz im Sommer? Ja doch. 'Träumen ist verboten, Nostalgie ist verboten, zu süß kann man auch nicht mehr sein. So vieles ist mittlerweile verboten', wurde Prada nach der Show zitiert. Und wenn etwas verboten ist, macht man es, genau: noch lieber. Das deutliche Wachstum, das die Pelzindustrie bereits für diesen Winter verkündet hat, weil Labels wie Céline und vor allem junge Designer vermehrt bunten Pelz verwenden, dürfte also noch ein bisschen weitergehen.
Die Vielschichtigkeit der modernen Frau ist auch das Thema von Tomas Maier, dem deutschen Designer von Bottega Veneta, der eine der schönsten Kollektionen von Mailand präsentierte. Seine mit Blümchen bedruckten 40er-Jahre-Kleider werden von Nieten durchsetzt oder sind wie mit Kugelschreiber wild übermalt, unter einem schlichten Jerseyshirt zeichnen sich Schmucksteine ab, als wäre eine Kette im Stoff eingearbeitet. Jeder Entwurf hat eine zweite Dimension. 'Sie glauben, Sie verstehen diese Frau. Aber vielleicht auch nicht', sagt Maier. Sie hat nicht nur einen Stil, ist nicht 'nur bohemian' oder nur 'sportlich', sie ist komplexer, geheimnisvoller. Wie ja auch unsere Welt etwas komplexer geworden ist. Seine Reaktion auf die gedämpfte Stimmung in Italien? 'Die Leute brauchen nicht noch einen "Downer". Sie sind schon unten.' Seine Kollektion solle deshalb lieber aufbauen, glücklich machen. Das schafft er locker. Wenn auch nicht mit allzu offensichtlichen Mitteln. Er hasst es, wenn es durchschaubar wird.
Denn das gibt es ja auch. Im Zuge der Krise und der Erschließung neuer Märkte wie China oder das neue Luxus-Lieblingsland Brasilien - beide bevorzugen klare Erkennungsmerkmale einer Marke - gehen die meisten Marken kein großes Risiko mehr ein. Konzentration auf das Wesentliche, 'true to brand' heißt das Rezept. Die DNA des Hauses muss bis in den Fesselriemen der Sandale spürbar sein, bei Gucci findet sich jetzt also auch hier die berühmte Trense wieder. Deshalb kehrt Jil Sander zu Jil Sander zurück, spielen Dolce & Gabbana immer wieder auf ihre sizilianische Herkunft an. Kampagne wie Kollektion waren wieder ein Trip auf ihre Heimatinsel - schon die Einladung wurde mit den typischen Zitronen und Mustern der Keramikfliesen bedruckt, das Teatro Metropol unter den Rängen mit Kakteen bepflanzt. Es folgten: Kleider aus Raffia, die Kartoffelsäcken nachempfunden waren, Basttaschen mit Keramikmuster, riesige Raffiaohrringe, Markisenstreifen und, als krönender Abschluss, ein Korsagenkleid aus Korbgeflecht - ein All-inclusive-5-Sterne-Trip.
Jeder macht also das, was er am besten kann und das am besten noch ein bisschen hochwertiger. Denn wer noch Geld hat - auch in Italien sind das ja immerhin noch ein paar Millionäre, wenn auch weniger als vor der Krise -, der gibt sein Geld lieber für etwas wirklich Besonderes aus. 'Für alle anderen Gelegenheiten hat die Frau doch genug T-Shirts im Schrank', sagt Tomas Maier. Auch seine Kleider sind bis in die Plissees hinein mit aufwendiger Handarbeit veredelt, die geflochtenen Taschen des Hauses sowieso. Sogar eine eher klassischere Marke wie Tod"s wird jetzt geradezu 'couturig' und bietet demnächst von Hand mit Perlen und kleinen Silberkettchen besetzte Loafer und Abendtaschen an. Preislich eher etwas für Leute, die auch eine Dauerkarte für die Strandparzelle in Forte bezahlen können.
Und während man nach der Hälfte der Modewoche noch glaubte, für nächsten Sommer sei kein durchgängiger Trend erkennbar, kam am Ende doch noch einiges zusammen: viel freier Rücken zum Beispiel, das Gegenstück zum tiefen V-Ausschnitt. Viele schöne Grüntöne. Kaum Hosen. Durchblitzende Lingerie. Und natürlich: Japan. Von Prada über die Tapetendrucke bei Gucci bis zu den Samuraiblousons von Pucci - dieser Trend ist plötzlich überall. Japanische Drucke hatten einige Designer bereits in ihren aktuellen Winterkollektionen verwendet, nächsten Sommer geht die Reise weiter. Vielleicht zeigt sich hier nach all den knalligen Farben und wilden Mustern, eine Sehnsucht nach reinigendem Minimalismus und Purismus. Ein bisschen mehr Strenge und Klarheit statt flatternder Silhouetten. Die Stoffe jedenfalls sind für eine Sommersaison fast überall auffallend fest. Jacquard, Leder, Satin, steife Seide, fester Baumwoll-Canvas, der bei Marni fast von alleine steht. Das verleiht dem Körper neue Proportionen, moderne Silhouetten. Vielleicht auch ein bisschen Schutz für harte Zeiten.