Die Troika der SPD-Kanzleranwärter Steinbrück, Steinmeier und Gabriel hat ihren Reiz längst verloren. Der Vorsitzende lehnt eine schnelle Kür dennoch ab, weil die Partei dabei Schaden nehmen könnte
Berlin - Auch wenn es offiziell nicht auf der Tagesordnung steht: Die Kanzlerkandidatenfrage dürfte bei dem Treffen des SPD-Bundesvorstands an diesem Montag wohl zur Sprache kommen. Gut möglich, dass der Vorsitzende Sigmar Gabriel die jüngsten Aufregungen um eine Vorentscheidung zugunsten von Ex-Finanzminister Peer Steinbrück selbst anspricht, auch wenn sich sein Zorn vom Wochenende mittlerweile verzogen haben dürfte.
Gabriel hatte am Freitag bei einer SPD-Veranstaltung über die Herausforderungen der Kommunalpolitik reden wollen. Dieses zweifellos bedeutsame Thema interessierte breite Teile seiner Partei und der Öffentlichkeit aber deutlich weniger als die Frage, ob Steinbrück tatsächlich bereits als Herausforderer feststehe. Gabriel schäumte und ließ intern wissen, dass er von SPD-Politikern oder deren Gefolgsleuten keine öffentlichen oder halböffentlichen Äußerungen mehr zu dieser heiklen Personalie hören wolle. Offiziell beschied der Vorsitzende: 'Die Personalfragen kommen nach der Programmatik. Wenn die Programmatik entschieden ist, kommt die Person.' Vor einer Lösung in der Rentenfrage - mithin vor dem kleinen SPD-Parteitag am 24. November - soll das K-Thema tabu sein.
Dieser Wunsch Gabriels wird aber kaum in Erfüllung gehen. Denn die SPD mitsamt ihrem Trio der Vielleicht-Herausforderer Gabriel, Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier und Ex-Finanzminister Peer Steinbrück sitzt inzwischen in der Kandidaten-Falle. In den vergangenen Monaten mussten sich die drei Herren immer wieder anhören, keiner von ihnen habe Mut und Lust, gegen die unverändert populäre Kanzlerin anzutreten. Wenn einer aus dem Dreigestirn aber Lust am Spitzenamt zeigt oder solche Lust kolportieren lässt, so wie zwischenzeitlich Steinmeier oder Steinbrück jetzt und vergangenes Jahr, ist es ebenfalls nicht recht.
Die Troika, erfunden von Gabriel 2011 in politischer Not und zunächst erfolgreich, hat ihren Reiz längst verloren und wächst sich zur Belastung aus. Auch deshalb sind in der SPD-Spitze Pläne, den Herausforderer erst nach der niedersächsischen Landtagswahl zu küren, schon im Sommer aufgegeben worden.
Die Herausforderer-Frage ist nach Angaben zuverlässiger Gewährsleute ungeachtet aller Spekulationen und Gerüchte auch intern noch nicht entschieden. Das entscheidende Gespräch, bei dem sich die drei zusammensetzen und beschließen, wer es denn nun werden soll, hat diesen Informationen zufolge noch nicht stattgefunden. Allerdings ist auch von einem 'unausgesprochenen Einverständnis' der drei die Rede, wonach Steinbrück antreten soll.
Der Ex-Finanzminister ist nach Einschätzung namhafter Steinmeier-Anhänger der Favorit, auch der Gabriels. 'Es läuft auf Steinbrück zu', sagt einer von ihnen. Deshalb war die Aufregung am Freitag so groß. Denn anders als Steinmeier hat Steinbrück im SPD-Apparat etliche Kritiker und erbitterte Gegner. Und die, so fürchtet man in der Parteiführung, werden gegen den Ex-Finanzminister Stimmung machen, auch programmatisch. Etwa in der umstrittenen Rentenfrage, in der Steinbrück zwar zu Konzessionen, nicht aber zu einer grundsätzlichen Abkehr von den Rentenreformen der rot-grünen und rot-schwarzen Regierungsjahre bereit ist.
Bei innerparteilichen Tumulten könnte auch Gabriels Ansehen als Parteivorsitzender Schaden nehmen. Der Vorsitzende hat entgegen zahlreichen Mutmaßungen schon im vergangenen Jahr erkannt, dass er nicht der richtige Merkel-Herausforderer für das Jahr 2013 ist. Gabriel möchte derjenige sein, der den Kandidaten auswählt und in der Partei durchsetzt. Wenn allerdings der Eindruck entsteht, dass nicht er, sondern ein ungeduldiger Anwärter diesen Auswahlprozess durchkreuzt, nimmt Gabriels Autorität als Parteivorsitzender Schaden.
Und nicht nur das. Sollte auch die nächste Kanzlerkandidatenkür von innerparteilichen Verwerfungen begleitet sein, so wie die vom Rücktritt von Parteichef Kurt Beck begleitete Nominierung Steinmeiers 2009, könnten die Sozialdemokraten ihre Hoffnungen auf einen Erfolg im September 2013 begraben. Auch für das Verhältnis der Troikaner untereinander hat die Art und Weise der Kandidatenentscheidung Bedeutung. Bislang verstanden sich die drei gut, überraschend gut sogar, obgleich sie untereinander streiten und sich Dinge wechselseitig übel nehmen. Doch die beiden, die nicht zum Zuge kommen, werden nach einer Kür des Dritten im Schatten stehen. Der Kandidat ist mit seiner Ausrufung die Nummer eins der SPD.
Gabriel könnte als Nicht-Kandidat theoretisch gut leben, er ist Parteivorsitzender, oberster Wahlkampfchef, mithin Zirkusdirektor und damit sehr bedeutsam. Würde Steinbrück tatsächlich nominiert, rückte Steinmeier in den Hintergrund. Zumal es kein Geheimnis ist, dass Gabriel 2013 neben dem Partei- auch gern den Fraktionsvorsitz der SPD übernähme. Eine möglichst würdige Einigung über den Herausforderer ist aus persönlichen, aber auch politischen Gründen geboten. Denn den schwierigen Wahlkampf muss die Troika gemeinsam bestreiten. Und wenn die SPD den Kanzler stellen sollte, sind die drei aufeinander stärker angewiesen als je zuvor.
Berlin - Auch wenn es offiziell nicht auf der Tagesordnung steht: Die Kanzlerkandidatenfrage dürfte bei dem Treffen des SPD-Bundesvorstands an diesem Montag wohl zur Sprache kommen. Gut möglich, dass der Vorsitzende Sigmar Gabriel die jüngsten Aufregungen um eine Vorentscheidung zugunsten von Ex-Finanzminister Peer Steinbrück selbst anspricht, auch wenn sich sein Zorn vom Wochenende mittlerweile verzogen haben dürfte.
Gabriel hatte am Freitag bei einer SPD-Veranstaltung über die Herausforderungen der Kommunalpolitik reden wollen. Dieses zweifellos bedeutsame Thema interessierte breite Teile seiner Partei und der Öffentlichkeit aber deutlich weniger als die Frage, ob Steinbrück tatsächlich bereits als Herausforderer feststehe. Gabriel schäumte und ließ intern wissen, dass er von SPD-Politikern oder deren Gefolgsleuten keine öffentlichen oder halböffentlichen Äußerungen mehr zu dieser heiklen Personalie hören wolle. Offiziell beschied der Vorsitzende: 'Die Personalfragen kommen nach der Programmatik. Wenn die Programmatik entschieden ist, kommt die Person.' Vor einer Lösung in der Rentenfrage - mithin vor dem kleinen SPD-Parteitag am 24. November - soll das K-Thema tabu sein.
Dieser Wunsch Gabriels wird aber kaum in Erfüllung gehen. Denn die SPD mitsamt ihrem Trio der Vielleicht-Herausforderer Gabriel, Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier und Ex-Finanzminister Peer Steinbrück sitzt inzwischen in der Kandidaten-Falle. In den vergangenen Monaten mussten sich die drei Herren immer wieder anhören, keiner von ihnen habe Mut und Lust, gegen die unverändert populäre Kanzlerin anzutreten. Wenn einer aus dem Dreigestirn aber Lust am Spitzenamt zeigt oder solche Lust kolportieren lässt, so wie zwischenzeitlich Steinmeier oder Steinbrück jetzt und vergangenes Jahr, ist es ebenfalls nicht recht.
Die Troika, erfunden von Gabriel 2011 in politischer Not und zunächst erfolgreich, hat ihren Reiz längst verloren und wächst sich zur Belastung aus. Auch deshalb sind in der SPD-Spitze Pläne, den Herausforderer erst nach der niedersächsischen Landtagswahl zu küren, schon im Sommer aufgegeben worden.
Die Herausforderer-Frage ist nach Angaben zuverlässiger Gewährsleute ungeachtet aller Spekulationen und Gerüchte auch intern noch nicht entschieden. Das entscheidende Gespräch, bei dem sich die drei zusammensetzen und beschließen, wer es denn nun werden soll, hat diesen Informationen zufolge noch nicht stattgefunden. Allerdings ist auch von einem 'unausgesprochenen Einverständnis' der drei die Rede, wonach Steinbrück antreten soll.
Der Ex-Finanzminister ist nach Einschätzung namhafter Steinmeier-Anhänger der Favorit, auch der Gabriels. 'Es läuft auf Steinbrück zu', sagt einer von ihnen. Deshalb war die Aufregung am Freitag so groß. Denn anders als Steinmeier hat Steinbrück im SPD-Apparat etliche Kritiker und erbitterte Gegner. Und die, so fürchtet man in der Parteiführung, werden gegen den Ex-Finanzminister Stimmung machen, auch programmatisch. Etwa in der umstrittenen Rentenfrage, in der Steinbrück zwar zu Konzessionen, nicht aber zu einer grundsätzlichen Abkehr von den Rentenreformen der rot-grünen und rot-schwarzen Regierungsjahre bereit ist.
Bei innerparteilichen Tumulten könnte auch Gabriels Ansehen als Parteivorsitzender Schaden nehmen. Der Vorsitzende hat entgegen zahlreichen Mutmaßungen schon im vergangenen Jahr erkannt, dass er nicht der richtige Merkel-Herausforderer für das Jahr 2013 ist. Gabriel möchte derjenige sein, der den Kandidaten auswählt und in der Partei durchsetzt. Wenn allerdings der Eindruck entsteht, dass nicht er, sondern ein ungeduldiger Anwärter diesen Auswahlprozess durchkreuzt, nimmt Gabriels Autorität als Parteivorsitzender Schaden.
Und nicht nur das. Sollte auch die nächste Kanzlerkandidatenkür von innerparteilichen Verwerfungen begleitet sein, so wie die vom Rücktritt von Parteichef Kurt Beck begleitete Nominierung Steinmeiers 2009, könnten die Sozialdemokraten ihre Hoffnungen auf einen Erfolg im September 2013 begraben. Auch für das Verhältnis der Troikaner untereinander hat die Art und Weise der Kandidatenentscheidung Bedeutung. Bislang verstanden sich die drei gut, überraschend gut sogar, obgleich sie untereinander streiten und sich Dinge wechselseitig übel nehmen. Doch die beiden, die nicht zum Zuge kommen, werden nach einer Kür des Dritten im Schatten stehen. Der Kandidat ist mit seiner Ausrufung die Nummer eins der SPD.
Gabriel könnte als Nicht-Kandidat theoretisch gut leben, er ist Parteivorsitzender, oberster Wahlkampfchef, mithin Zirkusdirektor und damit sehr bedeutsam. Würde Steinbrück tatsächlich nominiert, rückte Steinmeier in den Hintergrund. Zumal es kein Geheimnis ist, dass Gabriel 2013 neben dem Partei- auch gern den Fraktionsvorsitz der SPD übernähme. Eine möglichst würdige Einigung über den Herausforderer ist aus persönlichen, aber auch politischen Gründen geboten. Denn den schwierigen Wahlkampf muss die Troika gemeinsam bestreiten. Und wenn die SPD den Kanzler stellen sollte, sind die drei aufeinander stärker angewiesen als je zuvor.