Dennis Meyhoff Brink war schon häufig bei Debatten wie im Kopenhagener Kulturcafé Krudttønden vor zwei Wochen: kleiner Rahmen, etwa 40 Zuhörer, Sicherheitskontrollen am Eingang. Sie gehören für den Kulturwissenschaftler zur Routine, wenn Gäste wie der schwedische Mohammed-Zeichner Lars Vilks teilnehmen. Im Café vor dem Seminarraum stehen zwei Polizisten, zudem sind Mitarbeiter vom Geheimdienst in Zivil da.
Nach den Terroranschlägen vor zwei Wochen wird Kritik laut, dass die Polizei nicht genug Prävention betrieben habe.
Eine halbe Stunde nach Beginn fallen Schüsse. Panik bricht aus, Menschen laufen zu den Ausgängen. Meyhoff Brink versteckt sich unter einem Mischpult. Ein bewaffneter Mann kommt rein und stürzt durch den Raum zur Hintertür. Er blutet am Bein, richtet die Waffe zur Decke. Wahrscheinlich Nachrichtendienst, denkt Meyhoff Brink in seinem Versteck. „Er schien die Situation nicht unter Kontrolle zu haben“, sagt er.
Zwei Wochen nach den Anschlägen, bei denen zwei Opfer und der Täter starben, werden immer mehr Details öffentlich und werfen neue Fragen auf. Eine offizielle Untersuchung soll nun zeigen, ob Polizei und Inlandsgeheimdienst PET richtig gehandelt haben. Hätten die Anschläge verhindert werden können?
In der Tageszeitung Politiken belasten Augenzeugen anonym die beiden Polizisten am Ort. Sie hätten Kaffee getrunken, mit dem Rücken zum Eingang, als der Täter Omar Abdel Hamid El-Hussein auftauchte. Es sei ein Café-Mitarbeiter gewesen, der den Täter zuerst gesehen und die Polizisten gewarnt habe. Als El-Hussein schießt, erwidern sie das Feuer sofort. Meyhoff Brink im Seminarraum nebenan hört nur die Schüsse und weiß nicht, wie viele Täter es sind. „Wir waren überhaupt nicht sicher, dass die Polizisten den Kampf gewinnen“, sagt er. Die Sicherheitsleute hätten „einen heldenhaften Job“ gemacht, doch vielleicht waren sie zu wenige. Nicht einmal die Hintertür sei bewacht gewesen. Von dort wäre der Täter leicht in den Seminarraum gelangt. „Dann hätte es höchstwahrscheinlich ein Massaker gegeben, wie bei Charlie Hebdo“, sagt Meyhoff Brink.
Tatsächlich hat El-Hussein einen anderen Weg ins Gebäude gesucht, bevor er auf die Glasfront des Haupteingangs schoss. Der Filmemacher Finn Nørgaard begegnete dem 22-Jährigen dort draußen, versuchte wohl, ihn aufzuhalten. El-Hussein erschoss ihn aus nächster Nähe. Warum stand kein Sicherheitsmann vor dem Gebäude? Warum konnte der Täter nach der Schießerei zunächst einfach entkommen, zu Fuß? „Warum wurde das Café nicht besser bewacht, wo wir doch eben erst Anschläge im Zusammenhang mit Mohammed-Karikaturen in Paris erlebt hatten“, fragt Lars Erslev Andersen, Terrorismus-Forscher am Dänischen Institut für Internationale Studien (DIIS).
PET und Polizei antworten auf keine dieser Fragen, verweisen auf die laufende Untersuchung. Häppchenweise veröffentlichen sie andere Details. Man weiß, dass der Täter an diesem Tag 40 Schüsse aus drei verschiedenen Waffen abgefeuert hat. Dass die Jagd auf ihn 13 Stunden und 17 Minuten dauerte. Dass er um 15.33Uhr das Feuer auf das Krudttønden mit einem M95-Gewehr eröffnete. Die Waffe war einem Reservisten der Streitkräfte gestohlen worden. Die Polizei fand sie später am Mjølnerparken, einem Wohnkomplex im Stadtteil Nørrebro, wo der Täter lebte.
Auf der Flucht nach dem ersten Anschlag zwingt El-Hussein den Fahrer eines VW Polo, ihm seinen Wagen zu überlassen. Er fährt wenige Kilometer, lässt dann das Auto stehen und ruft ein Taxi. Es setzt ihn um etwa 16.15Uhr in Nørrebro ab, vermutlich vor seiner Wohnung. Nach 20 Minuten verlässt er diese wieder. Was tut er in den Stunden bis zum Anschlag auf die Synagoge? Warum nutzt die Polizei diese Zeit nicht, um jüdische Einrichtungen in der Stadt stärker zu bewachen?
Die Familie, die in der Synagoge die Bat-Mizwa ihrer zwölfjährigen Tochter feiert, berichtet später, die jüdische Gemeinde habe sich nach dem ersten Anschlag an die Polizei gewandt. Doch die habe es nicht für nötig gehalten, die Feier abzusagen. Die Gemeinde habe daraufhin um Schutz gebeten. Zwei Beamte bewachten in der Tatnacht die Synagoge gemeinsam mit dem 37-jährigen Dan Uzan, der sich freiwillig gemeldet hatte.
Als El-Hussein sich ihnen nähert, täuscht er Berichten zufolge vor, betrunken zu sein. Torkelnd kommt er auf Uzan zu, bevor er ihn erschießt und die beiden Polizisten verletzt. Wieder kann er entkommen. Später ist von möglicherweise defekten Waffen der Beamten die Rede. Was genau passiert ist, bleibt unklar. Die Polizei schwärmt aus, sperrt die Innenstadt ab, evakuiert die nahe gelegene S-Bahn-Station. Das zumindest habe gut funktioniert, sagt Terrorexperte Magnus Ranstorp von der schwedischen Hochschule für Verteidigung. Um 4.50 Uhr fangen sie den Täter nahe seiner Wohnung ab. Er schießt, die Polizei erwidert das Feuer und tötet ihn.
Nun versucht sie, die Zeit zwischen den Anschlägen zu rekonstruieren. Vergangenen Freitag nimmt sie einen weiteren Verdächtigen fest. Er könnte El-Hussein geholfen haben. Zwei mögliche Helfer sitzen bereits in Untersuchungshaft. Die Polizei veröffentlicht ein Bild des Täters aus einem Internet-Café, aufgenommen wenige Stunden vor dem Anschlag auf die Synagoge. Sie sucht Zeugen, die ihn gesehen haben.
Doch damit enden die Fragen nicht. El-Hussein war nur zwei Wochen vor der Tat aus dem Gefängnis entlassen worden. Dort saß er, weil er jemanden mit einem Messer verletzt hatte. Die Gefängnisleitung meldete ihn bereits im September dem PET als einen Häftling, bei dem das Risiko zur Radikalisierung bestehe. Schon vorher war er mehrmals aufgefallen, wegen Drogendelikten, unerlaubten Waffenbesitzes, und weil er gewalttätig wurde. Der PET habe ihn „auf dem Radar“ gehabt, erklärt die Behörde später. Warum wurde er dann nicht überwacht? Medien berichten, der PET habe gar nichts von seiner Entlassung aus dem Gefängnis gewusst. Offiziell bestätigt ist das nicht. „Die Kommunikation zwischen Anwälten, Gefängnis und Sicherheitsdiensten funktioniert nicht“, sagt Terror-Forscher Lars Erslev Andersen.
Dennis Meyhoff Brink, der als Kulturwissenschaftler über die Geschichte der Karikatur forscht, war am Mittwoch wieder zu einer Debatte eingeladen. Es sollte um Charlie Hebdo gehen, der Termin stand schon lange fest. Er hat abgesagt, war noch nicht bereit. „Ich hoffe, dass ich es bald wieder bin“, sagt Meyhoff Brink. Doch in Zukunft werde er vor solchen Veranstaltungen bei der Polizei anrufen und nach den Sicherheitsvorkehrungen fragen.
Nach den Terroranschlägen vor zwei Wochen wird Kritik laut, dass die Polizei nicht genug Prävention betrieben habe.
Eine halbe Stunde nach Beginn fallen Schüsse. Panik bricht aus, Menschen laufen zu den Ausgängen. Meyhoff Brink versteckt sich unter einem Mischpult. Ein bewaffneter Mann kommt rein und stürzt durch den Raum zur Hintertür. Er blutet am Bein, richtet die Waffe zur Decke. Wahrscheinlich Nachrichtendienst, denkt Meyhoff Brink in seinem Versteck. „Er schien die Situation nicht unter Kontrolle zu haben“, sagt er.
Zwei Wochen nach den Anschlägen, bei denen zwei Opfer und der Täter starben, werden immer mehr Details öffentlich und werfen neue Fragen auf. Eine offizielle Untersuchung soll nun zeigen, ob Polizei und Inlandsgeheimdienst PET richtig gehandelt haben. Hätten die Anschläge verhindert werden können?
In der Tageszeitung Politiken belasten Augenzeugen anonym die beiden Polizisten am Ort. Sie hätten Kaffee getrunken, mit dem Rücken zum Eingang, als der Täter Omar Abdel Hamid El-Hussein auftauchte. Es sei ein Café-Mitarbeiter gewesen, der den Täter zuerst gesehen und die Polizisten gewarnt habe. Als El-Hussein schießt, erwidern sie das Feuer sofort. Meyhoff Brink im Seminarraum nebenan hört nur die Schüsse und weiß nicht, wie viele Täter es sind. „Wir waren überhaupt nicht sicher, dass die Polizisten den Kampf gewinnen“, sagt er. Die Sicherheitsleute hätten „einen heldenhaften Job“ gemacht, doch vielleicht waren sie zu wenige. Nicht einmal die Hintertür sei bewacht gewesen. Von dort wäre der Täter leicht in den Seminarraum gelangt. „Dann hätte es höchstwahrscheinlich ein Massaker gegeben, wie bei Charlie Hebdo“, sagt Meyhoff Brink.
Tatsächlich hat El-Hussein einen anderen Weg ins Gebäude gesucht, bevor er auf die Glasfront des Haupteingangs schoss. Der Filmemacher Finn Nørgaard begegnete dem 22-Jährigen dort draußen, versuchte wohl, ihn aufzuhalten. El-Hussein erschoss ihn aus nächster Nähe. Warum stand kein Sicherheitsmann vor dem Gebäude? Warum konnte der Täter nach der Schießerei zunächst einfach entkommen, zu Fuß? „Warum wurde das Café nicht besser bewacht, wo wir doch eben erst Anschläge im Zusammenhang mit Mohammed-Karikaturen in Paris erlebt hatten“, fragt Lars Erslev Andersen, Terrorismus-Forscher am Dänischen Institut für Internationale Studien (DIIS).
PET und Polizei antworten auf keine dieser Fragen, verweisen auf die laufende Untersuchung. Häppchenweise veröffentlichen sie andere Details. Man weiß, dass der Täter an diesem Tag 40 Schüsse aus drei verschiedenen Waffen abgefeuert hat. Dass die Jagd auf ihn 13 Stunden und 17 Minuten dauerte. Dass er um 15.33Uhr das Feuer auf das Krudttønden mit einem M95-Gewehr eröffnete. Die Waffe war einem Reservisten der Streitkräfte gestohlen worden. Die Polizei fand sie später am Mjølnerparken, einem Wohnkomplex im Stadtteil Nørrebro, wo der Täter lebte.
Auf der Flucht nach dem ersten Anschlag zwingt El-Hussein den Fahrer eines VW Polo, ihm seinen Wagen zu überlassen. Er fährt wenige Kilometer, lässt dann das Auto stehen und ruft ein Taxi. Es setzt ihn um etwa 16.15Uhr in Nørrebro ab, vermutlich vor seiner Wohnung. Nach 20 Minuten verlässt er diese wieder. Was tut er in den Stunden bis zum Anschlag auf die Synagoge? Warum nutzt die Polizei diese Zeit nicht, um jüdische Einrichtungen in der Stadt stärker zu bewachen?
Die Familie, die in der Synagoge die Bat-Mizwa ihrer zwölfjährigen Tochter feiert, berichtet später, die jüdische Gemeinde habe sich nach dem ersten Anschlag an die Polizei gewandt. Doch die habe es nicht für nötig gehalten, die Feier abzusagen. Die Gemeinde habe daraufhin um Schutz gebeten. Zwei Beamte bewachten in der Tatnacht die Synagoge gemeinsam mit dem 37-jährigen Dan Uzan, der sich freiwillig gemeldet hatte.
Als El-Hussein sich ihnen nähert, täuscht er Berichten zufolge vor, betrunken zu sein. Torkelnd kommt er auf Uzan zu, bevor er ihn erschießt und die beiden Polizisten verletzt. Wieder kann er entkommen. Später ist von möglicherweise defekten Waffen der Beamten die Rede. Was genau passiert ist, bleibt unklar. Die Polizei schwärmt aus, sperrt die Innenstadt ab, evakuiert die nahe gelegene S-Bahn-Station. Das zumindest habe gut funktioniert, sagt Terrorexperte Magnus Ranstorp von der schwedischen Hochschule für Verteidigung. Um 4.50 Uhr fangen sie den Täter nahe seiner Wohnung ab. Er schießt, die Polizei erwidert das Feuer und tötet ihn.
Nun versucht sie, die Zeit zwischen den Anschlägen zu rekonstruieren. Vergangenen Freitag nimmt sie einen weiteren Verdächtigen fest. Er könnte El-Hussein geholfen haben. Zwei mögliche Helfer sitzen bereits in Untersuchungshaft. Die Polizei veröffentlicht ein Bild des Täters aus einem Internet-Café, aufgenommen wenige Stunden vor dem Anschlag auf die Synagoge. Sie sucht Zeugen, die ihn gesehen haben.
Doch damit enden die Fragen nicht. El-Hussein war nur zwei Wochen vor der Tat aus dem Gefängnis entlassen worden. Dort saß er, weil er jemanden mit einem Messer verletzt hatte. Die Gefängnisleitung meldete ihn bereits im September dem PET als einen Häftling, bei dem das Risiko zur Radikalisierung bestehe. Schon vorher war er mehrmals aufgefallen, wegen Drogendelikten, unerlaubten Waffenbesitzes, und weil er gewalttätig wurde. Der PET habe ihn „auf dem Radar“ gehabt, erklärt die Behörde später. Warum wurde er dann nicht überwacht? Medien berichten, der PET habe gar nichts von seiner Entlassung aus dem Gefängnis gewusst. Offiziell bestätigt ist das nicht. „Die Kommunikation zwischen Anwälten, Gefängnis und Sicherheitsdiensten funktioniert nicht“, sagt Terror-Forscher Lars Erslev Andersen.
Dennis Meyhoff Brink, der als Kulturwissenschaftler über die Geschichte der Karikatur forscht, war am Mittwoch wieder zu einer Debatte eingeladen. Es sollte um Charlie Hebdo gehen, der Termin stand schon lange fest. Er hat abgesagt, war noch nicht bereit. „Ich hoffe, dass ich es bald wieder bin“, sagt Meyhoff Brink. Doch in Zukunft werde er vor solchen Veranstaltungen bei der Polizei anrufen und nach den Sicherheitsvorkehrungen fragen.