Wer wissen möchte, wie es in China um das Amt des Umweltministers bestellt ist, kann nachlesen, was der frühere Amtsträger Zhou Shengxian zu sagen hatte. Der gab 2013 zu Protokoll, sein Ministerium sei „eines der vier peinlichsten Ministerien der Welt“. Er musste machtlos zusehen wie der Wirtschaftsboom die Spitzenposition Chinas als eines der verschmutztesten Länder der Erde zementierte. Doch in diesem Jahr soll alles anders werden. Gerade tagt in Peking der Nationale Volkskongress NVK. Und im Zentrum der Aufmerksamkeit steht mit einem Mal die Umweltpolitik – und der neue Umweltminister Chen Jining.
Die neue Aufmerksamkeit erklärt sich durch eine Entwicklung der vergangenen zwei Jahre: Der katastrophale Smog setzte ein Umdenken auch bei der Parteiführung in Gang. Staats- und Parteichef Xi Jinping droht allen Umweltverschmutzern, sie würden „mit eiserner Faust bestraft“. Das liegt aber ganz konkret auch an der Wucht, mit der kurz vor Beginn des Kongresses der von der Journalistin Chai Jing produzierte Dokumentarfilm „Unterm Firmament“ in die Debatte geplatzt war. Die Dokumentation über den Smog wurde im Internet in nur wenigen Tagen 200 Millionen Mal angesehen. Dort wurde er gefeiert – bis die Zensur zuschlug.
Smog ist eines der größten Umweltprobleme Chinas. Versuche, dagegen anzugehen, werden von der Regierung systematisch verhindert
Der neue Umweltminister durfte in diesem Zusammenhang gleich seine erste Lektion lernen. Chen Jining ist, anders als sein Vorgänger, kein altgedienter Politkader, er ist ein Neuling im Staatsapparat. Bislang war er Präsident der Pekinger Tsinghua-Universität. Am Tag nach der Veröffentlichung von „Unterm Firmament“ hatte er der Filmerin Chai Jing eine Glückwunsch-SMS geschickt. Beobachter spekulierten sogar, ob sein Amt die Produktion des Films heimlich unterstützt hatte. Als Chen dann aber zu seiner Pressekonferenz beim Nationalen Volkskongress antrat, da hatte die Zensur schon zugeschlagen. Der neue Umweltminister schaffte es, eine Stunde lang den Film – zu dem Zeitpunkt noch immer Gesprächsthema Nummer eins in China – mit keinem Wort zu erwähnen.
Da steckte Chen Jining also schon mittendrin in einem Apparat, der sich tatsächlich Reformen wünscht, weil er den Unmut des Volkes spürt, der aber gleichzeitig aus Furcht vor Kontrollverlust die Freiräume für Gesellschaft und Bürger einengt. Der Apparat hat soeben erst ein neues Umweltgesetz verabschiedet. Die Gesetzgebung wird überhaupt seit Jahren schon als vorbildlich gelobt. Doch der Apparat selbst hat seine eigenen Gesetze bislang ignoriert. Das neue Gesetz ermutigt nun „gesellschaftliche Organisationen“ ausdrücklich, Umweltverschmutzer vor Gericht zu bringen, gleichzeitig nehmen aber die Repressalien gegen regierungsunabhängige Organisation ständig zu.
Die vergangene Woche war wieder eine Woche der widersprüchlichen Signale. Premier Li Keqiang versprach eine Umkehr bei der Kohlepolitik: China verbraucht im Moment so viel Kohle wie der Rest der Welt zusammen, die Emissionen sind Hauptverursacher von Smog und Klimagasen. Tatsächlich scheint der Kohleverbrauch in diesem Jahr erstmals seit 15 Jahren gesunken zu sein. Wind- und Solarenergie sollen auf Rekordkapazitäten ausgebaut werden: bis zum Jahr 2020 sollen es 200 Gigawatt beim Wind (heute 95), und 100 bei der Sonne sein (heute 26). Der neue Umweltminister wandte sich sogar mit einem Appell direkt ans Volk: „Seid nicht bloß Beobachter“, sagte er am vergangenen Samstag. Als aber am Tag darauf zwei Bürger in Xi’an mit selbstgemalten Schildern demonstrierten („Smog verursacht Krebs“ und „Die Regierung muss den Smog beseitigen“), da wurden sie sofort von der Polizei festgenommen und über Nacht festgehalten.
„Chinas linker Fuß will nach Norden, Chinas rechter Fuß will nach Süden“, so beschrieb diese Woche die Bürgerrechtlerin Cao Yaxue die Widersprüche. „Und beide Füße haben dasselbe Ziel: die Bewahrung der Einparteien-Herrschaft der KP.“
Die neue Aufmerksamkeit erklärt sich durch eine Entwicklung der vergangenen zwei Jahre: Der katastrophale Smog setzte ein Umdenken auch bei der Parteiführung in Gang. Staats- und Parteichef Xi Jinping droht allen Umweltverschmutzern, sie würden „mit eiserner Faust bestraft“. Das liegt aber ganz konkret auch an der Wucht, mit der kurz vor Beginn des Kongresses der von der Journalistin Chai Jing produzierte Dokumentarfilm „Unterm Firmament“ in die Debatte geplatzt war. Die Dokumentation über den Smog wurde im Internet in nur wenigen Tagen 200 Millionen Mal angesehen. Dort wurde er gefeiert – bis die Zensur zuschlug.
Smog ist eines der größten Umweltprobleme Chinas. Versuche, dagegen anzugehen, werden von der Regierung systematisch verhindert
Der neue Umweltminister durfte in diesem Zusammenhang gleich seine erste Lektion lernen. Chen Jining ist, anders als sein Vorgänger, kein altgedienter Politkader, er ist ein Neuling im Staatsapparat. Bislang war er Präsident der Pekinger Tsinghua-Universität. Am Tag nach der Veröffentlichung von „Unterm Firmament“ hatte er der Filmerin Chai Jing eine Glückwunsch-SMS geschickt. Beobachter spekulierten sogar, ob sein Amt die Produktion des Films heimlich unterstützt hatte. Als Chen dann aber zu seiner Pressekonferenz beim Nationalen Volkskongress antrat, da hatte die Zensur schon zugeschlagen. Der neue Umweltminister schaffte es, eine Stunde lang den Film – zu dem Zeitpunkt noch immer Gesprächsthema Nummer eins in China – mit keinem Wort zu erwähnen.
Da steckte Chen Jining also schon mittendrin in einem Apparat, der sich tatsächlich Reformen wünscht, weil er den Unmut des Volkes spürt, der aber gleichzeitig aus Furcht vor Kontrollverlust die Freiräume für Gesellschaft und Bürger einengt. Der Apparat hat soeben erst ein neues Umweltgesetz verabschiedet. Die Gesetzgebung wird überhaupt seit Jahren schon als vorbildlich gelobt. Doch der Apparat selbst hat seine eigenen Gesetze bislang ignoriert. Das neue Gesetz ermutigt nun „gesellschaftliche Organisationen“ ausdrücklich, Umweltverschmutzer vor Gericht zu bringen, gleichzeitig nehmen aber die Repressalien gegen regierungsunabhängige Organisation ständig zu.
Die vergangene Woche war wieder eine Woche der widersprüchlichen Signale. Premier Li Keqiang versprach eine Umkehr bei der Kohlepolitik: China verbraucht im Moment so viel Kohle wie der Rest der Welt zusammen, die Emissionen sind Hauptverursacher von Smog und Klimagasen. Tatsächlich scheint der Kohleverbrauch in diesem Jahr erstmals seit 15 Jahren gesunken zu sein. Wind- und Solarenergie sollen auf Rekordkapazitäten ausgebaut werden: bis zum Jahr 2020 sollen es 200 Gigawatt beim Wind (heute 95), und 100 bei der Sonne sein (heute 26). Der neue Umweltminister wandte sich sogar mit einem Appell direkt ans Volk: „Seid nicht bloß Beobachter“, sagte er am vergangenen Samstag. Als aber am Tag darauf zwei Bürger in Xi’an mit selbstgemalten Schildern demonstrierten („Smog verursacht Krebs“ und „Die Regierung muss den Smog beseitigen“), da wurden sie sofort von der Polizei festgenommen und über Nacht festgehalten.
„Chinas linker Fuß will nach Norden, Chinas rechter Fuß will nach Süden“, so beschrieb diese Woche die Bürgerrechtlerin Cao Yaxue die Widersprüche. „Und beide Füße haben dasselbe Ziel: die Bewahrung der Einparteien-Herrschaft der KP.“