Robert Durst ist nicht zu sehen, er hat sich gerade auf die Toilette verabschiedet. Seine tiefe, dumpf blubbernde Stimme ist jedoch zu hören, weil das Mikrofon an seinem Hemd noch immer eingeschaltet ist: „Jetzt haben sie dich erwischt. Was für eine Katastrophe. Was zur Hölle habe ich gemacht? Sie alle getötet, natürlich.“ Der amerikanische Multimillionär Durst könnte damit gleich mehrere Morde gestanden haben. Das jedenfalls suggeriert die sechsteilige Dokumentation „The Jinx: The Life and Deaths of Robert Durst“, deren letzte Folge am Sonntag vom Bezahlsender HBO ausgestrahlt wurde. Durst wurde am Samstag in einem Hotel in New Orleans festgenommen, er soll nun nach Los Angeles überstellt werden.
Robert Durst hat mit seiner reichen Familie gebrochen. Sein Bruder sagt über ihn: "Er ist ein Psychopath ohne jegliche Emotionen".
Die Geschichte klingt zunächst einmal recht verständlich: Da hat einer während eines Interviews nicht aufgepasst, er hat sich verraten und sitzt nun im Gefängnis. Durst wird verdächtigt, im Jahr 1982 seine Ehefrau Kathleen ermordet zu haben, sie gilt immer noch als verschwunden. 18 Jahre später soll er seine Vertraute Susan Berman erschossen haben. Im Jahr 2001 hat er seinen Nachbarn Morris Black getötet und später zerstückelt – dass es wirklich Notwehr war, wie er damals glauben machen konnte, wird nun bezweifelt. Die Ermittler in Los Angeles haben Durst, 71, mittlerweile angeklagt wegen Mordes an Berman und anderer Delikte wie Waffenbesitz und Falschaussage. Bei einer Verurteilung droht ihm in Kalifornien die Todesstrafe.
Wer sich jedoch ein wenig intensiver mit dem Leben dieses Menschen, mit der Entstehung der TV-Dokumentation und Gerichtsakten vergangener Fälle beschäftigt, der muss aufpassen, keinen Gordischen Knoten im Kopf zu bekommen. Was da in den vergangenen 35 Jahren passiert ist, das ist derart irre, dass die Frage erlaubt sein muss, was das für ein Planet ist, auf dem wir leben. Und was für ein Mensch dieser Robert Durst eigentlich ist.
Wenn reiche Leute groteske Sachen anstellen, dann gelten sie erst einmal nicht als verrückt, sondern als exzentrisch. Wenn sich etwa einer wie Durst als Frau verkleidet und so tut, als wäre er eine stumme Botanikerin. Wenn er in die Mülleimer seiner Kollegen uriniert und beim Diebstahl eines Sandwiches erwischt wird, obwohl er 500 Dollar in bar einstecken hat. Solche Sachen eben, mit denen man durchkommt, wenn sich das Familienvermögen laut Forbes auf 4,4 Milliarden US-Dollar beläuft.
Robert war das älteste von vier Kindern des Immobilien-Tycoons Seymour Durst, der einst an seinem Bürogebäude in der Sixth Avenue in Manhattan eine Uhr mit dem Schuldenstand der USA anbringen ließ. Im Alter von acht Jahren sah Robert, wie seine Mutter Bernice vom Dach der Familienresidenz fiel – bis heute ist nicht geklärt, ob sie wirklich fiel oder sich gestürzt hatte. „Das habe ich nie vergessen können, das hat mich immer verfolgt“, sagt Robert Durst in der TV-Dokumentation.
Nach dem Uni-Abschluss arbeitete er im Unternehmen des Vaters. Er fiel dort nicht nur durch Zu-Spät-Kommen, Selbstgespräche und einen Schraubenschlüssel auf dem Schreibtisch auf, sondern auch durch das Umleiten von Firmengeld auf sein privates Konto. Sein Bruder Douglas sagte in einem Interview: „Aus Familiensicht war es einfach nur bizarr, weil sie ihm das Geld doch einfach gegeben hätten.“
Bizarr war auch, dass sich Robert im Jahr 1981 sieben Hunde zulegte, die er allesamt Igor nannte und die innerhalb eines halben Jahres auf mysteriöse Weise verschwanden. „Wir wissen nicht, wie sie starben und was mit ihren Leichen passierte“, sagt Douglas. „Rückblickend glaube ich jedoch, dass er an ihnen übte, wie er seine Frau umbringen und entsorgen konnte.“ Kathleen Durst verschwand im Januar 1982 nach einem Streit und tauchte nicht mehr auf. Robert galt als verdächtig, wurde jedoch nie angeklagt.
Im Jahr 1994 kam es zum Bruch mit der Familie, weil sein Vater nicht ihm, sondern Douglas die Leitung der Durst-Organisation übertragen hatte. Ausschlaggebend dafür soll gewesen sein, dass Robert wiederholt in die Mülleimer seiner Mitarbeiter uriniert hatte. „Ich habe keinen Zweifel daran, dass er mich umbringen würde, wenn er die Gelegenheit dazu hätte“, sagt Douglas über seinen Bruder. „Er ist ein Psychopath ohne jegliche Emotionen. Deshalb macht er diese Dinge, damit er stellvertretend die Emotionen empfinden kann.“
Mit dem Mord an Susan Berman im Jahr 2000, so wird vermutet, könnte Durst versucht haben, sich vor einer Belastung im Fall seiner Frau Kathleen McCormack zu schützen. Berman sollte von der New Yorker Polizei zum Verschwinden von Dursts Frau befragt werden, wurde jedoch wenige Tage nach der Ankündigung des Verhörs erschossen in ihrem Haus in Los Angeles gefunden. Durst galt als Verdächtiger, konnte jedoch scheinbar nachweisen, in jener Woche nicht in L.A. gewesen zu sein. Durch die TV-Doku kam nun heraus: Er könnte damals sehr wohl in Kalifornien gewesen sein. Die Indizien dafür präsentierte Filmemacher Andrew Jarecki in der vorletzten Episode der Serie.
Es geht noch weiter: Nicht einmal ein Jahr nach Bermans Tod wurde der Rumpf von Morris Black in einem Fluss entdeckt, später fand die Polizei Arme und Beine in einer Mülltüte im gleichen Fluss. Robert Durst gestand, seinen damaligen Nachbarn getötet und zerstückelt zu haben – jedoch aus Notwehr und nach dem Genuss von reichlich Whisky. Durst gab sich zu dieser Zeit als stumme Botanikerin aus, die in einer 300-Dollar-Wohnung im texanischen Galveston wohnte. Gefasst wurde er während seiner Flucht durch die USA, weil er – obwohl er 500 Dollar in bar bei sich hatte – ein Sandwich und Pflaster geklaut hatte. Sein Anwalt Mike Ramsey sagte damals laut Gerichtsakten, dass sein Mandant in Panik gehandelt habe: „Sein Freund ist tot, er liegt auf dem Boden einer Wohnung, die ein Milliardär gemietet hat, der sich als Frau kleidet. Wer würde diese Geschichte glauben?“ Die Geschworenen glaubten es. Sie sprachen Durst tatsächlich frei.
Nun also gibt es das gemurmelte Geständnis während der Interviewpause, das laut Rechtsexperten vor Gericht zugelassen werden dürfte, weil Durst einer Veröffentlichung all seiner TV-Aussagen zugestimmt hatte. Dazu kommt neues Beweismaterial, das Jarecki der Polizei übergeben hat: ein Umschlag mit der Handschrift von Durst, die eklatante Ähnlichkeit hat mit jener eines anonymen Briefs, der 2000 auf Bermans Leiche hinwies. Bei beiden Schriftstücken ist zudem „Beverly Hills“ falsch geschrieben: „Beverley Hills“.
Offiziell heißt es, der Zeitpunkt der Verhaftung habe nichts mit der Ausstrahlung der Doku zu tun. Aus dem Umfeld der Polizei von L.A. ist aber zu hören, dass sehr wohl ein Zusammenhang bestehe, weil Durst seine Flucht geplant haben soll, nachdem er die vorletzte Folge gesehen hatte.
Hat da also ein mutiger Dokumentarfilmer für televisuelle Gerechtigkeit gesorgt? Nun, ganz so einfach ist es nicht. Jarecki hatte im Jahr 2010 den fiktiven Film „All Good Things“ gedreht, mit Ryan Gosling als Hauptfigur, die an Durst erinnert. Daraufhin nahm Durst Kontakt zu Jarecki auf und schlug ihm eine Dokumentation vor. Nun gibt es eine Debatte über den Zeitpunkt der Interviews und wann Jarecki die Polizei über das vermeintliche Geständnis und andere Beweise informiert hat. In einem Interview mit der New York Times am Montag gab sich der Regisseur unsicher. Seitdem beantwortet er Gesprächsanfragen mit Absagen, unter Verweis auf die laufenden Ermittlungen.
Durst dürfte sich nun vor Gericht verantworten müssen. Er könnte jedoch, darauf verweisen Rechtsexperten, durchaus erklären, dass seine Aussage auf der Toilette nur ein Witz, ein sarkastisches Selbstgespräch oder ein gestresster Ausruf gewesen sei und deshalb nicht als Geständnis gewertet werden könne. Sein Anwalt Chip Lewis jedenfalls sagte bereits: „Ich bin von diesen Entwicklungen nicht gerade überwältigt. Wir werden die Fakten im Gerichtssaal präsentieren.“ Diese groteske Geschichte, sie ist noch lange nicht vorbei. Schon die Auslieferung nach L.A. verzögert sich, weil es in Louisiana auch noch Anklagen gegen Durst gibt. Wegen des Besitzes einer Pistole und von Marihuana.
Robert Durst hat mit seiner reichen Familie gebrochen. Sein Bruder sagt über ihn: "Er ist ein Psychopath ohne jegliche Emotionen".
Die Geschichte klingt zunächst einmal recht verständlich: Da hat einer während eines Interviews nicht aufgepasst, er hat sich verraten und sitzt nun im Gefängnis. Durst wird verdächtigt, im Jahr 1982 seine Ehefrau Kathleen ermordet zu haben, sie gilt immer noch als verschwunden. 18 Jahre später soll er seine Vertraute Susan Berman erschossen haben. Im Jahr 2001 hat er seinen Nachbarn Morris Black getötet und später zerstückelt – dass es wirklich Notwehr war, wie er damals glauben machen konnte, wird nun bezweifelt. Die Ermittler in Los Angeles haben Durst, 71, mittlerweile angeklagt wegen Mordes an Berman und anderer Delikte wie Waffenbesitz und Falschaussage. Bei einer Verurteilung droht ihm in Kalifornien die Todesstrafe.
Wer sich jedoch ein wenig intensiver mit dem Leben dieses Menschen, mit der Entstehung der TV-Dokumentation und Gerichtsakten vergangener Fälle beschäftigt, der muss aufpassen, keinen Gordischen Knoten im Kopf zu bekommen. Was da in den vergangenen 35 Jahren passiert ist, das ist derart irre, dass die Frage erlaubt sein muss, was das für ein Planet ist, auf dem wir leben. Und was für ein Mensch dieser Robert Durst eigentlich ist.
Wenn reiche Leute groteske Sachen anstellen, dann gelten sie erst einmal nicht als verrückt, sondern als exzentrisch. Wenn sich etwa einer wie Durst als Frau verkleidet und so tut, als wäre er eine stumme Botanikerin. Wenn er in die Mülleimer seiner Kollegen uriniert und beim Diebstahl eines Sandwiches erwischt wird, obwohl er 500 Dollar in bar einstecken hat. Solche Sachen eben, mit denen man durchkommt, wenn sich das Familienvermögen laut Forbes auf 4,4 Milliarden US-Dollar beläuft.
Robert war das älteste von vier Kindern des Immobilien-Tycoons Seymour Durst, der einst an seinem Bürogebäude in der Sixth Avenue in Manhattan eine Uhr mit dem Schuldenstand der USA anbringen ließ. Im Alter von acht Jahren sah Robert, wie seine Mutter Bernice vom Dach der Familienresidenz fiel – bis heute ist nicht geklärt, ob sie wirklich fiel oder sich gestürzt hatte. „Das habe ich nie vergessen können, das hat mich immer verfolgt“, sagt Robert Durst in der TV-Dokumentation.
Nach dem Uni-Abschluss arbeitete er im Unternehmen des Vaters. Er fiel dort nicht nur durch Zu-Spät-Kommen, Selbstgespräche und einen Schraubenschlüssel auf dem Schreibtisch auf, sondern auch durch das Umleiten von Firmengeld auf sein privates Konto. Sein Bruder Douglas sagte in einem Interview: „Aus Familiensicht war es einfach nur bizarr, weil sie ihm das Geld doch einfach gegeben hätten.“
Bizarr war auch, dass sich Robert im Jahr 1981 sieben Hunde zulegte, die er allesamt Igor nannte und die innerhalb eines halben Jahres auf mysteriöse Weise verschwanden. „Wir wissen nicht, wie sie starben und was mit ihren Leichen passierte“, sagt Douglas. „Rückblickend glaube ich jedoch, dass er an ihnen übte, wie er seine Frau umbringen und entsorgen konnte.“ Kathleen Durst verschwand im Januar 1982 nach einem Streit und tauchte nicht mehr auf. Robert galt als verdächtig, wurde jedoch nie angeklagt.
Im Jahr 1994 kam es zum Bruch mit der Familie, weil sein Vater nicht ihm, sondern Douglas die Leitung der Durst-Organisation übertragen hatte. Ausschlaggebend dafür soll gewesen sein, dass Robert wiederholt in die Mülleimer seiner Mitarbeiter uriniert hatte. „Ich habe keinen Zweifel daran, dass er mich umbringen würde, wenn er die Gelegenheit dazu hätte“, sagt Douglas über seinen Bruder. „Er ist ein Psychopath ohne jegliche Emotionen. Deshalb macht er diese Dinge, damit er stellvertretend die Emotionen empfinden kann.“
Mit dem Mord an Susan Berman im Jahr 2000, so wird vermutet, könnte Durst versucht haben, sich vor einer Belastung im Fall seiner Frau Kathleen McCormack zu schützen. Berman sollte von der New Yorker Polizei zum Verschwinden von Dursts Frau befragt werden, wurde jedoch wenige Tage nach der Ankündigung des Verhörs erschossen in ihrem Haus in Los Angeles gefunden. Durst galt als Verdächtiger, konnte jedoch scheinbar nachweisen, in jener Woche nicht in L.A. gewesen zu sein. Durch die TV-Doku kam nun heraus: Er könnte damals sehr wohl in Kalifornien gewesen sein. Die Indizien dafür präsentierte Filmemacher Andrew Jarecki in der vorletzten Episode der Serie.
Es geht noch weiter: Nicht einmal ein Jahr nach Bermans Tod wurde der Rumpf von Morris Black in einem Fluss entdeckt, später fand die Polizei Arme und Beine in einer Mülltüte im gleichen Fluss. Robert Durst gestand, seinen damaligen Nachbarn getötet und zerstückelt zu haben – jedoch aus Notwehr und nach dem Genuss von reichlich Whisky. Durst gab sich zu dieser Zeit als stumme Botanikerin aus, die in einer 300-Dollar-Wohnung im texanischen Galveston wohnte. Gefasst wurde er während seiner Flucht durch die USA, weil er – obwohl er 500 Dollar in bar bei sich hatte – ein Sandwich und Pflaster geklaut hatte. Sein Anwalt Mike Ramsey sagte damals laut Gerichtsakten, dass sein Mandant in Panik gehandelt habe: „Sein Freund ist tot, er liegt auf dem Boden einer Wohnung, die ein Milliardär gemietet hat, der sich als Frau kleidet. Wer würde diese Geschichte glauben?“ Die Geschworenen glaubten es. Sie sprachen Durst tatsächlich frei.
Nun also gibt es das gemurmelte Geständnis während der Interviewpause, das laut Rechtsexperten vor Gericht zugelassen werden dürfte, weil Durst einer Veröffentlichung all seiner TV-Aussagen zugestimmt hatte. Dazu kommt neues Beweismaterial, das Jarecki der Polizei übergeben hat: ein Umschlag mit der Handschrift von Durst, die eklatante Ähnlichkeit hat mit jener eines anonymen Briefs, der 2000 auf Bermans Leiche hinwies. Bei beiden Schriftstücken ist zudem „Beverly Hills“ falsch geschrieben: „Beverley Hills“.
Offiziell heißt es, der Zeitpunkt der Verhaftung habe nichts mit der Ausstrahlung der Doku zu tun. Aus dem Umfeld der Polizei von L.A. ist aber zu hören, dass sehr wohl ein Zusammenhang bestehe, weil Durst seine Flucht geplant haben soll, nachdem er die vorletzte Folge gesehen hatte.
Hat da also ein mutiger Dokumentarfilmer für televisuelle Gerechtigkeit gesorgt? Nun, ganz so einfach ist es nicht. Jarecki hatte im Jahr 2010 den fiktiven Film „All Good Things“ gedreht, mit Ryan Gosling als Hauptfigur, die an Durst erinnert. Daraufhin nahm Durst Kontakt zu Jarecki auf und schlug ihm eine Dokumentation vor. Nun gibt es eine Debatte über den Zeitpunkt der Interviews und wann Jarecki die Polizei über das vermeintliche Geständnis und andere Beweise informiert hat. In einem Interview mit der New York Times am Montag gab sich der Regisseur unsicher. Seitdem beantwortet er Gesprächsanfragen mit Absagen, unter Verweis auf die laufenden Ermittlungen.
Durst dürfte sich nun vor Gericht verantworten müssen. Er könnte jedoch, darauf verweisen Rechtsexperten, durchaus erklären, dass seine Aussage auf der Toilette nur ein Witz, ein sarkastisches Selbstgespräch oder ein gestresster Ausruf gewesen sei und deshalb nicht als Geständnis gewertet werden könne. Sein Anwalt Chip Lewis jedenfalls sagte bereits: „Ich bin von diesen Entwicklungen nicht gerade überwältigt. Wir werden die Fakten im Gerichtssaal präsentieren.“ Diese groteske Geschichte, sie ist noch lange nicht vorbei. Schon die Auslieferung nach L.A. verzögert sich, weil es in Louisiana auch noch Anklagen gegen Durst gibt. Wegen des Besitzes einer Pistole und von Marihuana.