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Landpartie

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So locker hat man Ulrich Homburg schon lang nicht mehr gesehen. Eben noch ist der Personenverkehrsvorstand der Deutschen Bahn vom Aufsichtsrat gegrillt worden. Nach Wochen harter Arbeit hatte er den Kontrolleuren sein Konzept präsentiert, wie er den Fernverkehr revolutionieren will. Und tatsächlich scheinen seine Ideen angekommen zu sein. Sichtlich erleichtert und mit federndem Schritt tritt Homburg danach vor die Journalisten, reibt sich kurz die Hände – um dann fröhlich zu verkünden: „Ich freue mich, Ihnen die größte Kundenoffensive in der Geschichte des Fernverkehrs der Deutschen Bahn zu präsentieren.“ Die SZ beantwortet die wichtigsten Fragen.



ICE im Bahnhof von Frankfurt am Main: Was in den Metropolen gang und gäbe ist, soll künftig auch in kleineren Städten der Bundesrepublik normal werden.

Was sind die größten Veränderungen?

Die Bahn wird ihr Angebot im Fernverkehr deutlich ausbauen. Züge sollen nicht nur häufiger fahren als bislang, sondern auch mehr Städte anfahren. Bis 2030 soll die Gesamtzahl der gefahrenen Kilometer um 25Prozent zunehmen. Damit will die Bahn 50 Millionen neue Fahrgäste pro Jahr für den Fernverkehr gewinnen. Derzeit sind es knapp 130 Millionen jährlich.

Welche Städte profitieren?

Sowohl große als auch kleine, allerdings auf unterschiedliche Art. Sind in der Vergangenheit immer mehr kleinere Städte schrittweise vom Fernverkehr abgehängt worden, weil es sich für die Bahn angeblich nicht mehr rentierte, dort zu halten, so dreht sie diesen Trend jetzt gewissermaßen um. Künftig soll in nahezu allen Städten mit mehr als 100000 Einwohnern mindestens alle zwei Stunden ein Fernzug halten. Dadurch erhalten etwa fünf Millionen Menschen, die bislang keinen Zugang hatten, eine Anbindung an den Fernverkehr. Komplett neu ins Fernnetz aufgenommen werden zehn Städte, darunter Krefeld, Fürth, Trier oder auch Heilbronn. Häufiger angefahren als bislang werden Städte wie Bremen, Nürnberg, Würzburg, Münster oder Stuttgart. Durch dieses neue Konzept entstehen 190 zusätzliche Direktverbindungen aus kleineren Städten in die 50 größten Städte Deutschlands. Homburg ist davon überzeugt, dass allein dieser Umstand der Bahn schon viele neue Kunden bescheren wird. Denn es sei klar erkennbar: „Wenn es zwischen zwei Städten eine Direkt- und eine Umsteigeverbindung gibt, dann entscheiden sich doppelt so viele Fahrgäste für die Direktverbindung.“


Wie profitieren die großen Städte?

Die Bahn will die großen Städte auf den Hauptachsen künftig deutlich besser bedienen als bislang. Fuhren ICE-Züge in der Vergangenheit meist im Stundentakt, so sollen sie auf den stark frequentierten Strecken in Zukunft zweimal pro Stunde fahren. „Das ist dann quasi wie eine große ICE-S-Bahn zwischen den Metropolen“, sagt Homburg. Einen Zug zu verpassen, ist dann auch nicht mehr so tragisch, denn der nächste kommt ja relativ schnell.

Wieso kann die Bahn das Fernverkehrsnetz auf einmal ausweiten?

Anders als den Nahverkehr, der von den Ländern bestellt wird, fährt die Bahn im Fernverkehr auf eigene Rechnung. Das heißt: Jede Verbindung muss sich lohnen. Steigen an einem Halt zu wenig Fahrgäste ein oder aus, besteht daher die reelle Chance, dass die Bahn ihn nicht mehr anfährt. Aus diesem Grund haben viele Städte in den vergangenen Jahren den Anschluss an den Fernverkehr verloren. Dass die Bahn einige davon nun wieder anfahren will, ja, dass sie glaubt, dass sich das sogar lohnen könnte, liegt an dem neuen Konzept. Künftig will sie ihre teuren ICE-Züge nur auf stark frequentierten Strecken einsetzen – und das flache Land dafür mit IC-Zügen anfahren, etwa mit den neuen Doppelstockzügen, die Ende des Jahres in Betrieb gehen. Sie sind nicht nur in der Anschaffung deutlich billiger als ein ICE, sondern auch im Betrieb. Damit kann die Bahn die Tickets für diese Züge günstiger anbieten als die für einen ICE. Das wiederum soll den Kunden in den kleineren Städten die Entscheidung erleichtern, sich in den Zug zu setzen, statt ins Auto oder in den Fernbus.

Was ist mit der Bahncard?

An den bisherigen Bahncards 25, 50 und 100 wird sich nichts verändern. Zusätzlich soll es jedoch von Herbst an eine Drei-Monats-Bahncard geben. „Wir glauben, das ist der richtige Schritt, um die Hürde zu senken für Kunden, die noch nicht genau wissen, wie oft sie fahren wollen“, sagt Homburg. Es wird sie in allen drei Kategorien geben, also als Bahncard 25, 50 und 100. Wie viel genau sie kosten soll, steht noch nicht fest. Sie werde jedoch sicher etwas teurer sein als ein Viertel des bisherigen Bahncard-Preises, sagt Homburg.

Was ändert sich bei Reservierungen?

Im Laufe des kommenden Jahres sollen Reservierungen in Fernzügen kostenlos möglich sein. „Der Kunde hat also das Recht, beim Kauf seines Tickets kostenlos gleich einen Platz zu reservieren“, sagt Homburg – und betont: „Das ist ein Recht, keine Pflicht.“ Kunden könnten auch weiterhin einfach fahren, wann sie wollen.

Wird es teurer?

Da kommt Homburg erstmals ein bisschen ins Drucksen. Immerhin will die Bahn bis 2030 zwölf Milliarden Euro für neue Züge und für die Modernisierung von alten Zügen ausgeben. Er versichert jedoch, dass man nicht vorhabe, jetzt die ICE-Tickets zu verteuern, nur weil man deutlich mehr billige IC-Tickets anbiete. Auch werde der Wegfall der Reservierungseinnahmen nicht eins zu eins auf den Ticketpreis aufgeschlagen. Aber natürlich wird die Bahn irgendwie auf ihre Kosten kommen müssen – erst recht, da sie künftig den billigsten Sparpreis auf 19 Euro senkt, anstatt bislang 29 Euro. Er kann sogar noch bis kurz vor Abfahrt des Zuges erhältlich sein.

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