Alle drei Monate bangt Zabih Noor, 19, um seine Zukunft. Um diese Frist verlängert die Münchner Ausländerbehörde dem jungen Mann aus Afghanistan seine Duldung. Ob es beim nächsten Mal klappt? „Ich hoffe es sehr, aber ich weiß es nie sicher.“ Für seinen Ausbilder ist Noor der perfekte Azubi: „Fleißig, pünktlich, talentiert“, sagt Florian Pfeiffer von der Münchner Innung der Spengler, Sanitär- und Heizungstechnik. Und doch ein Risiko für den Betrieb. Es gibt keine Garantie, dass Noor bis zum Abschluss in Deutschland bleiben darf. Vor fünf Jahren kam er an, allein, auf der Flucht vor Krieg und Perspektivlosigkeit. Nach mehreren Praktika erhielt er seine Lehrstelle.
Die Karriere eines Flüchtlngs beginnt oft in einer Werkstatt.
Viele junge Flüchtlinge wie Zabih Noor bringen neben handwerklichem Geschick auch große Motivation mit. Doch die deutsche Bürokratie legt ihnen auf dem Weg in die Arbeitswelt und in die Gesellschaft Paragrafen in den Weg. Nach geltendem Recht ist ein Ausbildungsvertrag für Flüchtlinge kein Garant dafür, hierbleiben zu dürfen. Stellt ein Betrieb sie ein, dann auf eigene Gefahr. Dabei sucht das Handwerk mit immer größerem Aufwand geeignete Bewerber. Im vergangenen Jahr waren zum Stichtag Ende September noch 12800 der bei der Bundesagentur für Arbeit registrierten Lehrstellen im Handwerk unbesetzt. Zugleich gab es 81000 Bewerber, die nur Absagen kassiert hatten.
„Natürlich bekommen wir Bewerbungen“, sagt Florian Pfeiffer von der Innung. „Aber nur wenige sind geeignet.“ Viele Betriebe würden deshalb gern auch Flüchtlinge ausbilden. Aber sie zögern, weil sie nicht wissen, ob sie ihre Azubis bis zum Ende der Lehre und danach behalten können.
Berlin diskutiert über den Fachkräftemangel bereits, voran geht es nicht. Das von SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann im Januar geforderte Einwanderungsgesetz spaltet die Union. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) ist dagegen, CDU-Generalsekretär Peter Tauber dafür. Der Entwurf zielt auf Fachkräfte, die fertig ausgebildet einwandern sollen. Was die Debatte außer Acht lässt: das Potenzial derjenigen, die bereits hier sind.
„Die Politik hat die Dringlichkeit unseres Problems noch nicht verstanden“, konstatiert Holger Schwannecke, Generalsekretär des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH). Aus seiner Sicht vergeudet die Koalition Chancen für den deutschen Arbeitsmarkt. Gemeinsam mit den Industrie- und Handelskammern fordert er ein 3+2-Modell: Flüchtlinge sollen während der dreijährigen Lehre ein Bleiberecht bekommen– und zwei Jahre darüber hinaus, damit sich ihre Ausbildung auch für den Arbeitgeber rentiert.
Junge Flüchtlinge bergen für das Handwerk auch deshalb großes Potenzial, weil sich immer weniger einheimische Jugendliche für eine Lehre entscheiden. Serkan Engin tourt für die Handwerkskammer München und Oberbayern durch die Schulen und versucht, Jugendliche für eine Lehre zu begeistern. Er sieht den Kern des Problems bei den Eltern: „Viele von ihnen wollen ihre Kinder auf Gymnasium und Hochschule sehen. Handwerk ist für sie etwas, bei dem man sich schmutzig macht.“ Bei Eltern, die hier eingewandert sind, gebe es noch eine andere Hürde, wie Engin aus eigener Erfahrung weiß. Er stammt aus einer türkischen Familie und sagt: „In vielen südlichen Ländern ist das Handwerk ein Hobby, dem man nachgeht, wenn es was zu tun gibt.“ Flüchtlinge punkten deshalb oft mit Vorerfahrungen – Zuwandererfamilien strebten jedoch nach „etwas Besserem“ für ihre Kinder. „Wir müssen den Eltern klarmachen, dass das Handwerk Karrierewege eröffnet.“
Um die Bedeutung der Eltern weiß auch Heinrich Alt, Vize der Bundesagentur für Arbeit (BA). „Jugendliche brechen die Lehre deutlich seltener ab, wenn ihre Eltern sich in den Betrieben selbst ein Bild machen können“, sagt Alt. Die BA hat die Woche der Ausbildung ausgerufen, ihr Motto „Die Auszubildenden von heute sind die Fachkräfte von morgen“ soll bei Eltern und Jugendlichen werben und den Trend zum Studium verlangsamen. Für umkehrbar halten ihn weder Alt noch ZDH-Generalsekretär Schwannecke. Der sagt: „Wir haben die Imagebildung zu lange schleifen lassen.“
Diese Versäumnisse spüren die Branchen bereits. Sie alle werben um Nachwuchs – und legen dabei immer mehr Wert auf Begeisterung und handwerkliches Können als auf Zeugnisse. Viele Lehrstellen stehen Jugendlichen auch ohne Schulabschluss offen – und damit vielen Flüchtlingen. Im Bäckerhandwerk zum Beispiel: Viel wichtiger als Schulnoten sind dort ein Gesundheitszeugnis und die Bereitschaft, nachts aufzustehen. Oder Raumausstatter: Sie brauchen Kreativität und Stilempfinden; Fähigkeiten, die ein Schulabschluss keinem Bewerber garantiert. Wer sich eignet, das erkennen Betriebe durch Praktika. So auch bei Zabih Noor, dem Afghanen. Sein Ausbilder Pfeiffer sagt: „Motivierte Lehrlinge, die wie Zabih ein Ziel vor Augen haben, sind uns die Allerliebsten. Genau solche Bewerber suchen wir.“
Ein Ziel vor Augen haben auch die Schüler der Flüchtlingsklasse der Münchner Berufsschule zur Berufsvorbereitung. Auf der Internationalen Handwerksmesse vergangene Woche probierten sie sich in Berufen, legten Fliesen, wechselten Reifen. Und vereinbarten Praktika. Sie kamen aus Somalia, Afghanistan, Sierra Leone, Benin. In Deutschland wollen sie sich eine Zukunft aufbauen – und könnten dabei die Nachwuchssorgen im Handwerk lösen.
Zabih Noor versteht deren Elan. Seine Freunde nennen ihn einen Streber, erzählt er, „weil ich so gut Deutsch spreche und so viel für die Schule lerne. Aber ich habe meinen Weg gewählt, und jetzt will ich ihn gehen.“ Ob Noor sein Ziel erreicht, liegt in der Hand der Behörden. Alle drei Monate aufs Neue.
Die Karriere eines Flüchtlngs beginnt oft in einer Werkstatt.
Viele junge Flüchtlinge wie Zabih Noor bringen neben handwerklichem Geschick auch große Motivation mit. Doch die deutsche Bürokratie legt ihnen auf dem Weg in die Arbeitswelt und in die Gesellschaft Paragrafen in den Weg. Nach geltendem Recht ist ein Ausbildungsvertrag für Flüchtlinge kein Garant dafür, hierbleiben zu dürfen. Stellt ein Betrieb sie ein, dann auf eigene Gefahr. Dabei sucht das Handwerk mit immer größerem Aufwand geeignete Bewerber. Im vergangenen Jahr waren zum Stichtag Ende September noch 12800 der bei der Bundesagentur für Arbeit registrierten Lehrstellen im Handwerk unbesetzt. Zugleich gab es 81000 Bewerber, die nur Absagen kassiert hatten.
„Natürlich bekommen wir Bewerbungen“, sagt Florian Pfeiffer von der Innung. „Aber nur wenige sind geeignet.“ Viele Betriebe würden deshalb gern auch Flüchtlinge ausbilden. Aber sie zögern, weil sie nicht wissen, ob sie ihre Azubis bis zum Ende der Lehre und danach behalten können.
Berlin diskutiert über den Fachkräftemangel bereits, voran geht es nicht. Das von SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann im Januar geforderte Einwanderungsgesetz spaltet die Union. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) ist dagegen, CDU-Generalsekretär Peter Tauber dafür. Der Entwurf zielt auf Fachkräfte, die fertig ausgebildet einwandern sollen. Was die Debatte außer Acht lässt: das Potenzial derjenigen, die bereits hier sind.
„Die Politik hat die Dringlichkeit unseres Problems noch nicht verstanden“, konstatiert Holger Schwannecke, Generalsekretär des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH). Aus seiner Sicht vergeudet die Koalition Chancen für den deutschen Arbeitsmarkt. Gemeinsam mit den Industrie- und Handelskammern fordert er ein 3+2-Modell: Flüchtlinge sollen während der dreijährigen Lehre ein Bleiberecht bekommen– und zwei Jahre darüber hinaus, damit sich ihre Ausbildung auch für den Arbeitgeber rentiert.
Junge Flüchtlinge bergen für das Handwerk auch deshalb großes Potenzial, weil sich immer weniger einheimische Jugendliche für eine Lehre entscheiden. Serkan Engin tourt für die Handwerkskammer München und Oberbayern durch die Schulen und versucht, Jugendliche für eine Lehre zu begeistern. Er sieht den Kern des Problems bei den Eltern: „Viele von ihnen wollen ihre Kinder auf Gymnasium und Hochschule sehen. Handwerk ist für sie etwas, bei dem man sich schmutzig macht.“ Bei Eltern, die hier eingewandert sind, gebe es noch eine andere Hürde, wie Engin aus eigener Erfahrung weiß. Er stammt aus einer türkischen Familie und sagt: „In vielen südlichen Ländern ist das Handwerk ein Hobby, dem man nachgeht, wenn es was zu tun gibt.“ Flüchtlinge punkten deshalb oft mit Vorerfahrungen – Zuwandererfamilien strebten jedoch nach „etwas Besserem“ für ihre Kinder. „Wir müssen den Eltern klarmachen, dass das Handwerk Karrierewege eröffnet.“
Um die Bedeutung der Eltern weiß auch Heinrich Alt, Vize der Bundesagentur für Arbeit (BA). „Jugendliche brechen die Lehre deutlich seltener ab, wenn ihre Eltern sich in den Betrieben selbst ein Bild machen können“, sagt Alt. Die BA hat die Woche der Ausbildung ausgerufen, ihr Motto „Die Auszubildenden von heute sind die Fachkräfte von morgen“ soll bei Eltern und Jugendlichen werben und den Trend zum Studium verlangsamen. Für umkehrbar halten ihn weder Alt noch ZDH-Generalsekretär Schwannecke. Der sagt: „Wir haben die Imagebildung zu lange schleifen lassen.“
Diese Versäumnisse spüren die Branchen bereits. Sie alle werben um Nachwuchs – und legen dabei immer mehr Wert auf Begeisterung und handwerkliches Können als auf Zeugnisse. Viele Lehrstellen stehen Jugendlichen auch ohne Schulabschluss offen – und damit vielen Flüchtlingen. Im Bäckerhandwerk zum Beispiel: Viel wichtiger als Schulnoten sind dort ein Gesundheitszeugnis und die Bereitschaft, nachts aufzustehen. Oder Raumausstatter: Sie brauchen Kreativität und Stilempfinden; Fähigkeiten, die ein Schulabschluss keinem Bewerber garantiert. Wer sich eignet, das erkennen Betriebe durch Praktika. So auch bei Zabih Noor, dem Afghanen. Sein Ausbilder Pfeiffer sagt: „Motivierte Lehrlinge, die wie Zabih ein Ziel vor Augen haben, sind uns die Allerliebsten. Genau solche Bewerber suchen wir.“
Ein Ziel vor Augen haben auch die Schüler der Flüchtlingsklasse der Münchner Berufsschule zur Berufsvorbereitung. Auf der Internationalen Handwerksmesse vergangene Woche probierten sie sich in Berufen, legten Fliesen, wechselten Reifen. Und vereinbarten Praktika. Sie kamen aus Somalia, Afghanistan, Sierra Leone, Benin. In Deutschland wollen sie sich eine Zukunft aufbauen – und könnten dabei die Nachwuchssorgen im Handwerk lösen.
Zabih Noor versteht deren Elan. Seine Freunde nennen ihn einen Streber, erzählt er, „weil ich so gut Deutsch spreche und so viel für die Schule lerne. Aber ich habe meinen Weg gewählt, und jetzt will ich ihn gehen.“ Ob Noor sein Ziel erreicht, liegt in der Hand der Behörden. Alle drei Monate aufs Neue.