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Ein gutes Stück Arbeit

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Es wird der nächste schwere Brocken, den die Familienministerin stemmen will. Und wie schon bei der Frauenquote gibt es Leute, die Manuela Schwesig prophezeien, sie werde sich einen Bruch heben. Noch in diesem Jahr will die Sozialdemokratin ein Gesetz auf den Weg bringen, das zu einer gerechteren Bezahlung von Frauen und Männern führt. „Eine moderne Wirtschaft braucht die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern. Frauen müssen darauf vertrauen können, dass sie fair bezahlt werden“, sagte Schwesig am Donnerstag, dem Tag vor dem Equal Pay Day, bei einem Besuch der Berliner Wasserbetriebe. In dem Unternehmen sind 41 Prozent der Spitzenjobs mit Frauen besetzt, auch hat es sich einem Prüfprogramm unterzogen, das Lohnungerechtigkeiten aufspüren kann. Das Ergebnis: Es gibt keine Geschlechterdiskriminierung durch das Unternehmen – wohl aber durch Tarifverträge.



Lohngleichheit ist das nächste Projekt von Manuela Schwesig (SPD).

Ganze 22 Prozent verdienen Frauen in Deutschland im Schnitt weniger als Männer. 15 Prozentpunkte der Lohnlücke entstehen Studien zufolge, weil Frauen seltener Führungsposten innehaben oder in schlecht bezahlten Branchen arbeiten. Die übrigen sieben Prozentpunkte gehen schlicht auf Diskriminierung zurück. Die Lohnlücke zwischen den Geschlechtern sei „nicht zu akzeptieren“, heißt es im Koalitionsvertrag. Union und SPD haben sich darin auf ein Entgeltgleichheitsgesetz verständigt, wonach gleichwertige Arbeit gleich entlohnt wird. Arbeitnehmer sollen einen „individuellen Auskunftsanspruch“ bekommen, warum sie wie viel verdienen im Betrieb. So sollen Unternehmen eine transparentere Bezahlkultur entwickeln, aber auch nachvollziehbare Kriterien, wie eine Tätigkeit gerecht zu bewerten ist.

Erwartungsgemäß haben Arbeitgeber bereits ihre Bedenken angemeldet: Es drohe ein Berg unnützer Berichtspflichten. Auch aus der Union kündigt sich Widerstand an: Nach der Frauenquote wolle man Firmen nicht ohne Not weiter gängeln. Zudem sei unklar, wie Geschlechtergerechtigkeit überhaupt überprüft werden könne.

Zum Equal Pay Day an diesem Freitag, also dem Tag, bis zu dem Frauen im Arbeitsjahr unbezahlt arbeiten im Vergleich zu Männern, wird Familienministerin Schwesig am Brandenburger Tor die Schließung der Lohnlücke einfordern. Vom Entgeltgleichheitsgesetz, das ihr Ministerium erarbeitet, sind zwar noch nicht einmal Umrisse zu erkennen. Schwesig hält das nicht davon ab, das Feld zu bestellen, auch ideologisch. Nach den Erfahrungen mit der Frauenquote, die auf enormen Widerstand stieß, auch weil sie im Vorfeld nicht gut abgestimmt war, will die Ministerin diesmal mit allen Seiten ausgiebig geredet haben, bevor ihr Gesetzentwurf in die politischen Mühlen gerät.

Am Donnerstag also besuchte Schwesig einen Betrieb, der den Beweis bereits angetreten haben will, dass es geht. Die Berliner Wasserbetriebe haben nicht nur überdurchschnittlich viele Frauen in Führungspositionen befördert, sondern auch einen Entgeltgleichheitstest der Hans-Böckler-Stiftung durchgeführt. Der „eg-check“ wertet aus, ob die tarifliche und betriebliche Bezahlpraxis frei von Diskriminierung ist. Sind Jobanforderungen geschlechtsneutral? Worauf basiert die fachliche Bewertung? Werden psychische Belastungen angemessen honoriert? Eine Kundenkorrespondentin, bei der andauernd das Telefon klingelt, wurde da mit einem Automatisierungstechniker verglichen. Sie braucht gute Nerven, er technische Kenntnisse. Der Test machte bei der Bezahlung keine Benachteiligung aus. „Einen Gender Pay Gap gibt es bei uns nicht“, sagte Kerstin Oster, Vorständin bei den Wasserbetrieben.

Ganz so einfach aber ist es nicht. Der Vergleich einer Küchenwirtschafterin mit einem Kanalfacharbeiter ergab, dass der Betrieb die beiden zwar korrekt bezahlt. Dennoch verdient er unangemessen mehr als sie. Weil es im Kanal müffelt und der Kanalfacharbeiter hart anpackt, bekommt er Erschwerniszulagen. Die Küchenkraft, die auch hart anpackt, bekommt keine. Dafür sei aber nicht das Unternehmen, sondern der Tarifvertrag verantwortlich, hieß es bei den Wasserbetrieben. Das klingt, als liege vor Manuela Schwesig noch ein gutes Stück Arbeit.

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