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Erlaubter Eingriff

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Bundestag stimmt dem Gesetz zur Beschneidung zu: Das Ende einer langen, öffentlichen und emotionalen Debatte.

Berlin - Religiös motivierte Beschneidungen von Jungen bleiben in Deutschland straffrei. Der Bundestag verabschiedete am Mittwoch mit großer Mehrheit einen von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf, wonach Eltern ihren Sohn auch ohne medizinische Notwendigkeit beschneiden lassen dürfen, wenn der Eingriff 'nach den Regeln der ärztlichen Kunst' erfolgt. In den ersten sechs Lebensmonaten dürfen Eltern den Eingriff an ihren Säuglingen demnach auch von religiösen Beschneidern vornehmen lassen, die jedoch keine ärztliche Ausbildung haben müssen.



Religiös motivierte Beschneidung ist in Deutschland weiterhin erlaubt.

Der Entwurf von Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) erhielt in namentlicher Abstimmung 434 Ja-Stimmen und wurde von 100 Abgeordneten abgelehnt. 46 Parlamentarier enthielten sich, 40 nahmen an der Abstimmung nicht teil. Ein zweiter fraktionsübergreifender Entwurf, der unter anderem von der Kinderbeauftragten der SPD-Fraktion Marlene Rupprecht sowie den kinderpolitischen Sprecherinnen Diana Golze (Linke) und Katja Dörner (Grüne) vorgelegt worden war, erhielt zuvor lediglich 91 Ja-Stimmen. Nach diesem Gesetzentwurf sollten Beschneidungen aus nicht-medizinischen Gründen erst ab 14 Jahren und nur durch einen Arzt zulässig sein.

Mit dem Gesetz, das noch der als sicher geltenden Zustimmung des Bundesrates bedarf, reagierte der Bundestag auf ein heftig umstrittenes Urteil des Kölner Landgerichtes vom Frühsommer. Darin war eine Beschneidung als strafbare Körperverletzung gewertet worden. In der sehr sachlich geführten Parlamentsdebatte, die am Mittwoch der Abstimmung vorausging, verwiesen mehrere Redner darauf, dass mit dem Gesetz nun Rechtssicherheit geschaffen werden solle.

Vertreter der schwarz-gelben Koalition setzten sich einhellig für den Entwurf der Regierung ein. Unions-Fraktionsvize Johannes Singhammer (CSU) sagte, er bringe 'Kindeswohl, Elternrecht und Religionsfreiheit in Einklang und ins Gleichgewicht'. Damit, so Singhammer, leiste der Entwurf 'einen wichtigen Beitrag für den inneren Frieden in unserem Land'. Der FDP-Abgeordnete Stephan Thomae verwies darauf, dass die Beschneider für den Eingriff qualifiziert sein müssten. 'Diese Bestimmung ist der eigentliche Kinderschutz', sagte Thomae.

In den drei Oppositionsfraktionen war das Thema hingegen kontrovers diskutiert worden. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier plädierte in der Debatte für den Entwurf der Regierung. Er argumentierte, der Begriff des Kindeswohles beziehe sich nicht nur auf die körperliche Unversehrtheit. Vielmehr sei dazu auch die Zugehörigkeit eines Kindes zu einer Gemeinschaft zu zählen, sagte Steinmeier mit Blick auf die Beschneidung als identitätsstiftendem Ritual bei den Juden und Muslimen. Steinmeiers Fraktionskollegin Rupprecht hob hingegen auf das Erziehungsrecht der Eltern ab, das 'ein Verantwortungsrecht, kein Verfügungsrecht' sei. Es habe Kinder als Subjekte mit Grundrechten zu respektieren und könne deshalb eingeschränkt werden, wie dies auch durch andere Gesetze geschehe.

Grünen-Fraktionschefin Renate Künast räumte ein, dass es sich bei der Beschneidung formal um eine Körperverletzung handele. Gleichwohl wolle sie als Gesetzgeber nicht so weit gehen, das religiöse Ritual strafbar zu machen. 'Polizei, Staatsanwaltschaft, Gerichte können nicht die Konsequenz einer Beschneidung sein', sagte Künast. Ihre Fraktionskollegin Katja Keul bezeichnete es hingegen als Unterstellung, die Unterstützer des alternativen Gesetzentwurfes wollten strafrechtlich gegen die Beschneidung vorgehen. Vielmehr bliebe der Justiz Ermessensspielraum, um eine Strafverfolgung zu unterlassen, sagte Keul, und verwies auf vergleichbare Regelungen im Abtreibungsrecht.

Auch in der Bundestagsfraktion der Linkspartei gab es unterschiedliche Positionen zur Beschneidung. Anders als die Mit-Initiatorin des alternativen Entwurfes, Diana Golze, sprach sich die Abgeordnete Luc Jochimsen für das Gesetz der Bundesregierung aus.

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