Der Sitar-Virtuose Ravi Shankar ist tot. Der Vater von Sängerin Norah Jones ist 92 Jahre alt geworden.
Es passiert selten, doch es passiert. Während des Konzerts reißt an der Sitar eine Saite. Gefragt, was er dann mache, antwortete Ravi Shankar in einem Interview für die Musikzeitschrift Rolling Stone, da könne man nichts machen. Diese Unaufgeregtheit, diese Gelassenheit, dieser Fatalismus vielleicht waren es, die seit den fünfziger Jahren ein stetig wachsendes westliches Musikpublikum in die Konzerte indischer Musiker lockte: zu Ravi Shankar, der ab 1954 regelmäßig in den USA, in der Sovjetunion und in Europa auftrat, zu dessen großem, vermutlich seriöserem Gegenspieler Vilayat Khan, zu Ali Akbar Khan, der als erster indischer Musiker für ein westliches Label klassische indische Musik aufgenommen hat.
Ravi Shankar spielte sein letztes Konzert im Jahr 2008.
Dessen erstaunlicher Erfolg im New York der fünfziger Jahre scheint Ravi Shankar befeuert zu haben, Indien, seine Karriere dort als Filmkomponist, als leitender Angestellter bei einem Radiosender und als Komponist hinter sich zu lassen und sich ganz dem Westen zuzuwenden, ungeachtet der Worte Ruyard Kiplings, dass der Osten der Osten bleibe und der Westen der Westen und beide sich niemals wahrhaft begegnen und verstehen könnten. Ravi Shankar war es herzlich egal, ob jemand seine Musik verstand: 'Mir gefällt es, für ein Publikum zu spielen, dass von meiner Musik keinen Schimmer hat, solange es sich als offen erweist.' Offen waren neben einigen Jazzmusikern und seinem alten Freund Yehudi Menuhin vor allem die Popfans, seit George Harrison von den Beatles sich Mitte der sechziger Jahre einen Schnauzbart und fernöstliche Spiritualität hatte wachsen lassen: Seine Gitarre musste eine Weile weinen, weil George lieber die Sitar malträtierte, ein Lauteninstrument, das man seinerzeit im Westen weder buchstabieren noch bedienen konnte.
Aber es klang cool, inspiriert, modern in seiner vermeintlichen Volkstümlichkeit, und auch wenn Ravi Shankar nicht müde wurde zu betonen, es handle sich bei seiner Musik keineswegs um Pop oder Raga Rock oder fernöstliche Accessoires für westliche Sinnsucher, sondern um indische E-Musik, so konnte weder sein Publikum in Abendgarderobe in den Konzertsälen rund um den Globus noch die Hippies in Monterey, Woodstock oder beim 'Concert for Bangla Desh' beurteilen, ob er gerade sein Instrument stimmte oder ein besonders virtuoses Stück zur Darbietung brachte. Es war über Jahrzehnte ein wenig wie im Märchen vom Kaiser und seinen neuen Kleidern - und Ravi Shankar war der Hofschneider. Er liebte es gefeiert, geehrt, umschmeichelt zu werden, liebte die mediale Aufmerksamkeit, bediente in seiner stets wenig bis nichts sagenden Art alle westlichen Erwartungen an seine Musik und verwies Kritiker huldvoll auf seine stattliche Sammlung an Grammys, öffentlichen Auszeichnungen - die Vilayat Kahn übrigens allesamt ablehnte -, an Preisen vom Polar Music Prize bis zum Silbernen Bären oder auf die Tatsache, dass gar ein John Coltrane seinen Ravi Sohn nach ihm benannt hat.
Kühl bringt es der deutsche Sitar-Spieler Al Gromer Khan auf den Punkt: 'Ravi Shankar hätte George Harrison nicht einmal als Antragsteller in die Reihen seiner Schüler akzeptiert, wenn George nicht ein berühmter Popstar gewesen wäre. Vilayat Khan würde Ravi Shankar nicht als Schüler in Betracht gezogen haben, wenn der ein berühmter Popstar gewesen wäre.' Doch selbst schärfste Kritiker bescheinigen ihm, dass er oft genug in der Lage war, auf höchstem Niveau die von ihm für unkorrumpierbar, aber höchst anpassungsvoll erachtete indische Musik zu präsentieren und im medialen Gespräch zu halten - wenn er es eben wollte. Wir nehmen also nach seinem Tod im Alter von 92 Jahren nicht nur Abschied von einem der gerissensten Repräsentanten des kulturellen Crossovers, einem virtuosen Instrumentalisten, einem Star der Weltmusik, sondern vor allem von einem Menschen mit all seinen Schwächen und Stärken - und so einer ist mehr wert als jeder kuhäugige Guru.
Es passiert selten, doch es passiert. Während des Konzerts reißt an der Sitar eine Saite. Gefragt, was er dann mache, antwortete Ravi Shankar in einem Interview für die Musikzeitschrift Rolling Stone, da könne man nichts machen. Diese Unaufgeregtheit, diese Gelassenheit, dieser Fatalismus vielleicht waren es, die seit den fünfziger Jahren ein stetig wachsendes westliches Musikpublikum in die Konzerte indischer Musiker lockte: zu Ravi Shankar, der ab 1954 regelmäßig in den USA, in der Sovjetunion und in Europa auftrat, zu dessen großem, vermutlich seriöserem Gegenspieler Vilayat Khan, zu Ali Akbar Khan, der als erster indischer Musiker für ein westliches Label klassische indische Musik aufgenommen hat.
Ravi Shankar spielte sein letztes Konzert im Jahr 2008.
Dessen erstaunlicher Erfolg im New York der fünfziger Jahre scheint Ravi Shankar befeuert zu haben, Indien, seine Karriere dort als Filmkomponist, als leitender Angestellter bei einem Radiosender und als Komponist hinter sich zu lassen und sich ganz dem Westen zuzuwenden, ungeachtet der Worte Ruyard Kiplings, dass der Osten der Osten bleibe und der Westen der Westen und beide sich niemals wahrhaft begegnen und verstehen könnten. Ravi Shankar war es herzlich egal, ob jemand seine Musik verstand: 'Mir gefällt es, für ein Publikum zu spielen, dass von meiner Musik keinen Schimmer hat, solange es sich als offen erweist.' Offen waren neben einigen Jazzmusikern und seinem alten Freund Yehudi Menuhin vor allem die Popfans, seit George Harrison von den Beatles sich Mitte der sechziger Jahre einen Schnauzbart und fernöstliche Spiritualität hatte wachsen lassen: Seine Gitarre musste eine Weile weinen, weil George lieber die Sitar malträtierte, ein Lauteninstrument, das man seinerzeit im Westen weder buchstabieren noch bedienen konnte.
Aber es klang cool, inspiriert, modern in seiner vermeintlichen Volkstümlichkeit, und auch wenn Ravi Shankar nicht müde wurde zu betonen, es handle sich bei seiner Musik keineswegs um Pop oder Raga Rock oder fernöstliche Accessoires für westliche Sinnsucher, sondern um indische E-Musik, so konnte weder sein Publikum in Abendgarderobe in den Konzertsälen rund um den Globus noch die Hippies in Monterey, Woodstock oder beim 'Concert for Bangla Desh' beurteilen, ob er gerade sein Instrument stimmte oder ein besonders virtuoses Stück zur Darbietung brachte. Es war über Jahrzehnte ein wenig wie im Märchen vom Kaiser und seinen neuen Kleidern - und Ravi Shankar war der Hofschneider. Er liebte es gefeiert, geehrt, umschmeichelt zu werden, liebte die mediale Aufmerksamkeit, bediente in seiner stets wenig bis nichts sagenden Art alle westlichen Erwartungen an seine Musik und verwies Kritiker huldvoll auf seine stattliche Sammlung an Grammys, öffentlichen Auszeichnungen - die Vilayat Kahn übrigens allesamt ablehnte -, an Preisen vom Polar Music Prize bis zum Silbernen Bären oder auf die Tatsache, dass gar ein John Coltrane seinen Ravi Sohn nach ihm benannt hat.
Kühl bringt es der deutsche Sitar-Spieler Al Gromer Khan auf den Punkt: 'Ravi Shankar hätte George Harrison nicht einmal als Antragsteller in die Reihen seiner Schüler akzeptiert, wenn George nicht ein berühmter Popstar gewesen wäre. Vilayat Khan würde Ravi Shankar nicht als Schüler in Betracht gezogen haben, wenn der ein berühmter Popstar gewesen wäre.' Doch selbst schärfste Kritiker bescheinigen ihm, dass er oft genug in der Lage war, auf höchstem Niveau die von ihm für unkorrumpierbar, aber höchst anpassungsvoll erachtete indische Musik zu präsentieren und im medialen Gespräch zu halten - wenn er es eben wollte. Wir nehmen also nach seinem Tod im Alter von 92 Jahren nicht nur Abschied von einem der gerissensten Repräsentanten des kulturellen Crossovers, einem virtuosen Instrumentalisten, einem Star der Weltmusik, sondern vor allem von einem Menschen mit all seinen Schwächen und Stärken - und so einer ist mehr wert als jeder kuhäugige Guru.