Ein Jahr nach den ersten Massendemonstrationen in Moskau sind die Russen der Proteste ebenso überdrüssig wie der Machthaber an der Spitze des Staates.
Moskau - Es könnte besser laufen für die Opposition am Ende eines einjährigen Marsches. An diesem Samstag wollte sie in einer Art Jubiläumsprotest eigentlich noch einmal zeigen, dass die russische Zivilgesellschaft nach ihrem Erwachen vor genau einem Jahr keineswegs wieder eingeschlafen ist. Hunderttausend Menschen gingen damals allein in Moskau auf die Straßen, es war der größte Massenprotest seit knapp 20 Jahren. Diesmal sind die Erwartungen von vornherein deutlich gedämpfter, und nicht nur, weil für das Wochenende minus 13 Grad vorausgesagt werden. Lange stritten Organisatoren und Moskauer Behörden darum, ob und wo genau der Protestzug überhaupt stattfinden solle. Bis am Donnerstag die Absage kam: Der angekündigte 'Marsch der Freiheit' fällt aus.
Kreativer Protest gegen den Pussy-Riot-Prozess
Sergej Udalzow, einer der Organisatoren der bisherigen Massenproteste, will trotzdem zum Lubjanka-Platz spazieren. 'Als freier Bürger Russlands' könne ihn niemand daran hindern, twitterte er. Alexej Nawalnyj und der Oppositionspolitiker Gennadij Gudkow kündigten das Gleiche an - jeder für sich versteht sich. Die Behörden warnten, bei nicht genehmigten Aktionen hart durchzugreifen. Und ebenfalls am Donnerstag erreichten die Bevölkerung auch noch Neuigkeiten von den Ermittlungsbehörden. Der georgische Politiker Giwi Targamadse soll nämlich nicht nur die russische Opposition bei früheren Protesten finanziert haben; er spielte nach Angaben der Ermittler sogar eine 'konkrete Rolle bei der Organisation von Massenunruhen auf dem Bolotnaja-Platz'. Der Boulevard-Sender Life News veröffentlichte Tonband-Mitschnitte von angeblichen Gesprächen des Georgiers mit russischen Oppositionellen, in denen er diese ausdrücklich lobte für ihre Attacken gegen die russischen Sondereinheiten Omon. Bereits in dem Film 'Anatomie des Protestes', den ein russischer Fernsehsender vor einigen Wochen gezeigt hatte, wurde Targamadse als Exporteur 'farbiger Revolutionen' dargestellt. Derlei Berichte hätten den einen oder anderen Moskowiter vielleicht verunsichern, ihnen die Lust nehmen können, an diesem Samstag der Kälte zu trotzen und gegen die Regierung zu demonstrieren. Dann aber folgte ohnehin das Aus für die geplante Veranstaltung.
Sergej Udalzow, nach Ansicht der Ermittler einer der Rädelsführer der von ihnen als 'Massenunruhen' beschriebenen Krawalle vom 6. Mai, wies die Darstellung über die Rolle des Georgiers zurück und sprach von 'Propaganda, um die Opposition zu diskreditieren'. Der 'Marsch der Millionen' und andere Aktionen seien von den Vertretern der Bürgerbewegung organisiert worden, sagte er der Agentur Interfax. Für Regierungskritiker sind dies jedenfalls schwere Tage, an vielen Fronten.
Die Soziologen des Umfrage-Instituts Lewada brachten in einer Studie die Stimmung auf den Punkt: 'Die Russen sind ermüdet von der Staatsmacht, von Putin, von den Demonstrationen, und von der Opposition.' Viele von denen, die sich vor einem Jahr und in den Monaten danach ein Herz fassten und für demokratische Veränderungen protestierten, sind enttäuscht von den dürren Ergebnissen. Sogar der Oppositionspolitiker Wladimir Ryschkow, Redner der ersten Großkundgebungen nach der umstrittenen Parlamentswahl vor einem Jahr, räumte eine Ermattung im Volk ein. Gefragt, ob die Machthaber recht hätten, dass die Protestwelle beendet sei, sagte Ryschkow dem Journal Itogi: 'in einem taktischen Sinne: Ja.' Die Staatsmacht sei geschwächt, 'aber sie hat bisher noch ausreichend Ressourcen.' Ihr Druck auf die Kritiker hat zugenommen in den vergangenen Monaten. Führende Vertreter wie Udalzow und Nawalnyj sind ins Visier der Ermittler geraten, das 'Agentengesetz' oder das verschärfte Gesetz über Hochverrat engen den Bewegungsraum unabhängiger Institute ein. Und immer wieder gibt es kleine Nadelstiche. Wie vor wenigen Tagen, als der Regisseur eines Dokumentarfilms über die Protestbewegung Besuch von den Sicherheitsbehörden erhielt und seine Wohnung durchsucht wurde.
Der Opposition gelingt es kaum, ihre Kräfte zu bündeln. Die Gründung von Parteien wurde zwar erleichtert, aber für die Bildung einer einzigen, starken Oppositionspartei ist die Schnittmenge der Interessen zu gering. Ryschkow, einer der drei Vorsitzenden der Republikanischen Partei - Parnas, glaubt, dass der Weg für echte Veränderungen derzeit vor allem über Wahlen in den Regionen geht. 'Solange die Proteststimmung nur im Kessel des Moskauer Gartenrings köchelt, wird man woanders in Russland davon nicht erfahren.'
Moskau - Es könnte besser laufen für die Opposition am Ende eines einjährigen Marsches. An diesem Samstag wollte sie in einer Art Jubiläumsprotest eigentlich noch einmal zeigen, dass die russische Zivilgesellschaft nach ihrem Erwachen vor genau einem Jahr keineswegs wieder eingeschlafen ist. Hunderttausend Menschen gingen damals allein in Moskau auf die Straßen, es war der größte Massenprotest seit knapp 20 Jahren. Diesmal sind die Erwartungen von vornherein deutlich gedämpfter, und nicht nur, weil für das Wochenende minus 13 Grad vorausgesagt werden. Lange stritten Organisatoren und Moskauer Behörden darum, ob und wo genau der Protestzug überhaupt stattfinden solle. Bis am Donnerstag die Absage kam: Der angekündigte 'Marsch der Freiheit' fällt aus.
Kreativer Protest gegen den Pussy-Riot-Prozess
Sergej Udalzow, einer der Organisatoren der bisherigen Massenproteste, will trotzdem zum Lubjanka-Platz spazieren. 'Als freier Bürger Russlands' könne ihn niemand daran hindern, twitterte er. Alexej Nawalnyj und der Oppositionspolitiker Gennadij Gudkow kündigten das Gleiche an - jeder für sich versteht sich. Die Behörden warnten, bei nicht genehmigten Aktionen hart durchzugreifen. Und ebenfalls am Donnerstag erreichten die Bevölkerung auch noch Neuigkeiten von den Ermittlungsbehörden. Der georgische Politiker Giwi Targamadse soll nämlich nicht nur die russische Opposition bei früheren Protesten finanziert haben; er spielte nach Angaben der Ermittler sogar eine 'konkrete Rolle bei der Organisation von Massenunruhen auf dem Bolotnaja-Platz'. Der Boulevard-Sender Life News veröffentlichte Tonband-Mitschnitte von angeblichen Gesprächen des Georgiers mit russischen Oppositionellen, in denen er diese ausdrücklich lobte für ihre Attacken gegen die russischen Sondereinheiten Omon. Bereits in dem Film 'Anatomie des Protestes', den ein russischer Fernsehsender vor einigen Wochen gezeigt hatte, wurde Targamadse als Exporteur 'farbiger Revolutionen' dargestellt. Derlei Berichte hätten den einen oder anderen Moskowiter vielleicht verunsichern, ihnen die Lust nehmen können, an diesem Samstag der Kälte zu trotzen und gegen die Regierung zu demonstrieren. Dann aber folgte ohnehin das Aus für die geplante Veranstaltung.
Sergej Udalzow, nach Ansicht der Ermittler einer der Rädelsführer der von ihnen als 'Massenunruhen' beschriebenen Krawalle vom 6. Mai, wies die Darstellung über die Rolle des Georgiers zurück und sprach von 'Propaganda, um die Opposition zu diskreditieren'. Der 'Marsch der Millionen' und andere Aktionen seien von den Vertretern der Bürgerbewegung organisiert worden, sagte er der Agentur Interfax. Für Regierungskritiker sind dies jedenfalls schwere Tage, an vielen Fronten.
Die Soziologen des Umfrage-Instituts Lewada brachten in einer Studie die Stimmung auf den Punkt: 'Die Russen sind ermüdet von der Staatsmacht, von Putin, von den Demonstrationen, und von der Opposition.' Viele von denen, die sich vor einem Jahr und in den Monaten danach ein Herz fassten und für demokratische Veränderungen protestierten, sind enttäuscht von den dürren Ergebnissen. Sogar der Oppositionspolitiker Wladimir Ryschkow, Redner der ersten Großkundgebungen nach der umstrittenen Parlamentswahl vor einem Jahr, räumte eine Ermattung im Volk ein. Gefragt, ob die Machthaber recht hätten, dass die Protestwelle beendet sei, sagte Ryschkow dem Journal Itogi: 'in einem taktischen Sinne: Ja.' Die Staatsmacht sei geschwächt, 'aber sie hat bisher noch ausreichend Ressourcen.' Ihr Druck auf die Kritiker hat zugenommen in den vergangenen Monaten. Führende Vertreter wie Udalzow und Nawalnyj sind ins Visier der Ermittler geraten, das 'Agentengesetz' oder das verschärfte Gesetz über Hochverrat engen den Bewegungsraum unabhängiger Institute ein. Und immer wieder gibt es kleine Nadelstiche. Wie vor wenigen Tagen, als der Regisseur eines Dokumentarfilms über die Protestbewegung Besuch von den Sicherheitsbehörden erhielt und seine Wohnung durchsucht wurde.
Der Opposition gelingt es kaum, ihre Kräfte zu bündeln. Die Gründung von Parteien wurde zwar erleichtert, aber für die Bildung einer einzigen, starken Oppositionspartei ist die Schnittmenge der Interessen zu gering. Ryschkow, einer der drei Vorsitzenden der Republikanischen Partei - Parnas, glaubt, dass der Weg für echte Veränderungen derzeit vor allem über Wahlen in den Regionen geht. 'Solange die Proteststimmung nur im Kessel des Moskauer Gartenrings köchelt, wird man woanders in Russland davon nicht erfahren.'