Wie das erfolgreiche Lebenswerk des Kakao-Händlers Kai Rosenberg in Venezuela zum Opfer politischer Willkür wurde
Caracas - Man darf diese Schokolade nicht einfach essen. 'Trinken Sie vorher einen Schluck Wasser', rät Kai Rosenberg. Dann öffnet er die Tafel der französischen Marke Valrhona mit dem Titel 'El Pedregal, Venezuela'. 75 Gramm, eingeschlagen in goldfarbene Folie. 64 Prozent Kakao. 'Ziemliches Unikat', sagt Rosenberg, 'echter Criollo.' Der beste Kakao der Welt. Von seiner Farm, die ihm die venezolanische Regierung weggenommen hat. Beiname 'Porcelona', früher wurde solche Schokolade in feinem Porzellan gereicht. 'Auf der Zunge zergehen lassen', sagt Rosenberg. 'Nicht kauen.' Es schmeckt bitter und süß und exotisch. Wie seine Geschichte.
Kai Rosenberg sitzt auf seiner Terrasse in der exklusivsten Gegend von Caracas, ein 72 Jahre alter Immigrant. Ein feuchtwarmer Abend, die Grillen im Garten sind so laut wie Raben. Man kommt sich vor wie bei einer Weinprobe im Dschungel.
Sein erstes Leben begann im deutschen Krieg, der Sohn einer jüdischen Mutter wurde 1940 in Hamburg geboren. Mit 18ging er nach Venezuela und verdiente als Versicherungsunternehmer prächtig, heiratete eine Venezolanerin und wurde Venezolaner. Vor 20 Jahren entdeckten Ärzte eine schwere Krebskrankheit und gaben ihm noch einen Monat. Doch der Tumor verschwand, und der Geheilte beschloss, sein zweites Leben dem Spaß zu widmen. Rosenberg wollte den fast ausgestorbenen Criollo-Kakao wiederbeleben. Dem Einwanderer aus Alemania ging es um eine Rarität. Venezuelas Kakao aus Lagen wie Chuao genoss schon vor Jahrhunderten Weltruf, die Besitzer wurden reich damit. Später fand man an der Karibik und am Orinoco indes einen noch wertvolleren Schatz. Rosenberg witterte eine Chance. Seine neue Heimat könnte mit edelstem Kakao wieder das werden, was Frankreich beim Champagner ist und Kuba beim Tabak.
Er kaufte Plantagen, warb Experten an, ließ Studien durchführen. Allein die genetischen Untersuchungen kosteten ihn Hunderttausende Dollar, in der Operation Criollo steckt ein Vermögen. 1998 allerdings gewann Hugo Chávez die Wahl und rief eine sozialistische Rebellion aus. Rosenberg fand Chávez anfangs sympathisch, inzwischen hält er ihn für 'eine pseudoreligiöse Figur'. Er hoffte, der Präsident würde die Armut bekämpfen und das korrupte System aufräumen. Rosenberg bemühte sich sogar mit dem staatlichen Ölkonzern PdVSA um eine Kakaofabrik. Der Versuch misslang. Besetzer fielen auf einem seiner Grundstücke ein, ein Pilz zerstörte Pflanzen, Funktionäre wollten Schmiergeld. Rosenberg entließ Angestellte, 2005 näherte sich wieder der Tod. Diesmal kam er in Gestalt maskierter Männer mit Maschinengewehren, sie überfielen seine Hacienda am Maracaibo-See. Der Hausherr wehrte sich, die vermummten Angreifer schossen auf ihn und seine Frau. Sechs Schüsse durchbohrten seinen Körper, wie durch ein Wunder fanden sich Krankenwagen und Hubschrauber. Mit zehn Löchern im Leib wurde der Schwerverletzte notoperiert. Er ließ sich einen weißen Bart stehen, um die Narbe am Hals zu verdecken, und schloss einen Vertrag mit der Schokoladenfirma Valrhona aus Frankreich. Auch im dritten Leben machte Abenteurer Rosenberg weiter, obwohl ihn viele für verrückt erklärten. 2010 rückte die Armee an in Choroni im Nationalpark Henri Pittier am karibischen Meer.
Dort, im schattigen Regenwald, gedieh Rosenbergs Spitzensorte, der mühsam gezüchtete Criollo. Das Gelände sei konfisziert, erfuhr der Besitzer. Er solle seine Sachen packen, künftiges Betreten sei verboten. Begründung: Die Anlage liege im Schutzgebiet. Stimmt nicht, der Kakao wachse an einem Fluss nahe der Küste, sagt Rosenberg. 'Ich habe alle Regeln erfüllt. Das ist ein Raub der übelsten Art.' Für eine andere Ranch erhielt er eine Entschädigung, für sein Herzstück nichts.
Nur mit Tricks kommt er noch ab und zu in sein ehemaliges Reich und sieht mit Schrecken, wie die Pflanzen verfallen. 'Edelkakao ist ein kapitalistisches Gewächs', spottet Rosenberg, reinster Luxus. Aber die pflegeintensive Gourmetversion bringt Jobs und Ruhm. 'In Deutschland oder der Schweiz hätte ich den Verdienstorden bekommen', glaubt Rosenberg. In Venezuela wurde er enteignet. 'Ein Jammer.'
Nun klagt er vor Gericht. Und hofft auf politischen Wandel. Eine Ernte hat er noch zu der Schokoladenfirma Valrhona geschickt. Bis 2013 reicht der Vorrat. 'Dann gibt"s nichts mehr.'
Caracas - Man darf diese Schokolade nicht einfach essen. 'Trinken Sie vorher einen Schluck Wasser', rät Kai Rosenberg. Dann öffnet er die Tafel der französischen Marke Valrhona mit dem Titel 'El Pedregal, Venezuela'. 75 Gramm, eingeschlagen in goldfarbene Folie. 64 Prozent Kakao. 'Ziemliches Unikat', sagt Rosenberg, 'echter Criollo.' Der beste Kakao der Welt. Von seiner Farm, die ihm die venezolanische Regierung weggenommen hat. Beiname 'Porcelona', früher wurde solche Schokolade in feinem Porzellan gereicht. 'Auf der Zunge zergehen lassen', sagt Rosenberg. 'Nicht kauen.' Es schmeckt bitter und süß und exotisch. Wie seine Geschichte.
Kai Rosenberg sitzt auf seiner Terrasse in der exklusivsten Gegend von Caracas, ein 72 Jahre alter Immigrant. Ein feuchtwarmer Abend, die Grillen im Garten sind so laut wie Raben. Man kommt sich vor wie bei einer Weinprobe im Dschungel.
Sein erstes Leben begann im deutschen Krieg, der Sohn einer jüdischen Mutter wurde 1940 in Hamburg geboren. Mit 18ging er nach Venezuela und verdiente als Versicherungsunternehmer prächtig, heiratete eine Venezolanerin und wurde Venezolaner. Vor 20 Jahren entdeckten Ärzte eine schwere Krebskrankheit und gaben ihm noch einen Monat. Doch der Tumor verschwand, und der Geheilte beschloss, sein zweites Leben dem Spaß zu widmen. Rosenberg wollte den fast ausgestorbenen Criollo-Kakao wiederbeleben. Dem Einwanderer aus Alemania ging es um eine Rarität. Venezuelas Kakao aus Lagen wie Chuao genoss schon vor Jahrhunderten Weltruf, die Besitzer wurden reich damit. Später fand man an der Karibik und am Orinoco indes einen noch wertvolleren Schatz. Rosenberg witterte eine Chance. Seine neue Heimat könnte mit edelstem Kakao wieder das werden, was Frankreich beim Champagner ist und Kuba beim Tabak.
Er kaufte Plantagen, warb Experten an, ließ Studien durchführen. Allein die genetischen Untersuchungen kosteten ihn Hunderttausende Dollar, in der Operation Criollo steckt ein Vermögen. 1998 allerdings gewann Hugo Chávez die Wahl und rief eine sozialistische Rebellion aus. Rosenberg fand Chávez anfangs sympathisch, inzwischen hält er ihn für 'eine pseudoreligiöse Figur'. Er hoffte, der Präsident würde die Armut bekämpfen und das korrupte System aufräumen. Rosenberg bemühte sich sogar mit dem staatlichen Ölkonzern PdVSA um eine Kakaofabrik. Der Versuch misslang. Besetzer fielen auf einem seiner Grundstücke ein, ein Pilz zerstörte Pflanzen, Funktionäre wollten Schmiergeld. Rosenberg entließ Angestellte, 2005 näherte sich wieder der Tod. Diesmal kam er in Gestalt maskierter Männer mit Maschinengewehren, sie überfielen seine Hacienda am Maracaibo-See. Der Hausherr wehrte sich, die vermummten Angreifer schossen auf ihn und seine Frau. Sechs Schüsse durchbohrten seinen Körper, wie durch ein Wunder fanden sich Krankenwagen und Hubschrauber. Mit zehn Löchern im Leib wurde der Schwerverletzte notoperiert. Er ließ sich einen weißen Bart stehen, um die Narbe am Hals zu verdecken, und schloss einen Vertrag mit der Schokoladenfirma Valrhona aus Frankreich. Auch im dritten Leben machte Abenteurer Rosenberg weiter, obwohl ihn viele für verrückt erklärten. 2010 rückte die Armee an in Choroni im Nationalpark Henri Pittier am karibischen Meer.
Dort, im schattigen Regenwald, gedieh Rosenbergs Spitzensorte, der mühsam gezüchtete Criollo. Das Gelände sei konfisziert, erfuhr der Besitzer. Er solle seine Sachen packen, künftiges Betreten sei verboten. Begründung: Die Anlage liege im Schutzgebiet. Stimmt nicht, der Kakao wachse an einem Fluss nahe der Küste, sagt Rosenberg. 'Ich habe alle Regeln erfüllt. Das ist ein Raub der übelsten Art.' Für eine andere Ranch erhielt er eine Entschädigung, für sein Herzstück nichts.
Nur mit Tricks kommt er noch ab und zu in sein ehemaliges Reich und sieht mit Schrecken, wie die Pflanzen verfallen. 'Edelkakao ist ein kapitalistisches Gewächs', spottet Rosenberg, reinster Luxus. Aber die pflegeintensive Gourmetversion bringt Jobs und Ruhm. 'In Deutschland oder der Schweiz hätte ich den Verdienstorden bekommen', glaubt Rosenberg. In Venezuela wurde er enteignet. 'Ein Jammer.'
Nun klagt er vor Gericht. Und hofft auf politischen Wandel. Eine Ernte hat er noch zu der Schokoladenfirma Valrhona geschickt. Bis 2013 reicht der Vorrat. 'Dann gibt"s nichts mehr.'