Mülldeponien sind wertvolle Rohstofflager. Wer dort in die Tiefe bohrt, stößt auf Phosphate, Kunststoffe und viele Metalle, die für moderne Elektronik gebraucht werden. Lohnt sich ein kommerzieller Abbau? In Zukunft ja, sagen Experten
Der stählerne Greifer zieht einen Batzen Müll aus den Tiefen der Deponie Dyckerhoffbruch in Wiesbaden: Geröll, Kompostartiges, Plastikfetzen und ein längliches rostiges Metallstück, das einmal ein Auspuffrohr gewesen sein könnte. Solche Bestandteile von Müllbergen könnten künftig helfen, die Rohstoffhaushalte der Erde aufzustocken. Das meint jedenfalls Stefan Gäth von der Universität Gießen, der an der 1982 stillgelegten Halde ein Forschungslager aufgeschlagen hat: 'Unsere Deponien sind Minen. Jahrzehntelang haben wir dort wertvolle Rohstoffe gedankenlos entsorgt', sagt er. Sechs seiner Mitarbeiter sind jeden Tag vor Ort und sondieren die Ausbeute aus insgesamt 20 Bohrlöchern, die bis zu 30 Meter tief sind. Die Forscher prüfen die Zusammensetzung des Abfalls und vergleichen ihn mit Archivdaten. So wollen sie den Inhalt jeder Deponie in Deutschland möglichst genau ermitteln.
Der Abbau rohstoffreicher Müllberge, das sogenannte 'Landfill Mining', ist ein angesagtes Forschungsthema. Deutschlandweit bohren Wissenschaftler mittlerweile in rund 60 Müllhalden. Sie fanden Phosphate und damit wichtige Düngemittel, wiederverwertbare Kunststoffe, eine Menge organisches Material, aus dem man Treibstoffe machen kann - und nicht zuletzt: Metalle. Darunter vor allem Eisen, Kupfer und Aluminium, aber auch Seltene Erden, die aus Autokatalysatoren, Bildschirmen oder Magneten stammen und heute unter anderem für Mobiltelefone und Flachbildschirme gebraucht werden.
'Metalle spielen beim Landfill Mining eine wichtige Rolle, denn sie werden immer teurer, lassen sich gut recyceln, und sie sind in praktisch jeder Deponie enthalten', berichtet Gäth. Würde man alle deutsche Deponien abtragen und die Rohstoffe daraus bergen, könnte man damit den deutschen Bedarf schätzungsweise ein bis zwei Jahre lang decken. 'Das klingt zunächst wenig', räumt der Wissenschaftler ein. Es könnte aber ein wichtiger Antrieb für künftige Recyclingpläne sein.
Auch das Bundesforschungsministerium investiert in ein neues Projekt zum Thema Landfill Mining. Beteiligt sind die Technischen Universitäten Clausthal und Braunschweig, die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen, Entsorgungsunternehmen, Ökoinstitute und das Umweltministerium Nordrhein-Westfalen. 'Ein komplexeres Thema als Landfill Mining gibt es eigentlich nicht', sagt Daniel Goldmann von der TU Clausthal im Harzort Clausthal-Zellerfeld. Das beginne bei rechtlichen Fragen. Wie läuft der Genehmigungsprozess ab? Wie lassen sich möglicherweise vorhandene Schadstoffe, aus Batterien oder Altöl etwa, und Deponiegase wie das Treibhausgas Methan in den Griff bekommen? Und wie trägt man den Abfall ab, ohne einen Einsturz der Deponie zu riskieren?
In der Vergangenheit wurden weltweit zwar schon einige wenige Deponien zurückgebaut, zum Beispiel weil sie das Grundwasser verschmutzten oder die Fläche gebraucht wurde. Doch ein Standardverfahren ist das noch längst nicht. Ähnliches gilt für das Trennen und Aufbereiten der Stoffe von der Halde, das zurzeit noch weitgehend von Hand und im Labor stattfindet. 'Wir wollen die passenden Technologien entwickeln und eine Checkliste, anhand derer Deponiebetreiber entscheiden können, ob sich ein Rückbau lohnt oder nicht', sagt Goldmann.
Die Clausthaler Forscher sind an sich Experten in Sachen Erzabbau und -aufbereitung. Im Müll-Projekt sind sie deshalb vor allem für den Metallabfall zuständig und verwandeln ihn in hüttentaugliche Konzentrate, zum Beispiel in Mischungen aus Kupfer, Silber, Gold und Zinn oder aus Zink und Blei. Neben den klassischen Deponien haben sie weitere Mülllager im Visier, die praktisch direkt vor ihrer Haustür liegen: die Bergteiche und Abraumhalden der ehemaligen Bergbaugebiete im Harz. Hier lagern vermutlich große Mengen Indium, ein Metall, das vor allem in Flachbildschirmen und Smartphones steckt. 'Indium wird erst seit Mitte der Siebzigerjahre von der Elektronikbranche im großen Stil eingesetzt. Davor wurde es schlicht mit den Erzresten entsorgt', berichtet Goldmann. Wie wertvoll der Indium-Schatz im Harz wirklich ist und wie er sich bergen ließe, wollen die Forscher jetzt erkunden.
Was die klassischen Siedlungsabfalldeponien betrifft, spricht nicht nur der Recyclinggedanke für ihren Rückbau. Schließlich können dabei auch Ökosünden der Vergangenheit rückgängig gemacht werden. Dem Gießener Forscher Gäth zufolge sei die Energiebilanz stets positiv. Nur nach ökonomischen Kritikpunkten fällt das Landfill Mining durch: Noch ist es nicht profitabel. Die Wissenschaftler setzen deshalb vor allem auf steigende Rohstoffpreise. 'Wenn die Preise weiter anziehen, könnten zwischen 2025 bis 2035 erste deutsche Deponien wirtschaftlich rückgebaut werden', schätzt Gäth. Eventuell schon eher, wenn auch andere Gründe für einen Rückbau sprechen, zum Beispiel weil eine Deponie undicht ist, der Giftausstoß nur durch jahrzehntelange teure Nachsorgemaßnahmen gebändigt werden kann, wenn die Fläche anderweitig gebraucht wird - und natürlich wenn eine Deponie besonders gehaltvoll ist.
Die bisherigen Untersuchungen zeigen, dass der Rohstoffgehalt von Müllkippe zu Müllkippe stark schwankt. 'Deponien in den neuen Bundesländern etwa enthalten nur wenig Metalle oder Kunststoffe', berichtet Gäth. Zu DDR-Zeiten wurde dort insgesamt weniger konsumiert und entsorgt. Getränkedosen aus Aluminium oder Joghurtbecher waren eben nicht üblich. Auch international gibt es Unterschiede. In Japan sind Flächen rar und teuer, und der Konsum ist eher niedrig. Da geben dann auch Deponien nicht viel her. In den USA dagegen mit einem hohen Konsum und viel verfügbarer Fläche sind die Mülllager prall gefüllt. Dort, so heißt es in Fachkreisen, liegt alleine an Kupfer die Menge von drei Weltjahresproduktionen ungenutzt auf Halde.
Der stählerne Greifer zieht einen Batzen Müll aus den Tiefen der Deponie Dyckerhoffbruch in Wiesbaden: Geröll, Kompostartiges, Plastikfetzen und ein längliches rostiges Metallstück, das einmal ein Auspuffrohr gewesen sein könnte. Solche Bestandteile von Müllbergen könnten künftig helfen, die Rohstoffhaushalte der Erde aufzustocken. Das meint jedenfalls Stefan Gäth von der Universität Gießen, der an der 1982 stillgelegten Halde ein Forschungslager aufgeschlagen hat: 'Unsere Deponien sind Minen. Jahrzehntelang haben wir dort wertvolle Rohstoffe gedankenlos entsorgt', sagt er. Sechs seiner Mitarbeiter sind jeden Tag vor Ort und sondieren die Ausbeute aus insgesamt 20 Bohrlöchern, die bis zu 30 Meter tief sind. Die Forscher prüfen die Zusammensetzung des Abfalls und vergleichen ihn mit Archivdaten. So wollen sie den Inhalt jeder Deponie in Deutschland möglichst genau ermitteln.
Der Abbau rohstoffreicher Müllberge, das sogenannte 'Landfill Mining', ist ein angesagtes Forschungsthema. Deutschlandweit bohren Wissenschaftler mittlerweile in rund 60 Müllhalden. Sie fanden Phosphate und damit wichtige Düngemittel, wiederverwertbare Kunststoffe, eine Menge organisches Material, aus dem man Treibstoffe machen kann - und nicht zuletzt: Metalle. Darunter vor allem Eisen, Kupfer und Aluminium, aber auch Seltene Erden, die aus Autokatalysatoren, Bildschirmen oder Magneten stammen und heute unter anderem für Mobiltelefone und Flachbildschirme gebraucht werden.
'Metalle spielen beim Landfill Mining eine wichtige Rolle, denn sie werden immer teurer, lassen sich gut recyceln, und sie sind in praktisch jeder Deponie enthalten', berichtet Gäth. Würde man alle deutsche Deponien abtragen und die Rohstoffe daraus bergen, könnte man damit den deutschen Bedarf schätzungsweise ein bis zwei Jahre lang decken. 'Das klingt zunächst wenig', räumt der Wissenschaftler ein. Es könnte aber ein wichtiger Antrieb für künftige Recyclingpläne sein.
Auch das Bundesforschungsministerium investiert in ein neues Projekt zum Thema Landfill Mining. Beteiligt sind die Technischen Universitäten Clausthal und Braunschweig, die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen, Entsorgungsunternehmen, Ökoinstitute und das Umweltministerium Nordrhein-Westfalen. 'Ein komplexeres Thema als Landfill Mining gibt es eigentlich nicht', sagt Daniel Goldmann von der TU Clausthal im Harzort Clausthal-Zellerfeld. Das beginne bei rechtlichen Fragen. Wie läuft der Genehmigungsprozess ab? Wie lassen sich möglicherweise vorhandene Schadstoffe, aus Batterien oder Altöl etwa, und Deponiegase wie das Treibhausgas Methan in den Griff bekommen? Und wie trägt man den Abfall ab, ohne einen Einsturz der Deponie zu riskieren?
In der Vergangenheit wurden weltweit zwar schon einige wenige Deponien zurückgebaut, zum Beispiel weil sie das Grundwasser verschmutzten oder die Fläche gebraucht wurde. Doch ein Standardverfahren ist das noch längst nicht. Ähnliches gilt für das Trennen und Aufbereiten der Stoffe von der Halde, das zurzeit noch weitgehend von Hand und im Labor stattfindet. 'Wir wollen die passenden Technologien entwickeln und eine Checkliste, anhand derer Deponiebetreiber entscheiden können, ob sich ein Rückbau lohnt oder nicht', sagt Goldmann.
Die Clausthaler Forscher sind an sich Experten in Sachen Erzabbau und -aufbereitung. Im Müll-Projekt sind sie deshalb vor allem für den Metallabfall zuständig und verwandeln ihn in hüttentaugliche Konzentrate, zum Beispiel in Mischungen aus Kupfer, Silber, Gold und Zinn oder aus Zink und Blei. Neben den klassischen Deponien haben sie weitere Mülllager im Visier, die praktisch direkt vor ihrer Haustür liegen: die Bergteiche und Abraumhalden der ehemaligen Bergbaugebiete im Harz. Hier lagern vermutlich große Mengen Indium, ein Metall, das vor allem in Flachbildschirmen und Smartphones steckt. 'Indium wird erst seit Mitte der Siebzigerjahre von der Elektronikbranche im großen Stil eingesetzt. Davor wurde es schlicht mit den Erzresten entsorgt', berichtet Goldmann. Wie wertvoll der Indium-Schatz im Harz wirklich ist und wie er sich bergen ließe, wollen die Forscher jetzt erkunden.
Was die klassischen Siedlungsabfalldeponien betrifft, spricht nicht nur der Recyclinggedanke für ihren Rückbau. Schließlich können dabei auch Ökosünden der Vergangenheit rückgängig gemacht werden. Dem Gießener Forscher Gäth zufolge sei die Energiebilanz stets positiv. Nur nach ökonomischen Kritikpunkten fällt das Landfill Mining durch: Noch ist es nicht profitabel. Die Wissenschaftler setzen deshalb vor allem auf steigende Rohstoffpreise. 'Wenn die Preise weiter anziehen, könnten zwischen 2025 bis 2035 erste deutsche Deponien wirtschaftlich rückgebaut werden', schätzt Gäth. Eventuell schon eher, wenn auch andere Gründe für einen Rückbau sprechen, zum Beispiel weil eine Deponie undicht ist, der Giftausstoß nur durch jahrzehntelange teure Nachsorgemaßnahmen gebändigt werden kann, wenn die Fläche anderweitig gebraucht wird - und natürlich wenn eine Deponie besonders gehaltvoll ist.
Die bisherigen Untersuchungen zeigen, dass der Rohstoffgehalt von Müllkippe zu Müllkippe stark schwankt. 'Deponien in den neuen Bundesländern etwa enthalten nur wenig Metalle oder Kunststoffe', berichtet Gäth. Zu DDR-Zeiten wurde dort insgesamt weniger konsumiert und entsorgt. Getränkedosen aus Aluminium oder Joghurtbecher waren eben nicht üblich. Auch international gibt es Unterschiede. In Japan sind Flächen rar und teuer, und der Konsum ist eher niedrig. Da geben dann auch Deponien nicht viel her. In den USA dagegen mit einem hohen Konsum und viel verfügbarer Fläche sind die Mülllager prall gefüllt. Dort, so heißt es in Fachkreisen, liegt alleine an Kupfer die Menge von drei Weltjahresproduktionen ungenutzt auf Halde.