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Das Phänomen "Gangnam Style"

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Ein Philosoph nimmt sich PSY und sein Werk vor und sucht eine Antwort auf die Frage seines Erfolgs.

Ende Dezember war es so weit: Das meistgeklickte Video auf Youtube war nicht mehr Justin Biebers 'Baby', sondern der Clip zu 'Gangnam Style', einer Single eines südkoreanischen Sängers und Rappers namens Psy. Mehr als eine Milliarde Mal wurde das Video bislang abgerufen. Mit großer Anteilnahme geht seither im Netz auch ein Video eines Vortrags herum, den der Philosoph Slavoj Zizek im Oktober in Kanada gehalten hat. Er nimmt Mann und Werk darin ideologiekritisch unter die Lupe.

Zizek ist nun einer der wenigen zeitgenössischen Philosophen, der der Massenkultur der Gegenwart wirklich interessante Gedanken abgewinnen kann. Seine Ausführungen zu 'Gangnam Style' sind allerdings ein schlechtes Beispiel dafür. Der Slowene, dessen Denken übrigens gerade auch vier neue Opern des Londoner Royal Opera House inspirieren soll, bestätigt darin jedes Vorurteil: Er redet viel und sagt doch wenig. Kern seiner Kulturkritik, mit der er seit einigen Jahren sehr erfolgreich um die Welt tourt, ist es zu zeigen, wo wir überall der kapitalistischen Ideologie auf den Leim gehen. 'Gangnam Style' hält er für ein Phänomen, an dem man unverfälscht sehen könne, wie Ideologie heute wirkt: Wir lieben den Song, obwohl wir wissen, dass er Mist ist. Das aber ist leider noch keine philosophische Erkenntnis. Das kommt einfach vor. Im Englischen gibt es für ein Vergnügen, bei dem man sich auch ein wenig schuldig fühlt, schon sehr lange den schönen Begriff 'guilty pleasure'. Interessanter wäre, wenn Zizek eine wirklich gute Idee dazu hätte, warum wir etwas lieben, obwohl wir es eigentlich unerträglich schlecht finden. Aber die hat er leider nicht:



Sänger Park Jae-sang, besser bekannt als PSY, bei seinem Auftritt an Silvester in New York.

'Wenn es heute ein idealtypisch ideologisches Phänomen gibt, ist es der Song ,Gangnam Style" des südkoreanischen Rappers Psy. Es ist eigentlich ein lächerliches repetitives Stück mechanische Musik. Der Text dreht sich um Gangnam, ein Ausgehviertel im Süden Seouls, und ist extrem vulgär, eine chauvinistische Männerphantasie: Psy, ein übergewichtiger Mittdreißiger, preist darin ein Mädchen, das tagsüber brav ihrem Mann dient, aber nachts ausflippt. (...) Aber warum ist das ein idealtypisch ideologisches Phänomen? Weil es ein lächerlicher Song ist, der trotzdem zu etwas Quasi-Heiligem wurde. (...) In Korea tritt der Rapper vor hunderttausend Menschen auf. (...) Die erste Reaktion darauf war natürlich: Wie blöd sind eigentlich die Koreaner? Aber so einfach ist es nicht. Im Laufe des Jahres wurde 'Gangnam Style' zum Welthit. (...) Auf Youtube wurde der Song mittlerweile fast eine Milliarde Mal abgerufen. Und worauf es nun ankommt, sind zwei Dinge: Der Text ist offensichtlich ironisch, er macht sich über die Szene, die er beschreibt, lustig. Aber - und das macht es zum perfekten Beispiel dafür, wie heute Ideologie funktioniert - im selben Moment, in dem man sich darüber lustig macht, in dem man also nicht glaubt, was vor sich geht, in demselben Moment ist man gefangen davon, in demselben Moment funktioniert es. Man ist überwältigt. (...) Wie funktioniert das? Man mag den Song ja nicht. Es ist also eher so, wie einen Werbung verführt. Obwohl man sich vollkommen bewusst ist, wie unerträglich es ist, wird man es nicht mehr los.'

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