Spaniens Parteien werden von Skandalen erschüttert. Regierungschef Rajoy will bei den Konservativen hart durchgreifen - und sich als Saubermann profilieren.
Madrid - Die spanischen Fernsehzuschauer und Zeitungsleser verlieren langsam den Überblick in der Informationsflut, die nach dem eher ruhigen Beginn des Jahres in den vergangenen Tagen über sie hereingebrochen ist. Die Botschaft ist stets die gleiche: Politiker aller Parteien in allen Ecken des Landes sind korrupt. Besonders trifft es nun die konservative Volkspartei (PP) von Ministerpräsident Mariano Rajoy. Frühere Spitzenleute der PP haben Millionen in die Schweiz geschafft und mit dubiosen Finanzierungsmethoden Latifundien in Argentinien zusammengekauft. Doch auch die oppositionellen Sozialisten (PSOE) müssen mit Finanzaffären in den eigenen Reihen kämpfen.
Premierminister Rajoy beim Parteitreffen am 21. Januar in Madrid
Die wichtigsten Madrider Zeitungen liefern sich seit Tagen einen Wettstreit, wer die neueste Korruptionsgeschichte zu bieten hat. Dabei scheint die sonst das Klima bestimmende Trennung in rechts und links aufgehoben zu sein: Alle berichten gnadenlos über alle Parteien. Auch sind sich die Kommentatoren unabhängig ihrer politischen Vorlieben einig: Die Flut der Nachrichten über Durchstechereien und Bereicherung auf Kosten der Allgemeinheit wird die Politikverdrossenheit noch weiter steigern, vielleicht sogar zu gesellschaftlichem Aufruhr führen. Spanien befindet sich im sechsten Krisenjahr, seit zwei Jahren wird hart gespart, die Arbeitslosigkeit liegt bei 25 Prozent.
Erst in der vergangenen Woche hat Rajoy weitere Sparmaßnahmen angekündigt. In den Meinungsumfragen erreicht er im Durchschnitt nur noch knapp 30 Prozent; so unbeliebt war noch kein Regierungschef am Ende seines ersten Amtsjahres. Nun hat er die Flucht nach vorn angetreten: Unabhängige Finanzprüfer sollen die PP-Bücher durchleuchten, ein beispielloser Vorgang. Auch sollen sich alle Parteien zu einem 'Pakt gegen Korruption' zusammenschließen.
Nach einer Aufstellung der linksliberalen Tageszeitung El País laufen derzeit in ganz Spanien mehr als 200 Korruptionsverfahren gegen Politiker. Madrider Kommentatoren schließen aber nicht aus, dass die neuesten Finanzaffären in der PP letztlich Rajoy nützen könnten, dem bisher persönlich niemand Unregelmäßigkeiten vorwirft. Auf der Strecke bleiben innerparteiliche Konkurrenten, von denen ein Teil dem Umfeld des nach wie vor einflussreichen früheren Regierungschefs José Maria Aznar zugerechnet werden. Bis zu den nächsten Wahlen in knapp drei Jahren könnte sich Rajoy als Saubermann profilieren, der auch in den eigenen Reihen mit eisernem Besen kehrt. Für diese Erklärung spricht, dass sich mit Angriffen auf die früheren PP-Granden besonders die konservative Tageszeitung El Mundo hervortut, die auch in anderen Konflikten hinter Rajoy stand.
PP-Generalsekretärin María Dolores de Cospedal erklärte, mit den Millionen in der Schweiz und in Argentinien habe die Partei als solche nichts zu tun. Allerdings bestätigte ein ehemaliger PP-Abgeordneter, der Rechtsanwalt Jorge Trías Sagnier, dass eine Gruppe von ehemals führenden Parteimitgliedern monatlich bis zu 15 000 Euro aus einer schwarzen Kasse der Partei bekommen habe, in bar. Das Geld hätten die früheren PP-Schatzmeister Alvaro Lapuerta und Luis Bárcenas verteilt. Diese Praxis sei von der jetzigen Generalsekretärin de Cospedal beendet worden. Im Mittelpunkt der Affäre um 22 Millionen Euro, die von Madrid auf ein Konto in Genf und von dort in die USA geflossen sein sollen, steht ebenfalls Bárcenas. Ihn hatte Rajoy 2009 zum Rücktritt gedrängt, nachdem ihm vorgeworfen worden war, er sei in eine andere Affäre um die Vergabe von Aufträgen an Sponsoren der PP verwickelt. Das Verfahren um den 'Fall Gürtel ' ist noch nicht abgeschlossen. Nach den jüngsten Enthüllungen ist fast die Hälfte der Summe wieder nach Spanien zurücküberwiesen worden, ausgerechnet nachdem das Kabinett Rajoy eine Amnestie für Steuersünder beschlossen hatte. Finanzminister Cristóbal Montoro hat eine Erklärung dazu angekündigt.
Den Presseberichten zufolge ist Bárcenas Miteigentümer landwirtschaftlicher Großbetriebe in Argentinien, die insgesamt 30 000 Hektar bewirtschaften. Sie produzieren vor allem Zitrusfrüchte und Melonen, 1700 Landarbeiter ernteten täglich etwa 1000 Tonnen. In das Unternehmen seien auch 18 Millionen an Krediten einer staatlichen spanischen Bank für Investitionsförderung geflossen, diese Millionen seien bis heute nicht zurückgezahlt. An dem Unternehmen seien offenbar auch Politiker der in Buenos Aires regierenden Peronisten beteiligt; zumindest werde es von ihnen gefördert.
Sozialistenchef Alfreod Pérez Rubalcaba forderte einen Untersuchungsausschuss, im sicheren Wissen, dass die PP-Mehrheit im Parlament ihn verhindern wird. Der Madrider Presse zufolge möchte die PSOE wegen Korruptionsverfahren, die die eigenen Reihen betreffen, die offene Konfrontation mit Rajoy vermeiden. Namentlich für den andalusischen Regionalpräsidenten José Antonio Grinán ist eine Affäre um Frühpensionierungen und Vergünstigungen für Parteimitglieder im öffentlichen Dienst noch nicht ausgestanden. Die Summe des gesetzeswidrig verwendeten Geldes soll sich auf etwa eine Milliarde Euro belaufen.
Madrid - Die spanischen Fernsehzuschauer und Zeitungsleser verlieren langsam den Überblick in der Informationsflut, die nach dem eher ruhigen Beginn des Jahres in den vergangenen Tagen über sie hereingebrochen ist. Die Botschaft ist stets die gleiche: Politiker aller Parteien in allen Ecken des Landes sind korrupt. Besonders trifft es nun die konservative Volkspartei (PP) von Ministerpräsident Mariano Rajoy. Frühere Spitzenleute der PP haben Millionen in die Schweiz geschafft und mit dubiosen Finanzierungsmethoden Latifundien in Argentinien zusammengekauft. Doch auch die oppositionellen Sozialisten (PSOE) müssen mit Finanzaffären in den eigenen Reihen kämpfen.
Premierminister Rajoy beim Parteitreffen am 21. Januar in Madrid
Die wichtigsten Madrider Zeitungen liefern sich seit Tagen einen Wettstreit, wer die neueste Korruptionsgeschichte zu bieten hat. Dabei scheint die sonst das Klima bestimmende Trennung in rechts und links aufgehoben zu sein: Alle berichten gnadenlos über alle Parteien. Auch sind sich die Kommentatoren unabhängig ihrer politischen Vorlieben einig: Die Flut der Nachrichten über Durchstechereien und Bereicherung auf Kosten der Allgemeinheit wird die Politikverdrossenheit noch weiter steigern, vielleicht sogar zu gesellschaftlichem Aufruhr führen. Spanien befindet sich im sechsten Krisenjahr, seit zwei Jahren wird hart gespart, die Arbeitslosigkeit liegt bei 25 Prozent.
Erst in der vergangenen Woche hat Rajoy weitere Sparmaßnahmen angekündigt. In den Meinungsumfragen erreicht er im Durchschnitt nur noch knapp 30 Prozent; so unbeliebt war noch kein Regierungschef am Ende seines ersten Amtsjahres. Nun hat er die Flucht nach vorn angetreten: Unabhängige Finanzprüfer sollen die PP-Bücher durchleuchten, ein beispielloser Vorgang. Auch sollen sich alle Parteien zu einem 'Pakt gegen Korruption' zusammenschließen.
Nach einer Aufstellung der linksliberalen Tageszeitung El País laufen derzeit in ganz Spanien mehr als 200 Korruptionsverfahren gegen Politiker. Madrider Kommentatoren schließen aber nicht aus, dass die neuesten Finanzaffären in der PP letztlich Rajoy nützen könnten, dem bisher persönlich niemand Unregelmäßigkeiten vorwirft. Auf der Strecke bleiben innerparteiliche Konkurrenten, von denen ein Teil dem Umfeld des nach wie vor einflussreichen früheren Regierungschefs José Maria Aznar zugerechnet werden. Bis zu den nächsten Wahlen in knapp drei Jahren könnte sich Rajoy als Saubermann profilieren, der auch in den eigenen Reihen mit eisernem Besen kehrt. Für diese Erklärung spricht, dass sich mit Angriffen auf die früheren PP-Granden besonders die konservative Tageszeitung El Mundo hervortut, die auch in anderen Konflikten hinter Rajoy stand.
PP-Generalsekretärin María Dolores de Cospedal erklärte, mit den Millionen in der Schweiz und in Argentinien habe die Partei als solche nichts zu tun. Allerdings bestätigte ein ehemaliger PP-Abgeordneter, der Rechtsanwalt Jorge Trías Sagnier, dass eine Gruppe von ehemals führenden Parteimitgliedern monatlich bis zu 15 000 Euro aus einer schwarzen Kasse der Partei bekommen habe, in bar. Das Geld hätten die früheren PP-Schatzmeister Alvaro Lapuerta und Luis Bárcenas verteilt. Diese Praxis sei von der jetzigen Generalsekretärin de Cospedal beendet worden. Im Mittelpunkt der Affäre um 22 Millionen Euro, die von Madrid auf ein Konto in Genf und von dort in die USA geflossen sein sollen, steht ebenfalls Bárcenas. Ihn hatte Rajoy 2009 zum Rücktritt gedrängt, nachdem ihm vorgeworfen worden war, er sei in eine andere Affäre um die Vergabe von Aufträgen an Sponsoren der PP verwickelt. Das Verfahren um den 'Fall Gürtel ' ist noch nicht abgeschlossen. Nach den jüngsten Enthüllungen ist fast die Hälfte der Summe wieder nach Spanien zurücküberwiesen worden, ausgerechnet nachdem das Kabinett Rajoy eine Amnestie für Steuersünder beschlossen hatte. Finanzminister Cristóbal Montoro hat eine Erklärung dazu angekündigt.
Den Presseberichten zufolge ist Bárcenas Miteigentümer landwirtschaftlicher Großbetriebe in Argentinien, die insgesamt 30 000 Hektar bewirtschaften. Sie produzieren vor allem Zitrusfrüchte und Melonen, 1700 Landarbeiter ernteten täglich etwa 1000 Tonnen. In das Unternehmen seien auch 18 Millionen an Krediten einer staatlichen spanischen Bank für Investitionsförderung geflossen, diese Millionen seien bis heute nicht zurückgezahlt. An dem Unternehmen seien offenbar auch Politiker der in Buenos Aires regierenden Peronisten beteiligt; zumindest werde es von ihnen gefördert.
Sozialistenchef Alfreod Pérez Rubalcaba forderte einen Untersuchungsausschuss, im sicheren Wissen, dass die PP-Mehrheit im Parlament ihn verhindern wird. Der Madrider Presse zufolge möchte die PSOE wegen Korruptionsverfahren, die die eigenen Reihen betreffen, die offene Konfrontation mit Rajoy vermeiden. Namentlich für den andalusischen Regionalpräsidenten José Antonio Grinán ist eine Affäre um Frühpensionierungen und Vergünstigungen für Parteimitglieder im öffentlichen Dienst noch nicht ausgestanden. Die Summe des gesetzeswidrig verwendeten Geldes soll sich auf etwa eine Milliarde Euro belaufen.