Die Hauptstadt braucht keine Konfetti-Paraden und Schunkel-Shows, um im Februar ausgelassen zu feiern - die Berlinale ist Anlass genug. Manchmal hat man bei dem Filmfestival trotzdem das Gefühl, es mit ollen Kamellen und den immer gleichen Narren zu
Berlin braucht keinen Karneval, um sich in einen Rausch hineinzusteigern, es hat ja das kälteste Großfilmfestival der Welt. Statt Konfetti-Paraden gibt hier es hier den roten Teppich vor dem Berlinale-Palast am Potsdamer Platz.
Auf diesem Teppich flippen sie jedes Jahr wieder aus, die Fotografen und die Fans, die deutschen Filmschauspieler und Filmschauspielerinnen in ihren viel zu dünnen Roben - aber wer, wie Nina Hoss, zwanzig Minuten lang die Stromstöße der Aufmerksamkeitswelle auf der Haut spürt, braucht keinen Mantel und keinen Schal. Die freudige Selbstentblößung im Blitzlicht funktioniert seit Jahren immer gleich, es wirken ja die selben Darsteller mit: Die immerjunge Iris Berben, die elegante Sibel Kekilli, die großäugige Heike Makatsch, die lustige Jessica Schwarz, der galante Mario Adorf, der gut gelaunte Herr mit dem Hut (Festivalchef Dieter Kosslick) oder der Mann, der phänotypisch immer mehr an den US-Schauspieler Alec Baldwin erinnert, aber als Regierender Bürgermeister von Berlin momentan vielleicht die schwerste Rolle von allen hat.
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Seltsam, dieser Berlinale-Rausch. Man kann sich diesem Phänomen nicht entziehen. Und auf einmal fangen die Bilder an, sich im Kopf zu drehen, bis einem schwindlig wird. Man könnte schwören: Genau diese Eröffnungsgala hat man doch im Vorjahr und vor zwei und vor drei Jahren auch schon erlebt, selbst wenn sich dieses Mal ein paar schicke Chinesen unter das Publikum mischen und mit den Amerikanern Jane Fonda und Tim Robbins eine Prise Hollywood zugefügt ist. Aber alles andere kommt einem merkwürdig vertraut vor. Anke Engelke moderiert mit der gewohnten Respektlosigkeit, die auch vor Stars und Sponsoren keinen Halt macht, man kennt das. Dieter Kosslick weiß wieder nicht, was er sagen soll, was ansteckend wirkt, denn auch Klaus Wowereit scheint nicht ganz bei der Sache zu sein, als er sich und dem Publikum viele schöne Filme wünscht. Und Kulturstaatsminister Bernd Neumann hat offenbar den zusammengefalteten Zettel mit der Rede von 2012 eingesteckt: Deshalb bekommt er auch an der gleichen Stelle wie im Vorjahr heftigen Applaus - als er an die Situation der politisch verfolgten Filmemacher erinnert.
Nun ist eine Festival-Eröffnung keine Oscar-Verleihung, man sollte sie nicht mit zu hohen Erwartungen überfrachten. Letztlich kommt es ja auf die Qualität der Filme an, auf das Gesamtkunstwerk Berlinale mit seinen Premieren, Partys und Publikumsveranstaltungen. Aber etwas mehr Anstrengung, Originalität und Filmverstand darf man schon erwarten - bitte nicht nur die ollen Kamellen! Wenn dieser Auftakt der Maßstab ist, dann gibt es nur eine Konsequenz: Das Festival braucht dringend frischen Schwung, neue Ideen und eine konsequente Führung. Auch wenn es wahrscheinlich kein besseres Berlinale-Maskottchen gibt als Dieter Kosslick, den Lieblingsschwaben der Berliner.
Lustig ist der Abend immer dann, wenn die alten Bekannten mal aus sich herausgehen. Der Unterhaltungsteil wird in diesem Jahr von Ulrich Tukur und seinen 'Rhythmus Boys' bestritten. Tukur gibt den Entertainer am Klavier und am Akkordeon, er trägt Songs aus den zwanziger Jahren vor und lässt am Ende seine alten Knaben das passende Untergangslied singen: 'Fun on the Titanic'. Das ist schön, aber den Abend kann er mit seinen Nostalgie-Nummern auch nicht retten. Diese Aufgabe hat ja eigentlich der Jurypräsident Wong Kar Wai, von dem das Unmögliche erwartet wird: Einerseits soll er den Wettbewerb und somit das gesamte Festival möglichst glanzvoll nach außen vertreten, ohne den anderen dabei die Show zu stehlen. Andererseits muss er sich selbst der Kritik stellen, weil er auch noch den diesjährigen Eröffnungsfilm beisteuert. Das Kung-Fu-Epos 'The Grandmaster', das außerhalb des Wettbewerbs läuft.
Eröffnungsfilme haben die Angewohnheit, gleich wieder vergessen zu werden, weil die Premierengäste schon beim zweiten Glas Weißwein mit anderen Dingen beschäftigt sind, im Zweifel mit sich selbst. In diesem Fall jedoch bleibt der Film von Wong Kar Wai länger Gesprächsthema. Wobei sich das Publikum in zwei Lager teilt: Ein Teil hält 'The Grandmaster' eindeutig für ein philosophisch-poetisches Meisterwerk und den Regisseur aus Hongkong für einen Weltweisen mit Sonnenbrille. Der andere, deutlich größere Teil hat die Geschichte eines legendären Kung-Fu-Lehrers im China der dreißiger und vierziger Jahre nicht so ganz verstanden. So wie die auch mit 75 überaus attraktive Jane Fonda, die nach einem Handlungsstrang sucht und keine Miene bei ihrer Frage verzieht: 'Did anyone get the story?'
Ja, die Story, wie war die noch? Selbst der hyperaktive Schauspieler Armin Rohde, Träger eines braunen Gürtels im Judo, muss passen, obwohl er den Film 'gigantisch gut' findet. Macht aber nichts, es kommt ja viel mehr darauf an, dass sich der Berlinale-Rausch nicht verflüchtigt. Und das wird nicht passieren, denn die Stars lieben den Berliner Karneval. In dieser Hinsicht kommen aus der Hauptstadt nur gute Nachrichten: Hugh Grant ist zuverlässig in Tegel gelandet, und Matt Damon, der beim Festival seinen Film 'Promised Land' vorstellt, ist zu seinem Buddy George Clooney ins Soho House gezogen. Wenn die Berliner Glück haben, rollt sogar noch Gérard Depardieu an, er steht angeblich auf der Gästeliste einer Wodka-Firma.
Passt schon, würde man andernorts wohl sagen.
Berlin braucht keinen Karneval, um sich in einen Rausch hineinzusteigern, es hat ja das kälteste Großfilmfestival der Welt. Statt Konfetti-Paraden gibt hier es hier den roten Teppich vor dem Berlinale-Palast am Potsdamer Platz.
Auf diesem Teppich flippen sie jedes Jahr wieder aus, die Fotografen und die Fans, die deutschen Filmschauspieler und Filmschauspielerinnen in ihren viel zu dünnen Roben - aber wer, wie Nina Hoss, zwanzig Minuten lang die Stromstöße der Aufmerksamkeitswelle auf der Haut spürt, braucht keinen Mantel und keinen Schal. Die freudige Selbstentblößung im Blitzlicht funktioniert seit Jahren immer gleich, es wirken ja die selben Darsteller mit: Die immerjunge Iris Berben, die elegante Sibel Kekilli, die großäugige Heike Makatsch, die lustige Jessica Schwarz, der galante Mario Adorf, der gut gelaunte Herr mit dem Hut (Festivalchef Dieter Kosslick) oder der Mann, der phänotypisch immer mehr an den US-Schauspieler Alec Baldwin erinnert, aber als Regierender Bürgermeister von Berlin momentan vielleicht die schwerste Rolle von allen hat.

Seltsam, dieser Berlinale-Rausch. Man kann sich diesem Phänomen nicht entziehen. Und auf einmal fangen die Bilder an, sich im Kopf zu drehen, bis einem schwindlig wird. Man könnte schwören: Genau diese Eröffnungsgala hat man doch im Vorjahr und vor zwei und vor drei Jahren auch schon erlebt, selbst wenn sich dieses Mal ein paar schicke Chinesen unter das Publikum mischen und mit den Amerikanern Jane Fonda und Tim Robbins eine Prise Hollywood zugefügt ist. Aber alles andere kommt einem merkwürdig vertraut vor. Anke Engelke moderiert mit der gewohnten Respektlosigkeit, die auch vor Stars und Sponsoren keinen Halt macht, man kennt das. Dieter Kosslick weiß wieder nicht, was er sagen soll, was ansteckend wirkt, denn auch Klaus Wowereit scheint nicht ganz bei der Sache zu sein, als er sich und dem Publikum viele schöne Filme wünscht. Und Kulturstaatsminister Bernd Neumann hat offenbar den zusammengefalteten Zettel mit der Rede von 2012 eingesteckt: Deshalb bekommt er auch an der gleichen Stelle wie im Vorjahr heftigen Applaus - als er an die Situation der politisch verfolgten Filmemacher erinnert.
Nun ist eine Festival-Eröffnung keine Oscar-Verleihung, man sollte sie nicht mit zu hohen Erwartungen überfrachten. Letztlich kommt es ja auf die Qualität der Filme an, auf das Gesamtkunstwerk Berlinale mit seinen Premieren, Partys und Publikumsveranstaltungen. Aber etwas mehr Anstrengung, Originalität und Filmverstand darf man schon erwarten - bitte nicht nur die ollen Kamellen! Wenn dieser Auftakt der Maßstab ist, dann gibt es nur eine Konsequenz: Das Festival braucht dringend frischen Schwung, neue Ideen und eine konsequente Führung. Auch wenn es wahrscheinlich kein besseres Berlinale-Maskottchen gibt als Dieter Kosslick, den Lieblingsschwaben der Berliner.
Lustig ist der Abend immer dann, wenn die alten Bekannten mal aus sich herausgehen. Der Unterhaltungsteil wird in diesem Jahr von Ulrich Tukur und seinen 'Rhythmus Boys' bestritten. Tukur gibt den Entertainer am Klavier und am Akkordeon, er trägt Songs aus den zwanziger Jahren vor und lässt am Ende seine alten Knaben das passende Untergangslied singen: 'Fun on the Titanic'. Das ist schön, aber den Abend kann er mit seinen Nostalgie-Nummern auch nicht retten. Diese Aufgabe hat ja eigentlich der Jurypräsident Wong Kar Wai, von dem das Unmögliche erwartet wird: Einerseits soll er den Wettbewerb und somit das gesamte Festival möglichst glanzvoll nach außen vertreten, ohne den anderen dabei die Show zu stehlen. Andererseits muss er sich selbst der Kritik stellen, weil er auch noch den diesjährigen Eröffnungsfilm beisteuert. Das Kung-Fu-Epos 'The Grandmaster', das außerhalb des Wettbewerbs läuft.
Eröffnungsfilme haben die Angewohnheit, gleich wieder vergessen zu werden, weil die Premierengäste schon beim zweiten Glas Weißwein mit anderen Dingen beschäftigt sind, im Zweifel mit sich selbst. In diesem Fall jedoch bleibt der Film von Wong Kar Wai länger Gesprächsthema. Wobei sich das Publikum in zwei Lager teilt: Ein Teil hält 'The Grandmaster' eindeutig für ein philosophisch-poetisches Meisterwerk und den Regisseur aus Hongkong für einen Weltweisen mit Sonnenbrille. Der andere, deutlich größere Teil hat die Geschichte eines legendären Kung-Fu-Lehrers im China der dreißiger und vierziger Jahre nicht so ganz verstanden. So wie die auch mit 75 überaus attraktive Jane Fonda, die nach einem Handlungsstrang sucht und keine Miene bei ihrer Frage verzieht: 'Did anyone get the story?'
Ja, die Story, wie war die noch? Selbst der hyperaktive Schauspieler Armin Rohde, Träger eines braunen Gürtels im Judo, muss passen, obwohl er den Film 'gigantisch gut' findet. Macht aber nichts, es kommt ja viel mehr darauf an, dass sich der Berlinale-Rausch nicht verflüchtigt. Und das wird nicht passieren, denn die Stars lieben den Berliner Karneval. In dieser Hinsicht kommen aus der Hauptstadt nur gute Nachrichten: Hugh Grant ist zuverlässig in Tegel gelandet, und Matt Damon, der beim Festival seinen Film 'Promised Land' vorstellt, ist zu seinem Buddy George Clooney ins Soho House gezogen. Wenn die Berliner Glück haben, rollt sogar noch Gérard Depardieu an, er steht angeblich auf der Gästeliste einer Wodka-Firma.
Passt schon, würde man andernorts wohl sagen.