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Empörung über Militär-Geheimdienst

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MAD wollte den späteren Rechtsterroristen Uwe Mundlos schon 1995 als Informanten gewinnen. Die Behörde kannte seine extreme Haltung. Der Untersuchungsausschuss erfuhr das erst jetzt

Nach der Aktenvernichtung beim Verfassungsschutz geraten nun auch das Verteidigungsministerium und der Militärische Abschirmdienst (MAD) in Erklärungsnot. Erst am Dienstag wurde bekannt, dass der MAD bereits seit 1995 Erkenntnisse über die rechtsextreme Gesinnung des späteren NSU-Terroristen Uwe Mundlos hatte und ihn deshalb als Informanten zu gewinnen suchte. Er wurde damals gefragt, ob er den Behörden geplante Angriffe auf Asylbewerberheime melden könnte. Mundlos lehnte ab. Er 'könne sich nicht vorstellen, mit den Behörden zu kooperieren', heißt es in einer alten Akte. Das Verteidigungsministerium erklärte dazu: Der MAD 'hatte zu keinen Zeitpunkt die Absicht, Mundlos anzuwerben'.

Im Untersuchungsausschuss des Bundestags, der das Behördenversagen bei der rechten Terrorgruppe 'Nationalsozialistischer Untergrund' (NSU) aufklären will, kam es am Dienstag zum Eklat. Abgeordnete aller Fraktionen rügten scharf, dass sie erst jetzt Informationen über die Akte erhalten hätten, obwohl die Behörden bereits seit März davon gewusst haben sollen. Der Ausschussvorsitzende Sebastian Edathy (SPD) sprach von einem 'unentschuldbaren Verhalten' der Behörden, der Grünen-Abgeordnete Wolfgang Wieland von einem 'Vertrauensbruch', die SPD-Obfrau Eva Högl von einem 'Skandal'.



Der Gruenen-Abgeordnete Christian Stroebele spricht am Dienstag im Bundestag in Berlin während einer Pause des NSU-Untersuchungsausschusses zu Journalisten.

Das Verteidigungsministerium hat erst auf eine Anfrage Hans-Christian Ströbeles (Grüne) schriftlich eingeräumt, dass der MAD 1995 eine Akte über Mundlos angelegt hatte. Sie betraf dessen Wehrdienstzeit 1994/95 in Bad Frankenhausen. Mundlos und fünf Kameraden waren durch das Hören von 'Skin-Musik' und durch rechtsextremistisches Verhalten aufgefallen. Mundlos und die anderen wurden deshalb vom MAD befragt. Mundlos erzählte demnach, er habe bereits als 15-Jähriger Kontakte zu einer Skin-Gruppe gehabt und sich aus Trotz gegen das 'SED-Regime' ein entsprechendes 'Outfit' zugelegt. Ihm gehe es lediglich darum, mit seinen 'Kumpels' Spaß zu haben, soll Mundlos gesagt haben. Politisch sei er 'unmotiviert'. Er habe nichts gegen Asylbewerber. Es sei 'schlimm', was 'damals mit den Juden passiert' sei; dafür dürfe der 'deutsche Soldat' aber nicht mehr an den Pranger gestellt werden. Kurz nach dieser Aussage versuchten die MAD-Beamten, Mundlos anzuwerben - vergeblich. Mundlos tauchte Anfang 1998 mit Beate Zschäpe und Uwe Böhnhardt ab. Die dem Trio zugeschriebene Mordserie begann im September 2000.

Die Akte beim MAD wurde offenbar bereits vernichtet, der Zeitpunkt blieb zunächst unklar. Der Ausschuss wollte noch am Abend den MAD-Präsidenten Ulrich Birkenheier in den Ausschuss zitieren. Der MAD hatte die Akte einst auch an das Bundesamt für Verfassungsschutz und an drei Landesämter weitergereicht; deshalb liegt sie doch noch vor. Die Linke-Abgeordnete Petra Pau sagte: 'Offensichtlich bin ich vom MAD belogen worden.' Sie habe beim MAD ausdrücklich nach Kenntnissen über den NSU gefragt; ihr sei aber nichts mitgeteilt worden. Der CDU-Obmann Clemens Binninger bedankte sich bei Ströbele, durch dessen Anfrage der Fall nun ans Licht gekommen sei.

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