Das deutsche Bildungssystem benachteiligt die Schwächeren, wie der aktuelle OECD-Bericht zeigt. Zwar steigt die Zahl der Studenten. Doch viele Kinder bleiben sogar hinter dem Niveau ihrer Eltern zurück
Für Kinder aus sozial benachteiligten Schichten bietet Deutschland nach wie vor geringere Bildungschancen als viele andere Länder. Nur jeder Fünfte erreicht einen höheren Abschluss, als ihn Vater oder Mutter besitzen, 22 Prozent fallen sogar hinter den Status der Eltern zurück. Dies geht aus dem am Dienstag vorgestellten Bildungsbericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hervor. Im Schnitt der 34 untersuchten Staaten übertrumpfen dagegen mehr als ein Drittel der Kinder ihre Eltern bei der Bildung. Besonders gute Perspektiven gibt es demnach etwa in Australien, Irland, Italien und Polen. Allerdings war das Bildungsniveau in manchen OECD-Ländern historisch relativ niedrig, während in Deutschland viele Bürger zumindest den mittleren Schulabschluss haben. Die Bundesregierung wies die Rüge der OECD am Dienstag harsch zurück, Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) bezeichnete die Studie als "abwegig".
Wie im internationalen Trend studieren auch in Deutschland immer mehr junge Leute. Der jüngste Rekord an Erstsemestern - 2011 eine halbe Million - war nicht nur durch doppelte Abiturjahrgänge in einigen Bundesländern entstanden, sondern auch wegen eines teils erleichterten Hochschulzugang. Zum Vergleich: In den 90er-Jahren lag die Zahl der Studienanfänger stets unter der Marke von 300000. Der OECD-Studie zufolge studieren jedoch nur sechs Prozent der Kinder, deren Eltern ein niedriges Bildungsniveau haben - international sind es im Schnitt 17 Prozent.
Zwar bleiben trotz des weltweiten Abschwungs die Berufschancen krisensicher. So ist die Jugendarbeitslosigkeit zwischen Kiel und Berchtesgaden die geringste in Europa. Doch die Forscher sorgen sich um die fehlende Durchlässigkeit des Systems. Finnland zum Beispiel gleiche soziale Nachteile qua Herkunft oft schon innerhalb des Schulsystems aus, sagte OECD-Bildungsexperte Andreas Schleicher laut Agenturberichten. Deutschland benachteilige etwa Migrantenkinder doppelt: Zusätzlich zu den oft ungünstigen Startbedingungen im Elternhaus litten diese durch das mehrgliedrige Schulsystem unter schlechteren Lernumfeldern. "Wir müssen unsere Bildungssysteme so aufstellen, dass sie das Potenzial an Kandidaten für hoch qualifizierte Arbeitsplätze bestmöglich ausschöpfen", sagte die Leiterin des OECD-Bildungsdirektorats, Barbara Ischinger.
Mit Blick auf die Ausgaben im Vergleich zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) lässt sich Berlin Bildung weniger kosten als andere Regierungen - auch wenn die Investitionen zuletzt gestiegen sind. 2009 gaben die OECD-Länder durchschnittlich 6,2 Prozent ihres BIP für Bildung aus, Deutschland nur 5, 3 Prozent. In Dänemark, Israel, Korea, Neuseeland und den USA waren es mehr als sieben Prozent. Das Schlusslicht bilden unter anderem Italien und Ungarn. Mehr als andere Länder muss Berlin dabei für Lehrer bezahlen. Oberstufenlehrer steigen im Lauf der Karriere bis zu einem Jahresgehalt von 76000 US-Dollar auf, im OECD-Schnitt sind es knapp 50000.
Auf dem Bildungsgipfel 2008 in Dresden hatten Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten zwei Ziele für eine "Bildungsrepublik bis 2015" vorgegeben: Einerseits solle die Zahl der Schulabbrecher und Berufslosen um die Hälfte sinken; andererseits wolle man jeden zehnten Euro des BIP für Bildung ausgeben. Eine magere Zwischenbilanz bei den Abbrechern hatte jüngst der Deutsche Gewerkschaftsbund aufgezeigt. Nun stellt die OECD dem Projekt Bildungsrepublik auch bei den Investitionen ein schlechtes Zeugnis aus. "Deutschland tritt bei den Bildungsausgaben auf der Stelle. Dabei öffnet sich die Schere zwischen höher und schlechter qualifizierten Menschen immer weiter", reagierte die Bildungsgewerkschaft GEW auf die Studie. Das Deutsche Studentenwerk forderte, eine konsequente Öffnung des Systems, etwa durch Verbesserungen beim Bafög: "Wie vieler Studien bedarf es noch, die nachweisen, wie sozial selektiv das deutsche Hochschulsystem ist?" Die SPD teilte mit, "Merkels Bildungsrepublik bleibt eine Fata Morgana".
Ministerin Annette Schavan attackierte die OECD. Es sei keine Verschlechterung, wenn etwa ein Akademikerkind eine Lehre absolviere. "Wenn der Vater Professor und der Sohn Optiker ist, ist das kein Abstieg." International interessierten sich viele Länder für das deutsche System der dualen Ausbildung - dem "bildungspolitischen Anker in der Krise". Schavan verwies auch auf die geringe Jugendarbeitslosigkeit.
Erst am Montag hatte eine Studie des Mannheimer Zentrums für Europäische Sozialforschung gerügt, dass die Zugangswege zum Studium "sozial selektiv" seien. Zwar erwerben demnach heute mehr Arbeiterkinder eine Hochschulzugangsberechtigung als vor 30 Jahren, vor allem über alternative Wege wie berufsbildende Schulen. Die Hälfte der Studienberechtigten aus bildungsfernen Schichten entscheide sich aber gegen ein Studium - eine "Aufstiegsangst" sei zu registrieren. Nie zuvor seien die Chancen besser gewesen, sagte der bildungspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Albert Rupprecht: "Die Möglichkeiten sind da. Sich aufraffen und sie nutzen, muss jeder schon selbst."
Für Kinder aus sozial benachteiligten Schichten bietet Deutschland nach wie vor geringere Bildungschancen als viele andere Länder. Nur jeder Fünfte erreicht einen höheren Abschluss, als ihn Vater oder Mutter besitzen, 22 Prozent fallen sogar hinter den Status der Eltern zurück. Dies geht aus dem am Dienstag vorgestellten Bildungsbericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hervor. Im Schnitt der 34 untersuchten Staaten übertrumpfen dagegen mehr als ein Drittel der Kinder ihre Eltern bei der Bildung. Besonders gute Perspektiven gibt es demnach etwa in Australien, Irland, Italien und Polen. Allerdings war das Bildungsniveau in manchen OECD-Ländern historisch relativ niedrig, während in Deutschland viele Bürger zumindest den mittleren Schulabschluss haben. Die Bundesregierung wies die Rüge der OECD am Dienstag harsch zurück, Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) bezeichnete die Studie als "abwegig".
Wie im internationalen Trend studieren auch in Deutschland immer mehr junge Leute. Der jüngste Rekord an Erstsemestern - 2011 eine halbe Million - war nicht nur durch doppelte Abiturjahrgänge in einigen Bundesländern entstanden, sondern auch wegen eines teils erleichterten Hochschulzugang. Zum Vergleich: In den 90er-Jahren lag die Zahl der Studienanfänger stets unter der Marke von 300000. Der OECD-Studie zufolge studieren jedoch nur sechs Prozent der Kinder, deren Eltern ein niedriges Bildungsniveau haben - international sind es im Schnitt 17 Prozent.
Zwar bleiben trotz des weltweiten Abschwungs die Berufschancen krisensicher. So ist die Jugendarbeitslosigkeit zwischen Kiel und Berchtesgaden die geringste in Europa. Doch die Forscher sorgen sich um die fehlende Durchlässigkeit des Systems. Finnland zum Beispiel gleiche soziale Nachteile qua Herkunft oft schon innerhalb des Schulsystems aus, sagte OECD-Bildungsexperte Andreas Schleicher laut Agenturberichten. Deutschland benachteilige etwa Migrantenkinder doppelt: Zusätzlich zu den oft ungünstigen Startbedingungen im Elternhaus litten diese durch das mehrgliedrige Schulsystem unter schlechteren Lernumfeldern. "Wir müssen unsere Bildungssysteme so aufstellen, dass sie das Potenzial an Kandidaten für hoch qualifizierte Arbeitsplätze bestmöglich ausschöpfen", sagte die Leiterin des OECD-Bildungsdirektorats, Barbara Ischinger.
Mit Blick auf die Ausgaben im Vergleich zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) lässt sich Berlin Bildung weniger kosten als andere Regierungen - auch wenn die Investitionen zuletzt gestiegen sind. 2009 gaben die OECD-Länder durchschnittlich 6,2 Prozent ihres BIP für Bildung aus, Deutschland nur 5, 3 Prozent. In Dänemark, Israel, Korea, Neuseeland und den USA waren es mehr als sieben Prozent. Das Schlusslicht bilden unter anderem Italien und Ungarn. Mehr als andere Länder muss Berlin dabei für Lehrer bezahlen. Oberstufenlehrer steigen im Lauf der Karriere bis zu einem Jahresgehalt von 76000 US-Dollar auf, im OECD-Schnitt sind es knapp 50000.
Auf dem Bildungsgipfel 2008 in Dresden hatten Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten zwei Ziele für eine "Bildungsrepublik bis 2015" vorgegeben: Einerseits solle die Zahl der Schulabbrecher und Berufslosen um die Hälfte sinken; andererseits wolle man jeden zehnten Euro des BIP für Bildung ausgeben. Eine magere Zwischenbilanz bei den Abbrechern hatte jüngst der Deutsche Gewerkschaftsbund aufgezeigt. Nun stellt die OECD dem Projekt Bildungsrepublik auch bei den Investitionen ein schlechtes Zeugnis aus. "Deutschland tritt bei den Bildungsausgaben auf der Stelle. Dabei öffnet sich die Schere zwischen höher und schlechter qualifizierten Menschen immer weiter", reagierte die Bildungsgewerkschaft GEW auf die Studie. Das Deutsche Studentenwerk forderte, eine konsequente Öffnung des Systems, etwa durch Verbesserungen beim Bafög: "Wie vieler Studien bedarf es noch, die nachweisen, wie sozial selektiv das deutsche Hochschulsystem ist?" Die SPD teilte mit, "Merkels Bildungsrepublik bleibt eine Fata Morgana".
Ministerin Annette Schavan attackierte die OECD. Es sei keine Verschlechterung, wenn etwa ein Akademikerkind eine Lehre absolviere. "Wenn der Vater Professor und der Sohn Optiker ist, ist das kein Abstieg." International interessierten sich viele Länder für das deutsche System der dualen Ausbildung - dem "bildungspolitischen Anker in der Krise". Schavan verwies auch auf die geringe Jugendarbeitslosigkeit.
Erst am Montag hatte eine Studie des Mannheimer Zentrums für Europäische Sozialforschung gerügt, dass die Zugangswege zum Studium "sozial selektiv" seien. Zwar erwerben demnach heute mehr Arbeiterkinder eine Hochschulzugangsberechtigung als vor 30 Jahren, vor allem über alternative Wege wie berufsbildende Schulen. Die Hälfte der Studienberechtigten aus bildungsfernen Schichten entscheide sich aber gegen ein Studium - eine "Aufstiegsangst" sei zu registrieren. Nie zuvor seien die Chancen besser gewesen, sagte der bildungspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Albert Rupprecht: "Die Möglichkeiten sind da. Sich aufraffen und sie nutzen, muss jeder schon selbst."