Bei einem Adventure-Camp in den Alpen will die Bundeswehr mithilfe der Zeitschrift "Bravo" Nachwuchs anwerben. Die Frage ist nur: Wie lustig können eigentlich Übungen sein, die Soldaten auf den Krieg vorbereiten sollen?
Was hatten sich die Leute beschwert, als sie das Werbevideo der Bundeswehr gesehen hatten: Berggipfel, weiter Himmel, Wasser und nirgends den Krieg. Irreführend, sagten Kinderrechtler. Inakzeptabel, sagten Politiker. Sonst würde niemand kommen, sagt Oberstleutnant Carsten Spiering und bohrt die Ferse in den Schlamm. Spiering ist Sprecher der Bundeswehr in Bayern, er steht am Stützpunkt der Gebirgsjäger bei Berchtesgaden, es regnet, ab und zu krächzt ein Vogel. Spiering ist genervt. Selbst hier, wo Klettersteige "Harry Potter" und "Sternschnuppe" heißen und der Boden riecht, als wüchsen Gewürze auf ihm, hier ganz im Süden an der Grenze zu Österreich, wird Spiering die Bilder nicht los, die das Werbevideo für die diesjährigen "Adventure-Camps" in die Welt geschickt hat. Spiering hat das Gefühl, es gebe da ein Missverständnis. Und so ist es wohl auch.
9500 Männer und Frauen hat die Bundeswehr in diesem Jahr eingestellt, Bewerber gab es dreimal so viele. Dass das so bleibt, ist nicht sicher. Seit es die Wehrpflicht nicht mehr gibt, muss sich die Bundeswehr gegen andere Arbeitgeber behaupten. Das versucht sie unter anderem mit 40000 Euro teuren Camps in den Alpen und auf Sardinien. Das Werbevideo zur Aktion, das der Medienpartner Bravo für 215 000 Euro Kooperationsgebühr auf seiner Webseite zeigte, sollte Deutschlands Jugend dazu animieren, sich für ein kostenloses Abenteuer anzumelden - und der Bundeswehr dabei näherzukommen. Der Clip wirkte allerdings so, als hätte der Soldatenberuf vor allem mit Spaß zu tun. Dass nach dem Spaß der Krieg kommen kann, war nicht zu sehen. Inzwischen hat die Bravo den Clip entfernt, angeblich weil die Bewerbungsfrist für die Camps abgelaufen ist.
Das Abenteuer der 26 Jugendlichen, die vergangene Woche aus ganz Deutschland in die Alpen gereist sind, beginnt steil. Von Oberjettenberg bei Berchtesgaden ächzen die Teilnehmer, zwischen 17 und 20 Jahre alt, knapp die Hälfte von ihnen Mädchen, mit ihren Betreuern 1000 Höhenmeter zur Reiteralm hinauf. Mit Rucksack und im Gänsemarsch geht es den "Schrecksteig" entlang, unter den Füßen klickert Geröll, und damit die Jugendlichen sehen, dass auch Soldaten nicht immer alles tragen müssen, trotten vier beladene Mulis hinter der Truppe her. Einige Teilnehmer fragen sich, wann die "coole Berghütte" kommt, von der bei Bravo die Rede war. Später wird die Bravo bei Facebook posten: "Die erste Challenge ist geschafft." Ein paar Leuten gefällt das.
Action, Fun und Adventure - das sind Wörter, die am Anfang einer Karriere stehen sollen, die später in einem Gefecht enden kann. Oberstleutnant Spiering weiß, dass das nicht gut klingt. Er geht zwischen regenschweren Tannen durch, die Augen blau wie ein Husky, er glaubt, dass es nach dem, was Marktanalysen und Zielgruppenforschung sagen, trotzdem richtig war, diese Schlagworte in die Welt zu feuern. "Es geht um die Sicherung der Zukunft." Die Jugendlichen sollen den Alltag der Gebirgsjäger kennenlernen. "Sich informieren, mit Soldaten reden", sagt Spiering. "Ein Wir-Gefühl entwickeln". Viele Teilnehmer bringen das längst mit. Sie sind angereist in Flecktarn und mit Bundeswehr-Käppis, einige haben schon an fünf oder sechs Camps dieser Art teilgenommen. Für sie müsste die Bundeswehr dieses Alpenlager nicht veranstalten. Sie würden sich auch so zum Dienst verpflichten.
Sarah Baiting, 19, aus Stuttgart ist eine von ihnen. Sie war gerade in dem Camp bei der Luftwaffe auf Sardinien dabei, beim Schnorcheln und Speedboot-Fahren. Dann hat man sie gefragt, ob sie spontan noch Lust auf die Alpen hätte. Okay, sagte Sarah. An diesem Tag soll sie an sechs verschiedenen Stationen lernen, wie man sich als Soldat im Gebirge verhält. Mittags Fertignahrung essen, abends im Zelt übernachten. Am Tag darauf soll es einen Wettbewerb geben.
Bevor die Geländeübung an diesem Tag losgeht, steht Sarah auf Socken in der Alpenhütte, in der an der Wand ein Kreuz und am kleinen Kiosk ein Schild mit dem Aufdruck "Marketender" hängt. Sie hört einem Soldaten zu, der erklärt, aus welchen Teilen eine Bergausrüstung besteht, an die Scheibe peitscht der Regen. Es geht um Lawinensuchgeräte, Schneeschuhe und um die Helme. Die soll man nicht bekleben oder bemalen, auch nicht mit Smileys. Man soll keine Löcher reinbohren, auch nicht, wenn man schwitzt. Man soll sie nicht klauen. Anfassen darf man: "Feel free", sagt der Soldat. Die Soldaten, die das Camp betreuen, geben sich Mühe. Sie sind hilfsbereit, freundlich und versuchen, nicht im Militärjargon zu reden. Niemand soll zur Berufswahl gedrängt werden. Dennoch fühlt sich die Lässigkeit ein wenig gezwungen an. So, als würde es jemand bei einer Geburtstagsparty als Festrede eine Presseerklärung verlesen.
Sarah findet, dass es etwas Besonderes ist, Soldat zu sein. Sie will Herausforderung. Dass in Afghanistan "die Post abgeht", weiß sie. Und der Tod? Gehöre halt dazu. Ihr 18-jähriger Nachbar aus Langenfeld will "die Freiheit verteidigen". Ein 17-jähriges Mädchen aus Essen, so schmal, dass man Angst hat, sie könne zerbrechen, will zur Luftwaffe. Um ihre Hüften schlackert ein Klettergurt. Sie liest ein Buch, das "Soldatenglück" heißt und fragt, ob man eigentlich wisse, dass PTB "Posttraumatische Belastungsstörung" heiße. Auf Facebook postet sie Sprüche über Soldaten.
Der Bundeswehr können Leute wie diese gefallen. Sie werden auch in Zeiten ohne Wehrpflicht dafür sorgen, dass das Militär noch Personal hat. Leute wie Sarah sind in diesen Tagen die unkomplizierten. Sie wollen nicht nur Spaß, sondern wirklich etwas lernen. Die Bundeswehr will den Jugendlichen etwas bieten. Am ersten Abend gibt es Weißwürste, Brezn und einen Vortrag über die Ausbildung. Fotos von Wasserfällen, Schneewanderungen, Hubschraubern - es sieht sehr nach Abenteuer aus. Dann gibt es noch ein Spaß-Foto von einem Murmeltier mit Barett auf dem Kopf und einem Gewehr unter der Achsel. Das klickt der Soldat, der die Diashow am nächsten Tag noch einmal zeigt, schnell weiter. "Ich wollte den Jugendlichen nur sagen, dass sie die Murmeltiere hier oben in Ruhe lassen sollen", sagt er. Dann sagt er schnell etwas anderes. Wie viel Spaß darf man nach außen tragen, wenn man gerade für ein Spaß-Video Ärger gekriegt hat?
Ginge es nach der 18-jährigen Nina Englert aus Aschaffenburg, lautete die Antwort: Gerne noch mehr. Sie hat sich die Kapuze über das blonde Haar gezogen und versucht einen Knoten in ein Seil zu machen, der "gelegter Sackstich in Tropfenform" heißt. Nina steht an einer der sechs Stationen, die nun bewältigt werden müssen. Wäre sie nicht so höflich, würde sie womöglich sagen, dass ihr das Ganze ziemlich egal ist. Später geht es darum, eine Trage zusammenzubauen und einen Teilnehmer über Steine zu transportieren. Die Jugendlichen lernen, wie man sich bäuchlings über ein Seil zieht, das über einer Schlucht gespannt sein könnte. Sie schlagen sich zwischen die Tannen und malen sich die Gesicher mit grüner Schminke an. In der Hütte zeigt ein Soldat, wie man einen Kompass benutzt, ein Militärarzt erklärt, wie man Infusionen legt. Als es darum geht, wie man mit einer Vakuumpumpe Blut aus dem Mund eines Verletzten abpumpt, scheinen Ninas Augen groß aus dem geschminkten Gesicht. Später überlegt sie, nach Hause zu fahren. Auch, dass Soldaten erzählt hatten, wie man von oben Sprengfallen einsetzt, wenn der Feind unten am Berg steht, hat ihr nicht gefallen. "Hallo, da sterben Leute", sagt sie. Und: "Das mit dem Krieg geht mir schon ein bisschen gegen den Strich."
Auch für Jugendliche wie Nina müsste es dieses Camp nicht geben. Sie würde sich sowieso nie bei der Bundeswehr verpflichten. Dass Nina überhaupt da ist? Ein Missverständnis. Sie ist nach dem Abitur in der "Orientierungsphase", war in den USA zum Englisch lernen und reist demnächst nach Tansania, um in einer Lodge zu arbeiten. Ninas Mutter hat die Kampagne in der Bravo gesehen. Sie dachte, dass ihre Tochter immer Spaß in den Bergen habe und bewarb sich in ihrem Namen für das Adventure-Camp.
Eine weitere 17-Jährige aus Essen erzählt, sie habe über ihren Bravo-Account eine Einladung bekommen. Sie packte einen pinkfarbenen Riesenkoffer, lackierte sich die Nägel und fuhr nach München. Von dort aus, dachte sie, gehe es weiter zum Partymachen nach Sardinien. Erst am Bahnhof in Bayern dämmerte es ihr, dass der angekündigte "Fun" diesmal etwas mit Soldaten zu tun hat. In der Berghütte bleibt sie am nächsten Tag im Bett. Magenschmerzen. Der Riesenkoffer liegt neben ihr wie ein gestrandeter Rettungsring.
Oberstleutnant Spiering ist zufrieden, als er am Abend in die Gondel talabwärts steigt. Er sagt, was die Jugendlichen hier erleben, sei gar kein Abenteuer. "Es ist Alltag." Ein paar Stunden später sind auf der Facebook-Seite des Adventure-Camps Jugendliche mit grün bemalten Gesichtern zwischen dampfenden Tannen zu sehen. Der Himmel dahinter ist schwer und grau. Neben den Sonnenbildern aus Sardinien sieht es so aus, als könnten Abenteuer ungemütlich werden. Am nächsten Morgen sind die Bilder nicht mehr da. Schlechte Qualität, sagt eine Sprecherin der Bravo.
Was hatten sich die Leute beschwert, als sie das Werbevideo der Bundeswehr gesehen hatten: Berggipfel, weiter Himmel, Wasser und nirgends den Krieg. Irreführend, sagten Kinderrechtler. Inakzeptabel, sagten Politiker. Sonst würde niemand kommen, sagt Oberstleutnant Carsten Spiering und bohrt die Ferse in den Schlamm. Spiering ist Sprecher der Bundeswehr in Bayern, er steht am Stützpunkt der Gebirgsjäger bei Berchtesgaden, es regnet, ab und zu krächzt ein Vogel. Spiering ist genervt. Selbst hier, wo Klettersteige "Harry Potter" und "Sternschnuppe" heißen und der Boden riecht, als wüchsen Gewürze auf ihm, hier ganz im Süden an der Grenze zu Österreich, wird Spiering die Bilder nicht los, die das Werbevideo für die diesjährigen "Adventure-Camps" in die Welt geschickt hat. Spiering hat das Gefühl, es gebe da ein Missverständnis. Und so ist es wohl auch.
9500 Männer und Frauen hat die Bundeswehr in diesem Jahr eingestellt, Bewerber gab es dreimal so viele. Dass das so bleibt, ist nicht sicher. Seit es die Wehrpflicht nicht mehr gibt, muss sich die Bundeswehr gegen andere Arbeitgeber behaupten. Das versucht sie unter anderem mit 40000 Euro teuren Camps in den Alpen und auf Sardinien. Das Werbevideo zur Aktion, das der Medienpartner Bravo für 215 000 Euro Kooperationsgebühr auf seiner Webseite zeigte, sollte Deutschlands Jugend dazu animieren, sich für ein kostenloses Abenteuer anzumelden - und der Bundeswehr dabei näherzukommen. Der Clip wirkte allerdings so, als hätte der Soldatenberuf vor allem mit Spaß zu tun. Dass nach dem Spaß der Krieg kommen kann, war nicht zu sehen. Inzwischen hat die Bravo den Clip entfernt, angeblich weil die Bewerbungsfrist für die Camps abgelaufen ist.
Das Abenteuer der 26 Jugendlichen, die vergangene Woche aus ganz Deutschland in die Alpen gereist sind, beginnt steil. Von Oberjettenberg bei Berchtesgaden ächzen die Teilnehmer, zwischen 17 und 20 Jahre alt, knapp die Hälfte von ihnen Mädchen, mit ihren Betreuern 1000 Höhenmeter zur Reiteralm hinauf. Mit Rucksack und im Gänsemarsch geht es den "Schrecksteig" entlang, unter den Füßen klickert Geröll, und damit die Jugendlichen sehen, dass auch Soldaten nicht immer alles tragen müssen, trotten vier beladene Mulis hinter der Truppe her. Einige Teilnehmer fragen sich, wann die "coole Berghütte" kommt, von der bei Bravo die Rede war. Später wird die Bravo bei Facebook posten: "Die erste Challenge ist geschafft." Ein paar Leuten gefällt das.
Action, Fun und Adventure - das sind Wörter, die am Anfang einer Karriere stehen sollen, die später in einem Gefecht enden kann. Oberstleutnant Spiering weiß, dass das nicht gut klingt. Er geht zwischen regenschweren Tannen durch, die Augen blau wie ein Husky, er glaubt, dass es nach dem, was Marktanalysen und Zielgruppenforschung sagen, trotzdem richtig war, diese Schlagworte in die Welt zu feuern. "Es geht um die Sicherung der Zukunft." Die Jugendlichen sollen den Alltag der Gebirgsjäger kennenlernen. "Sich informieren, mit Soldaten reden", sagt Spiering. "Ein Wir-Gefühl entwickeln". Viele Teilnehmer bringen das längst mit. Sie sind angereist in Flecktarn und mit Bundeswehr-Käppis, einige haben schon an fünf oder sechs Camps dieser Art teilgenommen. Für sie müsste die Bundeswehr dieses Alpenlager nicht veranstalten. Sie würden sich auch so zum Dienst verpflichten.
Sarah Baiting, 19, aus Stuttgart ist eine von ihnen. Sie war gerade in dem Camp bei der Luftwaffe auf Sardinien dabei, beim Schnorcheln und Speedboot-Fahren. Dann hat man sie gefragt, ob sie spontan noch Lust auf die Alpen hätte. Okay, sagte Sarah. An diesem Tag soll sie an sechs verschiedenen Stationen lernen, wie man sich als Soldat im Gebirge verhält. Mittags Fertignahrung essen, abends im Zelt übernachten. Am Tag darauf soll es einen Wettbewerb geben.
Bevor die Geländeübung an diesem Tag losgeht, steht Sarah auf Socken in der Alpenhütte, in der an der Wand ein Kreuz und am kleinen Kiosk ein Schild mit dem Aufdruck "Marketender" hängt. Sie hört einem Soldaten zu, der erklärt, aus welchen Teilen eine Bergausrüstung besteht, an die Scheibe peitscht der Regen. Es geht um Lawinensuchgeräte, Schneeschuhe und um die Helme. Die soll man nicht bekleben oder bemalen, auch nicht mit Smileys. Man soll keine Löcher reinbohren, auch nicht, wenn man schwitzt. Man soll sie nicht klauen. Anfassen darf man: "Feel free", sagt der Soldat. Die Soldaten, die das Camp betreuen, geben sich Mühe. Sie sind hilfsbereit, freundlich und versuchen, nicht im Militärjargon zu reden. Niemand soll zur Berufswahl gedrängt werden. Dennoch fühlt sich die Lässigkeit ein wenig gezwungen an. So, als würde es jemand bei einer Geburtstagsparty als Festrede eine Presseerklärung verlesen.
Sarah findet, dass es etwas Besonderes ist, Soldat zu sein. Sie will Herausforderung. Dass in Afghanistan "die Post abgeht", weiß sie. Und der Tod? Gehöre halt dazu. Ihr 18-jähriger Nachbar aus Langenfeld will "die Freiheit verteidigen". Ein 17-jähriges Mädchen aus Essen, so schmal, dass man Angst hat, sie könne zerbrechen, will zur Luftwaffe. Um ihre Hüften schlackert ein Klettergurt. Sie liest ein Buch, das "Soldatenglück" heißt und fragt, ob man eigentlich wisse, dass PTB "Posttraumatische Belastungsstörung" heiße. Auf Facebook postet sie Sprüche über Soldaten.
Der Bundeswehr können Leute wie diese gefallen. Sie werden auch in Zeiten ohne Wehrpflicht dafür sorgen, dass das Militär noch Personal hat. Leute wie Sarah sind in diesen Tagen die unkomplizierten. Sie wollen nicht nur Spaß, sondern wirklich etwas lernen. Die Bundeswehr will den Jugendlichen etwas bieten. Am ersten Abend gibt es Weißwürste, Brezn und einen Vortrag über die Ausbildung. Fotos von Wasserfällen, Schneewanderungen, Hubschraubern - es sieht sehr nach Abenteuer aus. Dann gibt es noch ein Spaß-Foto von einem Murmeltier mit Barett auf dem Kopf und einem Gewehr unter der Achsel. Das klickt der Soldat, der die Diashow am nächsten Tag noch einmal zeigt, schnell weiter. "Ich wollte den Jugendlichen nur sagen, dass sie die Murmeltiere hier oben in Ruhe lassen sollen", sagt er. Dann sagt er schnell etwas anderes. Wie viel Spaß darf man nach außen tragen, wenn man gerade für ein Spaß-Video Ärger gekriegt hat?
Ginge es nach der 18-jährigen Nina Englert aus Aschaffenburg, lautete die Antwort: Gerne noch mehr. Sie hat sich die Kapuze über das blonde Haar gezogen und versucht einen Knoten in ein Seil zu machen, der "gelegter Sackstich in Tropfenform" heißt. Nina steht an einer der sechs Stationen, die nun bewältigt werden müssen. Wäre sie nicht so höflich, würde sie womöglich sagen, dass ihr das Ganze ziemlich egal ist. Später geht es darum, eine Trage zusammenzubauen und einen Teilnehmer über Steine zu transportieren. Die Jugendlichen lernen, wie man sich bäuchlings über ein Seil zieht, das über einer Schlucht gespannt sein könnte. Sie schlagen sich zwischen die Tannen und malen sich die Gesicher mit grüner Schminke an. In der Hütte zeigt ein Soldat, wie man einen Kompass benutzt, ein Militärarzt erklärt, wie man Infusionen legt. Als es darum geht, wie man mit einer Vakuumpumpe Blut aus dem Mund eines Verletzten abpumpt, scheinen Ninas Augen groß aus dem geschminkten Gesicht. Später überlegt sie, nach Hause zu fahren. Auch, dass Soldaten erzählt hatten, wie man von oben Sprengfallen einsetzt, wenn der Feind unten am Berg steht, hat ihr nicht gefallen. "Hallo, da sterben Leute", sagt sie. Und: "Das mit dem Krieg geht mir schon ein bisschen gegen den Strich."
Auch für Jugendliche wie Nina müsste es dieses Camp nicht geben. Sie würde sich sowieso nie bei der Bundeswehr verpflichten. Dass Nina überhaupt da ist? Ein Missverständnis. Sie ist nach dem Abitur in der "Orientierungsphase", war in den USA zum Englisch lernen und reist demnächst nach Tansania, um in einer Lodge zu arbeiten. Ninas Mutter hat die Kampagne in der Bravo gesehen. Sie dachte, dass ihre Tochter immer Spaß in den Bergen habe und bewarb sich in ihrem Namen für das Adventure-Camp.
Eine weitere 17-Jährige aus Essen erzählt, sie habe über ihren Bravo-Account eine Einladung bekommen. Sie packte einen pinkfarbenen Riesenkoffer, lackierte sich die Nägel und fuhr nach München. Von dort aus, dachte sie, gehe es weiter zum Partymachen nach Sardinien. Erst am Bahnhof in Bayern dämmerte es ihr, dass der angekündigte "Fun" diesmal etwas mit Soldaten zu tun hat. In der Berghütte bleibt sie am nächsten Tag im Bett. Magenschmerzen. Der Riesenkoffer liegt neben ihr wie ein gestrandeter Rettungsring.
Oberstleutnant Spiering ist zufrieden, als er am Abend in die Gondel talabwärts steigt. Er sagt, was die Jugendlichen hier erleben, sei gar kein Abenteuer. "Es ist Alltag." Ein paar Stunden später sind auf der Facebook-Seite des Adventure-Camps Jugendliche mit grün bemalten Gesichtern zwischen dampfenden Tannen zu sehen. Der Himmel dahinter ist schwer und grau. Neben den Sonnenbildern aus Sardinien sieht es so aus, als könnten Abenteuer ungemütlich werden. Am nächsten Morgen sind die Bilder nicht mehr da. Schlechte Qualität, sagt eine Sprecherin der Bravo.