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Auktion pervers

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Auf der Online-Plattform Ebay bieten private Anbieter immer wieder Fotos von nackten Kindern in zweifelhaften Posen an. Proteste von Kunden blieben unbeantwortet. Das soll sich ändern, verspricht das Unternehmen jetzt


München - Da steht zum Beispiel dieses Mädchen unter der Dusche und seift sich die Brüste ein. Der Hintern ist nass, die blauen Augen schauen apathisch in die Kamera. Das Mädchen kostete 5,50 Euro, plus 60 Cent Versand - als Foto im Internetauktionshaus Ebay.

Wer sich auf der Online-Plattform durch die Kategorien klickt und über 'Antiquitäten & Kunst', 'Fotografie & Fotokunst ab 1970' schließlich bei 'Akt & Erotik' landet, sieht sehr viel nackte Haut. Nur selten bieten Verkäufer dort ein professionelles Aktfoto an. Bei manchen Fotos ist die Volljährigkeit der Mädchen nicht nur zweifelhaft. Es seien Kinder, die hier ihre blanke Brust in die Kamera halten, sagen Jugendschützer. Kinderpornografie ist das per Definition nicht. Experten wie das vom Familienministerium unterstützte Portal Jugendschutz.net sprechen vielmehr von 'Posenbildern', wenn die Kinder 'unnatürlich geschlechtsbetonte Körperhaltungen' einnehmen. Jugendschutz.net hat im Februar bisher neun Auktionen an Ebay gemeldet. Bei manchen konnte den Jugendschützern zufolge 'ein Verstoß gegen Straf- oder Jugendschutzbestimmungen festgestellt werden'.



Ebay will jetzt in seiner Schmuddelecke aufräumen. Für Händler soll es künftig schwieriger sein, auf Ebay erotische Fotos zu verkaufen. Denn das Auktionshaus führt nach Informationen der Süddeutschen Zeitung in der Rubrik 'Akt & Erotik' Mindestpreise ein. Seit Mittwoch wird die Website entsprechend umgebaut. Gewerbliche Händler müssen demnach künftig fünf Euro oder mehr verlangen, Privatanbieter mindestens zehn Euro. Viele der problematischen Fotos wurden für weniger Geld verkauft. Nachdem die SZ Ebay konfrontiert hatte, startete der Konzern zudem eine große Löschaktion. Von 13000 Angeboten seien den Angaben zufolge 3500 online geblieben.

Ebays Handeln ist überfällig. Der Konzern hat sich zuletzt einige Patzer geleistet. Als Nutzer ein mutmaßliches Posenfoto entdeckten, informierten sie Ebay und forderten, dass das Bild gelöscht werde. Aber dann passierte fast zwei Wochen lang nichts. Erst nach der Anfrage der SZ löschte Ebay das Foto. Dabei ist das Auktionshaus rechtlich verpflichtet, eindeutige Fotos von der Seite zu nehmen, sobald die gemeldet werden. In einem weiteren Fall löschte Ebay ein Foto nicht, obwohl es genau das gleiche Bild im Angebot eines anderen Händlers bereits offline genommen hatte. Laut einem Urteil des Bundesgerichtshofs ist das Auktionshaus aber verpflichtet, gleiche Fotos aufzustöbern und zu löschen, sobald es von Nutzern über einen Verstoß informiert wird.

Eine Ebay-Sprecherin verweist darauf, dass die Auktion zum Zeitpunkt der Meldung schon lange abgelaufen war und deshalb über Suchmaschinen nicht mehr auffindbar war. 'Vor diesem Hintergrund ist der Artikel dann nicht nachträglich komplett von der Plattform genommen worden', sagte sie. Aber wer die Artikelnummer kannte, konnte das Bild weiterhin einfach aufrufen. Das gleiche passierte, als die SZ in einer Stichproben Fotos an Ebay meldete.

Geht es nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von des Online-Auktionshauses, hätte es das alles nie geben dürfen. Sie untersagen praktisch jedes erotische Angebote: 'Pornos, Erotikdarstellungen als Bilder oder Fotos, privat erstellte Erotikaufnahmen sind verboten', steht in den Ebay-Grundsätzen. Ausdrücklich ausgeschlossen ist 'jegliche Art von Angebot, das darauf ausgelegt ist, den Betrachter sexuell zu erregen.'

All dies aber hat sich bislang gut verkauft. Da lacht ein Pornosternchen in die Kamera, die Beine leicht gespreizt: verkauft für 1,90 Euro. Ein sehr dünnes, wasserstoffblondes Mädchen, nackt in einem Feld, so amateurhaft fotografiert, dass ihr Körper nicht ganz auf dem Bild ist: verkauft für 4,00 Euro. Eine Frau mit Taucherbrille am FKK-Strand, aus der Ferne mit dem Teleobjektiv fotografiert, als wüsste sie davon nichts: im Angebot für 3,20 Euro.

Obwohl die Rubrik 'Akt & Erotik' so offensichtlich sumpfig ist, muss Ebay nicht auf der eigenen Seite Streife fahren. Der Bundesgerichtshof hat verfügt, dass der Konzern erst verpflichtet ist zu reagieren, wenn jemand den kleinen, rechts am Rand platzierten 'Melden'-Knopf auf der Seite mit dem Foto drückt. 'Ebay hat keine gesteigerte Recherchepflicht', erklärt Simone Bötcher, Gesellschafterin bei BD&F Rechtsanwälte in Hamburg. Denn sonst müsste das Auktionshaus alle Angebote vorab prüfen. Bei mehr als fünfzig Millionen Artikeln, die die Werbung verspricht, würde das Tausende Arbeitsstunden in Anspruch nehmen. Das würde das Geschäftsmodell von Ebay in Frage stellen, hatten die Richter entschieden.

Wie schnell und wie genau Ebay reagieren muss, nachdem ein User den 'Melden'-Knopf gedrückt hat, hat das Gericht allerdings nicht exakt festgelegt, sagt Rechtsanwalt Arno Lampmann, Partner der Kanzlei Lampmann, Haberkamm&Rosenbaum in Köln. Braucht Ebay mehrere Tage, um ein Bild zu löschen, ist das nach Ansicht des Anwalts nicht akzeptabel. 'Man kann nicht die Vorteile des Internets nutzen und 24 Stunden, sieben Tage die Woche verkaufen - und dann lange brauchen, um zu reagieren.' Er sehe die zulässige Frist etwa am übernächsten Werktag nach der Meldung. 'Eine Woche ist definitiv zu lang.'

Wie schnell Internetkonzerne gemeldete Aktionen ihrer Nutzer überprüfen, hat gerade ein Mitarbeiter von Facebook ausgeplaudert: Die Kontrolleure entscheiden im Schnitt innerhalb von ein bis zwei Sekunden, ob eine Seite etwa beleidigend oder pornografisch ist. 'Wir versuchen, auf eine halbe Sekunde zu kommen', sagte der Mitarbeiter dem US-Magazin Atlantic. Sportlich: Eine Bildersuche mit Google beispielsweise dauert für ein oben genanntes Foto bereits 0,36 Sekunden. Jugendschutz.net fordert von Anbietern wie Ebay deshalb ein 'ausreichendes Supportteam, welches Meldungen möglichst schnell bearbeitet'.

Um Verstöße abzublocken, arbeitete Ebay bereits mit einem Textfilter. Angebote wie 'Junges hübsches Girl', 'Foto nackter Busen' oder 'Erotik Foto-Amateur' rutschten dabei aber offensichtlich durch.

Verantwortlich für die Probleme sind auch die Händler, die solche Bilder überhaupt einstellen. Sie müssten vorher die rechtlichen Fragen klären: Hat das Mädchen eingewilligt, auf Ebay nackt zu erscheinen? Achtet der Verkäufer die Rechte des Fotografen? Folgt er dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag und macht kein pornografisches Material Minderjährigen zugänglich? Wer Verkäufern diese Fragen stellt, bekommt nur selten überhaupt eine Antwort. Die wenigen Rückmeldungen klingen dann so: Mal hat ein Händler angeblich physische Fotos angekauft und versetzt sie nun. Diese Erklärung überrascht, denn die Qualität des Vorschaubilds auf Ebay ist für einen Scan zu gut. Außerdem entbindet das nicht von den rechtlichen Pflichten. Mal behauptet ein Händler, die Mädchen selbst fotografiert zu haben - doch Fotos aus seinem Angebot sind Bilder, die auch auf diversen anderen Sexseiten auftauchen und mit zwei Klicks von dort kopiert werden könnten.

Belege, dass die Abgebildeten eingewilligt haben, auf Ebay zu erscheinen, schicken die Händler auch auf mehrmaliges Nachfragen nicht. Stellen Händler illegal veröffentlichte Amateuraufnahmen auf Ebay online, verletzen sie erneut die Intimsphäre des Opfers und könnten es erneut traumatisieren.

Für die Händler wird es künftig mit den Mindestpreisen wohl schwieriger, mit Sexfotos ein Zubrot zu verdienen. Ein Händler erzählt, der Großteil der Fotos verkaufe er für ein bis zwei Euro. Nur in Ausnahmefällen würden sie mehr als zehn Euro bringen. Bislang habe er im Monat etwa 300 bis 400 Euro brutto verdient.

Dass dieses Segment überhaupt lukrativ war, ist erstaunlich. Denn de facto ersteigern Käufer für mehrere Euro ein Stück Fotopapier. Ein guter Fotoausdruck kostet im Einzelhandel rund acht Cent. Das Bild könnte man von vielen Sexseiten im Netz umsonst und in höherer Auflösung herunterladen. Ein verrücktes Geschäftsmodell. Und Ebay verdiente mit. Die Verkaufsprovision beträgt neun Prozent für Privatanbieter, fünf Prozent für Händler, die mit ihrem Gewerbe bei Ebay gemeldet sind. Hinzu kommen in der Regel 25 Cent Einstellungsgebühr, die auch fällig werden, wenn die Nutzer nur gucken und nicht kaufen. Für Ebay lohnte sich das Geschäft noch aus anderer Sicht: Der Konzern schaltet Werbung auf den Auktionsseiten. Werbekunden, darunter die Bayrische Staatskanzlei und große Konzerne, zeigten sich entsetzt, dass ihre Anzeigen neben Sexbildern auftauchten.

Teilweise werden diese Werbeplätze von Google vermarktet. Dabei verspricht der Konzern seinen Kunden, dass die Anzeigen in einem 'jugendfreien' Umfeld geschaltet werden. Google zog nach einer Anfrage der SZ Konsequenzen und tadelte Ebay, dass die Vorgabe künftig einzuhalten sei. Seitdem spielt Ebay über Google gebuchte Anzeigen nicht mehr in der Rubrik 'Akt & Erotik' aus.

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