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Arche Boah

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'Wenn ich entschieden habe, dass wir das machen, dann habe ich das entschieden': Ein australischer Milliardär, ein finnischer Schiffsdesigner und eine chinesische Staatsreederei wollen zusammen die Titanic nachbauen. 2016 soll die große Fahrt beginnen.

New York - Wenn es auf dem Nachbau der Titanic nur halb so unterhaltsam wird wie bei der Vorstellung des Projekts am Dienstag in New York, dann lohnt sich die Sache schon deswegen. Wenn es so wird wie bei der Vorstellung in New York, ist allerdings offen, ob die Titanic II wirklich je das Wasser sieht. Der australische Milliardär Clive Palmer will jetzt jedenfalls Ernst machen und das zweitberühmteste Schiff der Weltgeschichte wieder auferstehen lassen. Noch berühmter ist ja praktisch nur die Arche Noah, und die wird zurzeit auch überall nach den Originalplänen neu gezimmert, zuletzt in China, jetzt in Holland, und demnächst auch für den Bibelpark einer fundamentalchristlichen Gemeinschaft in Hebron, Kentucky.



So soll sie aussehen, die Titanic II: Ein möglichst genauer Nachbau ihres Vorbilds.

Pläne für eine Replik der Titanic gab es ebenfalls immer mal wieder, aber bisher ist keiner damit so weit gegangen wie eben Palmer - nämlich bis zum offiziellen 'Launch' der Sache auf der U.S.S. Intrepid. Das ist ein Flugzeugträger aus dem Zweiten Weltkrieg, der heute als militärtechnisches Museum an den Docks der Westside von Manhattan liegt. Dort bekommen die, die zur Pressekonferenz erschienen sind, schon mal ein paar Anstecker mit dem Schiffswappen der Titanic II, einen hochwertigen Prospekt 'Titanic II - Return of The Legend' und eine Pressemappe, in der als kleine Überraschung ein Nachdruck aus dem australischen Ocean Magazine liegt: 'Der Titan hinter der Titanic II'. In dem Text wird Clive Palmer in entschlossener Untersicht als das porträtiert, was man auf Deutsch eine schillernde Gestalt nennen würde. Kind eines verarmten Stummfilmschauspielers, schwerstes Asthma, später jedoch Rugby-Karriere, Studienabbruch, erste Millionen als Immobilienmakler, mit ungefähr dreißig Rückzug in ein Rentnerdasein auf Kreuzfahrtschiffen, Langeweile, neue Geschäfte, politische Ambitionen, China-Deals, Einstieg in das Geschäft mit Bodenschätzen, unermesslicher Reichtum - soweit in etwa die Kurzfassung. Ein koreanischer Gitarrist zupft dazu hingebungsvoll Céline Dions Titelmusik aus 'Titanic' von David Cameron. Palmer liebt diesen Film, heißt es.

Dann wird eine Leinwand heruntergelassen, Walzermusik erklingt, und es sieht tatsächlich kurz so aus, als kämen da Szenen aus dem Film von Cameron oder zumindest aus einem ZDF-Zweiteiler von Nico Hofmann: prachtvolle Salons und Speisesäle, prachtvolle Herren und Damen. Da ist der Pool, da das türkische Bad, dort der Gymnastikraum, der aussieht, als sei Turnvater Jahn nur mal kurz zur Thüre raus.

Das da, lernen wir, ist gar nicht die Titanic, es sieht nur exakt so aus, das da ist die Titanic II, und das Ganze verhält sich wie das Fernseh-'Adlon' zum alten Adlon und dieses wiederum zum Adlon II. Wie bei dem Berliner Hotel musste auch hier bei ähnlicher Gesamthöhe ein Geschoss mehr untergebracht werden als beim Vorgänger. In diesem Fall, um Rettungstechnik unterzubringen. Bei einem Schiff mit diesem Namen kein ganz unwesentliches Element. In den ersten beiden der vier majestätischen Schornsteine sollen bei dem Neubau die Radaranlagen versteckt werden, mit denen der ersten Titanic ihre böse Überraschung vielleicht erspart geblieben wäre.

Das Konzept ist sofort genauso einleuchtend wie das einer Altbauwohnung mit modernem Bad, also sehr. Das Image von Kreuzfahrten mag in letzter Zeit gelitten haben. Schon vor dem Untergang der Costa Concordia und dem unwürdigen Benehmen ihres Kapitäns sind ethische und ökologische Zweifel oft genug formuliert worden, ästhetische sowieso. Die Kreuzfahrtbeschimpfung kann spätestens seit David Foster Wallace als eigenes Genre der Literatur betrachtet werden. Das hat nur ein bisschen in Vergessenheit geraten lassen, was für Kulturvorbilder Kreuzfahrtschiffe einmal waren - für Architekten der Moderne wie Le Corbusier oder Hans Scharoun, aber auch für die Innenausstatter der 30er und 40er Jahre mit ihrem sogenannten Dampferstil und schweren Clubsesseln.

In diese Überlegungen hinein erfolgt dann allerdings der Auftritt Professor Palmers. An Clive Palmers Pult steht: 'Professor Palmer'. Professor Palmer nun ist tatsächlich ein sehr beleibter Mann, der gerne redet, ein Rainer Calmund der Südhalbkugel, nur viel reicher. Anders als die durchtrainierten CEOs heutiger Aktienkonzerne kann man ihn sich sehr gut mit einer Zigarre in einem Rauchsalon Erster Klasse auf der Titanic vorstellen, die zu einer Zeit vom Stapel lief, als sich die Form des Kapitalismus noch direkt in der des Kapitalisten selbst ausdrückte, weil sich das Prinzip der Akkumulation auch an den Bauchumfängen erkennen ließ. So gesehen ist Palmer der ideale Mann für das Vorhaben.

Zu seiner Linken steht, überwiegend schweigend, die Urenkelin der Titanic-Überlebenden Margaret 'Molly' Brown. Sie wird im Pressematerial als 'anerkannte Autorität auf dem Gebiet ihrer Urgroßmutter bezeichnet' und sitzt deswegen im Beirat des Projekts. Zu Palmers Rechten wiederum steht Markku Kanerva von der finnischen Schiffsdesignfirma Deltamarin, ein dünner Mann mit melancholischem Schnurrbart, der nicht ganz sicher zu sein scheint, ob er, der Fachmann, hier nicht die ganze Zeit nur ein wenig hochgenommen wird. Denn Palmer ruft zunächst einmal wundervollen, pathetischen Nonsens in den Raum: Immigranten, Amerikanischer Traum, Demokratie: Titanic!

Dann die Frage, wie viel das kosten wird. Die Zahlen, die kolportiert werden, bewegen sich zwischen etwa 40 Millionen Euro und einer halben Milliarde. Palmer sagt, es gehe doch hier nicht um Geld. Geld habe er genug. Als er dann noch einmal gefragt wird, ob er Gelder aufnehmen wird dafür, ist er fast empört: 'Ich brauche mir doch kein Geld zu leihen. Ich kann Ihnen welches leihen, wenn Sie wollen.'

Es ist eine Mischung aus großem Gatsby, letztem Tycoon und Rugby-Rüpel, die da spricht. Die harten Fakten sind: Die chinesische Staatswerft CSC Jinling Shipyard baut das Schiff nach den Entwürfen der Finnen. Die Chinesen, die bisher nur im Frachtschiffbau größere Erfahrung haben, wollen damit auf einen Markt, den bisher die Europäer dominierten. Am Ende soll das Schiff dann 2435 Passagiere fassen, die in 372 Kabinen der Ersten Klasse, 206 Kabinen der Zweiten Klasse und 257 Kabinen der Dritten Klasse untergebracht werden. Die soziale Durchlässigkeit zwischen diesen Klassen soll in etwa so groß sein wie auf der echten Titanic vor dem Ersten Weltkrieg, also nahe null. Das, sagt Palmer, sei ja der Spaß an der Sache. Die Jungfernfahrt soll 2016 stattfinden, wie damals von Southampton in England nach New York, dort diesmal allerdings auch ankommen und sechs Tage dauern.

Palmer stellt es sich so vor, dass die Passagiere je zwei Tage in der Ersten, der Zweiten und der Dritten Klasse verbringen. Die historischen Kostüme für die jeweilige Etage würden gestellt. Er selbst würde am liebsten die ganze Strecke in der Dritten Klasse fahren, sagt er, und auf den Holzbänken die Fiedel und die Trommel spielen. Es gebe Leute, die wollten jetzt schon bis zu einer Million Dollar bezahlen, um auf der Jungfernfahrt dabei zu sein. So viel werde es aber voraussichtlich gar nicht kosten. Ob die Verträge mit den Chinesen schon unterschrieben seien, lautet eine Frage. Nervöses Flattern mit der fleischigen Hand: Ja, demnächst. Wann genau? 'Nächste Woche oder so. Wenn ich entschieden habe, dass wir das machen, dann habe ich das entschieden.'

Professor Palmer hatte sich vor einiger Zeit auch schon einmal für den Neubau des ausgebrannten Zeppelins Hindenburg interessiert. Es wäre nach allem, was zu sehen war, tatsächlich schade, wenn aus der Titanic II am Ende genauso wenig würde.

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