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Bürgermeister in Handschellen

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Der ehemalige Rathauschef von Thessaloniki bekommt lebenslänglich wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder. Jetzt zittern noch mehr griechische Politiker.

Istanbul - Am Tag danach ist die Aufregung groß, denn so ein Urteil gegen einen Politiker und hohe Beamte hat es in Griechenland noch nicht gegeben, und es ist gut möglich, dass es kein Einzelfall bleiben wird. Wegen der Veruntreuung von öffentlichen Geldern hat ein Gericht in Thessaloniki den langjährigen Rathauschef der Stadt, den konservativen Politiker Vassilis Papageorgopoulos, und zwei seiner engsten Vertrauten zu lebenslanger Haft verurteilt. Die drei Männer wurden am Mittwoch aus dem überfüllten Gerichtssaal in Handschellen abgeführt und direkt in ein Gefängnis gebracht.



Der ehemalige Bürgermeister von Thessaloniki, Vassilis Papageorgopoulos, wurde zu lebenslanger Haft verurteilt.

Papageorgopoulos, 65, beteuerte bis zum Schluss seine Unschuld und sagte vor Gericht, er sei sich sicher, 'dass manche mit Gewissensbissen sterben werden'. Daraufhin antwortete ihm der Vorsitzende der Schwurgerichtskammer: 'Jedenfalls werden das nicht wir sein.' Der Politiker ist Mitglied der Nea Dimokratia (ND) von Premier Antonis Samaras. Der hatte seinen Parteifreund im September 2011 noch als 'ehrenwerten' Mann bezeichnet, woran die linke Oppositionspartei Syriza nun genüsslich erinnerte.

Der Prozess gegen den ehemaligen Leichtathleten Papageorgopoulos begann vor gut fünf Monaten. Finanzinspektoren hatten ein Loch von schätzungsweise 52 Millionen Euro in den Kassen der Stadt entdeckt. Das Urteil bezieht sich nun nur auf eine Summe von 17,9 Millionen Euro, für die ein konkreter Nachweis der Veruntreuung erbracht werden konnte. Viele Transaktionen der Stadtverwaltung waren nicht transparent, für städtische Angestellte wurden etwa Sozialbeiträge nicht korrekt abgeführt, und jahrelang hatte angeblich niemand die Betrügereien bemerkt.

Sein Amt verlor Papageorgopoulos schon Ende 2010, nach zwei Amtsperioden, an den parteilosen Giannis Boutaris. Der ehemalige Winzer hatte im Wahlkampf Korruption und Verschwendung im Rathaus zum Thema gemacht. Boutaris trat als Zeuge vor Gericht auf. Er sprach von 'Gaunerei' und einer 'Omerta', einer Schweigepflicht wie bei der Mafia, im Rathaus von Griechenlands zweitgrößter Stadt.

Die Urteilsbegründung beschreibt, wie der Generalsekretär der Stadt und Bürochef von Papageorgopoulos, Michalis Lemousias, und der geständige Kassenwart Panagiotis Saxonis vorgingen. Letzterer saß sozusagen an der Quelle und verlangte für seine Dienste zehn Prozent der unterschlagenen Beträge. Er bekam nun neun Jahre extra zur lebenslangen Haft dazu, weil die Betrügereien in seinem Büro stattfanden. Papageorgopoulos habe von allem Kenntnis gehabt, sei aber im Hintergrund geblieben, so das Gericht. Von seinen beiden Vertrauensleuten wollte sich der Ex-Bürgermeister allerdings auch während des Prozesses nicht distanzieren, obwohl ihm der Richter mehrfach Gelegenheit dazu bot. Ob er alles in seiner Pflicht stehende getan habe, um die Taten zu verhindern, wollte das Gericht zum Schluss von Papageorgopoulos wissen. 'Das sollten sie einschätzen', antwortete der Angeklagte. Ein weiterer Mitarbeiter der Stadtkasse wurde zu 15 Jahren Haft verurteilt, ein anderer zu zehn Jahren. 13 Angeklagte wurden freigesprochen. Der größte Teil der veruntreuten Gelder konnte bislang nicht gefunden werden. Papageorgopoulos muss sich noch zwei weiteren Prozessen stellen, einem wegen Unterschlagung und einem wegen Geldwäsche.

Gegen das erste Urteil will er Berufung einlegen. In einer schriftlichen Erklärung sprach er inzwischen von einem 'politischen Prozess', die Richter hätten das Interesse einer Öffentlichkeit bedient, die 'das Blut von Politikern' sehen wolle.

Seit den Urteilen von Thessaloniki zittern auch andere Ex-Politiker und Beamte, die im Zuge der Krise unter dem Verdacht der Geldwäsche, Korruption oder Unterschlagung verhaftet wurden. Dazu gehören beispielsweise Angestellte der staatlichen Sozial- und Rentenkasse IKA. Sie sollen jahrelang Renten an längst Verstorbene gezahlt haben, oder Blindenrenten an Sehende. Der prominenteste Angeklagte aber ist Ex-Verteidigungsminister Akis Tsochatzopoulos, Gründungsmitglied der sozialistischen Pasok-Partei. Die hat ihn 2011 aus ihren Reihen ausgeschlossen. Tsochatzopoulos ist in Haft und wartet auf seinen Prozess, der im April beginnen soll.

Ein griechisches Gesetz aus dem Jahr 1950, das lange in Vergessenheit geraten war, sieht für Bestechung drakonische Strafen bis zu lebenslanger Haft vor. Es wurde nach dem blutigen Bürgerkrieg geschaffen, um Staatsdiener in die Pflicht zu nehmen. Unter Regierungschef Andreas Papandreou wurde es in den 90er Jahren auf andere Delikte ausgeweitert. Dies sei auch die Grundlage für das drastische Urteil von Thessaloniki, sagte ein griechischer Jurist.


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