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Alles, was wir geben mussten

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Wie viel der Button "Gefällt mir" über die eigene Persönlichkeit preisgeben kann, hat der Brite Michael Kosinksi berechnet.

Am Ende ist es nur eine Rechenübung: der britische Psychologe Michael Kosinski von der Universität Cambridge hat mit seinem Team Persönlichkeitsprofile von Facebook-Nutzern errechnet. Mit Hilfe von Algorithmen vervollständigten sie das Profil eines bestimmten Menschen, und zwar vor allem auf der Basis aller 'Gefällt mir'-Klicks, die derjenige vorgenommen hat. 'Gefällt mir' ist eine Funktion des sozialen Netzwerks. Registrierte Nutzer können sie nicht nur auf Facebook, sondern auch auf zahlreichen anderen Seiten nutzen, um ihre Zustimmung auszudrücken, zum Beispiel zu Unternehmen, Sprüchen, Fernsehsendungen oder auch nur zu den privaten Bildern ihrer Freunde.

So ein Klick verrät aber stets mehr, weil es für Psychologen einfach ist, das 'Gefällt mir' einer männlichen Person für 'Mac Cosmetics' nicht nur als positives Urteil über den Kosmetikhersteller zu werten, sondern auch zu erahnen, dass der Nutzer homosexuell sein könnte. Je mehr Klicks ein Nutzer getätigt hat, umso wahrscheinlicher ist es, dass sich ein sehr exaktes Bild berechnen lässt. Im Fall der Studie konnte das Geschlecht eines Menschen mit 88 Prozent, seine Hautfarbe mit 95 Prozent Wahrscheinlichkeit errechnet werden. Die Studie hätte noch genauere Ergebnisse liefern können, wenn nicht nur die freiwillig herausgegebenen 'Gefällt mir'-Daten der Nutzer zur Verfügung gestanden wären, sondern alle Daten, die man bei Facebook anhäuft. Diese Daten aber kann man als Privatperson gar nicht herausgeben, weil man sie weder besitzt noch im Detail kennt. Wer besitzt und kennt sie stattdessen? Facebook. Und genau da liegt das Problem.


Ein Klick auf den Button sollte gut überlegt sein

Denn wenn es am Ende nur eine Rechenübung ist, unsere Wünsche, Träume und Absichten, Dinge, von denen wir selbst vielleicht noch gar nichts ahnen, zu berechnen, dann sollten wir nicht nur selbst in der Lage sein, diese Rechnung durchzuführen. Wir sollten, und das ist das mindestes, wenigstens wissen, wer sonst noch in der Lage ist, uns zu berechnen.

Aber derzeit kann kein deutscher Bürger und wohl auch kein anderer Mensch auf der Welt, folgende Frage auch nur im Ansatz zu beantworten: 'Wer besitzt welche Daten über mich?' So steht das Problem seiner eigenen Lösung im Weg: Der Bürger, von ein paar Netzaktivisten und Datenschützern mal abgesehen, regt sich nicht auf, denn er weiß überhaupt nicht, wie ihm geschieht.

Facebook mit einer Milliarde Nutzern ist für diesen Zustand ein Paradebeispiel, ähnlich wie Twitter, Apple und Amazon, denn diese Unternehmen gehören zu den klassischen Datensammlern. Ihr Angebot an die Kunden ist finanziell oft gratis. Ihnen reichen die Daten der Kunden für ihr Geschäftsmodell. Aber natürlich sammeln auch andere Unternehmen Daten, um von ihnen zu profitieren. Kreditkartennummern, Datum eines Einkaufs und Bonuspunkte sind nur einige wenige Datensätze, die zum Beispiel die allermeisten Kleidungsgeschäfte speichern.

Die Kunden akzeptiere diese Haltung aus zwei Gründen: Erstens ist es offensichtlich, dass zum Beispiel ein Geschäft grundsätzlich nicht besiegelt werden kann, ohne dass Daten ausgetauscht werden. Das erklärt aber noch nicht, warum sie, zumal im digitalen Zeitalter, die Kontrolle über ihre Daten so breitwillig abgeben. Vielleicht akzeptieren sie einfach, was immer wieder von Politikern und Journalisten wiederholt wird: 'Daten sind heute ein Währung'. Die Aussage klingt clever in Anbetracht des großen Marktes, den es heute für Daten gibt. Aber sie führt in die Irre: Daten können keine Währung sein. Sie sind ein viel komplexeres Produkt als Geld. Wer sie auf ihren monetären Wert reduziert, übersieht was mit ihnen alles angestellt werden kann - und mit Geld nicht. Fünf Euro bleiben, egal in wessen Hand, fünf Euro. Die Tatsache, welches Kosmetik-Unternehmen ein Facebook-Nutzer mag, wann und wie er surft und mit wem er befreundet ist, lässt dagegen einen Teil seiner Persönlichkeit offenbar werden.

Natürlich kann sich jeder Bürger an den Datenschutzbeauftragten wenden und natürlich ist jedes Unternehmen verpflichtet, auf Aufforderung eines Kunden dessen persönlichen Daten zur Verfügung zu stellen. Theoretisch. Praktisch verschanzt sich zum Beispiel Facebook hinter einer Doppelstruktur, es ist bislang nicht mal klar, ob ein Auskunftsersuchen in den USA oder in der europäischen Niederlassung in Dublin eingehen müsste. Kleinere Unternehmen sind von einem Ersuch oft schlicht überfordert. Und viele Bürger wissen nicht einmal, dass die Möglichkeit einer Abfrage existiert, dass sie das Recht dazu haben.

Deshalb ist es an der Zeit für eine einfachere Lösung. Sie liegt nahe. Die Daten des Einzelnen sind ja schließlich in jedem Unternehmen vorhanden, und zwar in jenem Computernetzwerk, in das der Kunde ohnehin benutzt. Wenn er Schuhe bei Zalando kauft. Oder Radkappen bei BMW bestellt. Oder ein Abo bei dieser Zeitung kauft. Oder Urlaubsfotos bei Facebook hochlädt.

Warum also gibt es auf den Internetseiten der Unternehmen keinen Knopf: 'Alle gesammelten Daten anzeigen'? Er könnte zu einer Übersichtsseite führen, auf der wirklich alles angezeigt werden müsste, was das jeweilige Unternehmen von seinem Nutzer gespeichert hat. Das ist zum Beispiel bei Facebook wesentlich mehr als die Bilder und Notizen, von denen der Nutzer weiß, dass er sie hochgeladen hat. Darunter dürften einzelne Mausklicks sein, die Verwendung bestimmter Computerfunktionen, die Zeitdauer, wie lange ein Nutzer eine bestimmte Seite angeschaut hat und sogar vom Nutzer gelöschte Objekte, die Facebook nämlich nicht wirklich löscht, sondern nur versteckt.

Eine solche Übersicht auf jeder Firmenwebseite wäre nichts anderes als die logische Weiterentwicklung der bereits heute vorgeschriebenen, oft kryptischen Datenschutzerklärung. Hätte jeder Kunde, jeder Nutzer diese Information, könnte er selbst entscheiden, ob ihm die Leistung des Unternehmens genügend wert ist, um seine Daten dafür preiszugeben. Der aufgeklärte Umgang mit den eigenen Daten würde alltäglich werden, so, wie ein Einkauf, um den Kühlschrank aufzufüllen. So würden auch weitere Gesetze, mehr Bürokratie überflüssig. Der Bürger könnte selbst entscheiden.

Gleichzeitig sollten Nutzer das Recht erhalten, wenigstens jenen Teil ihrer Daten unwiderruflich per Mausklick zu löschen, der nicht für das Geschäft der Firma, die die Daten gespeichert hat, unbedingt notwendig ist. Kurz: Wenn ein Kunde entscheidet, dass sein Autohändler seine Adresse nicht länger besitzen soll, sollte es ihm möglich sein, sie auf dessen Webseite einfach zu löschen. Die Bürger mit so viel Macht und Wissen auszustatten, wäre nur recht und billig. Die Unternehmen haben beides schon lange.

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