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Die kleinste Schokoladenfabrik der Schweiz

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Jürg Läderach verkauft seine süßen Produkte nur in den eigenen Geschäften - um auch Zutaten mit kurzer Haltbarkeit verwenden zu können


Zürich - Wenn man als Junge in einem Elternhaus aufwächst, in dem der Vater eine Schokoladenfabrik hat, dann gibt es theoretisch zwei Möglichkeiten: entweder kommt einem die Schokolade früher oder später zum Hals heraus oder man erliegt der Leckerei ein Leben lang - mit Haut und Haaren. Für Jürg Läderach stellte sich die Frage nie: 'Natürlich gab es bei uns viel Schokolade', erinnert er sich, 'aber es war immer klar, dass sie etwas Besonderes, etwas Wertvolles ist.' Überdrüssig ist er ihr nie geworden, denn dann würde er heute auch nicht selbst den Betrieb leiten, den sein Vater vor 50 Jahren in Ennenda, im zentralschweizerischen Kanton Glarus, gegründet hatte.




Alle lieben Schokolade


Glarus ist eine der weniger bekannten Gegenden der Schweiz, und auch Läderach war viele Jahre lang nur Eingeweihten bekannt. Denn Läderach-Schokolade oder Pralinen konnte man in keinem Laden kaufen. Die Glarner Maître Chocolatiers fertigten ihre süßen Versuchungen ausschließlich für Confiseure und Konditoren überall in der Schweiz und im Ausland, die sie unter eigenem Namen verkauften. Ein Drittel des Umsatzes wird jenseits der Grenzen verdient. Zu den Kunden gehören auch Luxus-Hotels in aller Welt, die Schokolade aus Ennenda verarbeiten und Glarner Pralinés als Gute-Nacht-Aufmerksamkeit auf die Kopfkissen legen.

Seinen Namen in der Branche machte sich Läderach vor allem mit Halbfertigprodukten. Dabei gelang Firmengründer Rudolf Läderach, wenn man das salopp so sagen darf, ausgerechnet mit einer Kugel ein Volltreffer. Vor etwas mehr als 40 Jahren entwickelte er eine nur 2,7 Gramm leichte und extrem dünne Schokoladenhohlkugel, welche die Herstellung von Pralinen und Trüffeln revolutionierte.

So gut etabliert das kleine Unternehmen in der Schokoladenbranche war, so sehr vermisste Rudolf Läderach den direkten Kontakt mit den Endkunden. 'Schon am Anfang wollte mein Vater an die Fabrik eine Confiserie anschließen', berichtet Sohn Jürg. 'Wer sein Produkt wirklich liebt, der möchte es auch direkt dem Endverbraucher zugute kommen lassen.' Aber erst dem Sohn blieb es vorbehalten, den Wunsch des Vaters zu verwirklichen. Seit 2004 betreibt Läderach ein Netz eigener Geschäfte, zunächst in der Schweiz, dann auch in Deutschland, wo es heute Schoko-Boutiquen in acht Städten zwischen Konstanz und Düsseldorf gibt. Das Unternehmen strebt eine weitere Expansion an, auch in andere europäische Länder - aber nicht überstürzt. 'Wir wollen geordnet vorgehen', sagt Läderach.

Gemessen an Schweizer Schokoladen-Konzernen wie Nestlé oder Lindt ist Läderach mit einer Jahresproduktion von 1500Tonnen an Pralinen und Konfekt sowie einem Umsatz von gut 100 Millionen Franken ein Zwerg. Doch es klingt Stolz heraus, wenn sich Läderach selbst als 'kleinste Schokoladenfabrik der Schweiz' bezeichnet. Denn klein heißt hier nicht nur fein, sondern eben auch exklusiv. 'Premium im oberen Segment', nennt es Jürg Läderach. 'Unser Konzept basiert auf Frische, Handwerk und Swissness', zählt er auf. Das bedeutet unter anderem, dass der Kunde seine Pralinen nicht in irgendwelchen Supermärkten kaufen kann, sondern nur in einem der mittlerweile insgesamt 40 Läderach-Geschäfte. 'Das bringt uns einen Vorteil, den der Kunde schmecken kann, selbst wenn er sich dessen gar nicht bewusst ist', betont Läderach. Denn all die Tafeln Vollmilch-Nuss, die Schoko-Hasen und die Weihnachtsmänner, welche die große Konkurrenz herstellt, erfordern eine lange Haltbarkeitsdauer von vielen Monaten. 'Die Folge ist', so Läderach, 'dass Nestlé, Lindt und die anderen im Gegensatz zu uns keine frischen Produkte wie Sahne oder Frischrahm verwenden können. Denn unsere Ware bleibt höchstens vier Wochen im Laden', der Durchlauf sei einfach viel schneller.

Daraus resultiere ein zweiter Vorteil: die 'Swissness', wie der Firmenchef sagt. 'Wo Läderach draufsteht, ist garantiert Schweiz drin.' Dies schlägt sich auch beim Preis nieder: 'Wenn der Konsument Swissness sieht, ist der Preis nicht unbedingt ein Problem', glaubt er. Freilich ist auch sein Unternehmen nicht gegen den starken Franken-Kurs gefeit. Dieses Problem aber wird abgefedert durch eine Produktionsstätte im hessischen Dillenburg. Dort werden weiterhin in erster Linie die Halbfertigprodukte für die Großkunden hergestellt.

Soeben hat Läderach außerdem eine strategische Entscheidung in die Tat umgesetzt, die in der Schweizer Schokoladenbranche mit einer Mischung aus Verwunderung und Hochachtung quittiert wurde: Im September eröffnete in Bilten, wenige Kilometer vom Firmensitz Ennenda entfernt, eine eigene Fabrik für Kuvertüre, mithin für die Schokoladenmasse, die der Grundstoff aller Schoko-Genüsse ist. Der Schritt verlangte Mut, denn der Prozess ist so aufwendig und teuer, dass auch größere Unternehmen die Kuvertüre lieber einkaufen, als sie selbst anzurühren.

Läderach kennt die Vorbehalte, doch er steht zu seiner Entscheidung. 'Für uns ist das gut', bekräftigt er. Gerade für ein kleines Unternehmen mit exquisiten Produkten sei es wichtig, dem Konsumenten lückenlos jeden einzelnen Produktionsschritt belegen zu können: 'Er will wissen, wo kommen die Dinge her, wer hat sie hergestellt, unter welchen Bedingungen kamen sie zustande.' Deshalb will Läderach künftig auch die Kakaobohnen selbst direkt von den Bauern kaufen. 'Wir nennen uns "Läderach - the chocolate family"', sagt der Firmenchef. 'Und zu dieser Familie müssen auch die Kakaobauern gehören.'

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