Die Commerzbank hat Studenten nicht über das Auslaufen ihrer Kredite informiert und hohe Überziehungszinsen gefordert. Manche Hochschüler warten seit langem auf eine Lösung
München - Studienabschluss oder schuldenfrei: Anna Mante* würde sich noch einmal für Ersteres entscheiden. Die 26-Jährige bereut es nicht zu studieren. Wenn sie nach ihrem Master die Hochschule verlässt, wird die Absolventin aber mit hohen Schulden ins Berufsleben eintreten. Schon jetzt summieren sich ihre Verbindlichkeiten auf mehr als 39000 Euro - mehr als geplant. Als Mante vor fünf Jahren ihr Bachelorstudium in Medienwissenschaften begann, nahm sie einen Studienkredit bei der Dresdner Bank auf. Höchstens 34000 Euro sollte Mante inklusive Zinsen zurückzahlen, so war es mit der Bank vereinbart.
"Flexi-Studienkredit" nannte sich das Angebot für Studenten, das die Dresdner Bank von 2006 bis 2009 im Portfolio hatte. Das "Flexi" im Namen stand für volle Flexibilität, die Rückzahlungskonditionen blieben bei Abschluss des Kreditvertrages offen. Erst bei Fälligkeit nach einer Karenzzeit von einem Jahr sollte vereinbart werden, zu welchem Zinssatz, in wie vielen Raten und in welcher Höhe der Kredit zurückgezahlt werden würde. Die Berufsanfänger sollten die Tilgungsbedingungen so ihrem Einkommen nach dem Studium angleichen können. Da Mante an einer privaten Medienakademie während ihres Bachelor-Studiums allein um die 20000 Euro Studiengebühren zahlte, war sie auf solch einen Kredit angewiesen: "Ohne das Geld wäre das Studium für mich niemals möglich gewesen", sagt die 26-Jährige.
Für einige Studenten wäre der Hochschulabschluss ohne Studienkredit nicht möglich. Ein angeblich flexibler Kredit hat sich für manche allerdings als Schuldenfalle herausgestellt.
Während Mante noch studierte, schluckte die Commerzbank 2009 die Dresdner Bank und übernahm damit auch die Flexi-Studienkredite. Als für Anna Mante im Oktober vergangenen Jahres die Rückzahlung anstand, war von der versprochenen Flexibilität nicht mehr viel übrig: Zunächst informierte die Commerzbank die Studentin überhaupt nicht über die Fälligkeit des Darlehens. Monate später forderte das Institut dann innerhalb von wenigen Wochen die Tilgung der gesamten Kreditsumme - für die Masterstudentin ohne geregeltes Einkommen kaum realisierbar. Mittlerweile sind hohe Überziehungszinsen angefallen und Anna Mantes Schuld beläuft sich auf mehr als 39000 Euro. Wie sie das Geld sofort zurückzahlen soll, dies weiß sie nicht.
Ähnlich geht es vielen Studenten, deren "flexible" Kreditverträge von der Commerzbank übernommen wurden. Schon im vergangenen Jahr berichteten vermehrt Studierende, dass die Bank sie über das Auslaufen der Darlehen nicht rechtzeitig in Kenntnis gesetzt hatte. Die Commerzbank forderte ohne Vorwarnung entweder die sofortige Rückzahlung des gesamten Kredites - in manchen Fällen mit Überziehungszinsen von bis zu 18 Prozent - oder die Aufnahme eines neuen Kredites zu ebenfalls hohen Zinssätzen. Die Commerzbank selbst räumt ein, "mit einigen wenigen Kunden" nicht rechtzeitig über die Rückzahlungsbedingungen gesprochen zu haben. Mit allen Kunden seien aber nun einvernehmliche Lösungen getroffen worden, sagt ein Sprecher der Bank.
Der Kieler Rechtsanwalt Helge Petersen, der allein 2012 mehr als 90 Fälle in dieser Sache betreute, sieht das anders. Er vermutet hinter dem Verhalten der Bank System: "Bei sehr vielen Vertragsverhältnissen mit Beträgen im Bereich von 30000 bis 50000 Euro ist das für die Bank natürlich auch ein gutes Geschäft. Das ist mit Sicherheit kein Zufall". In vielen Fällen sei die Bank nach einem Schreiben der Kanzlei zwar eingeknickt und habe tatsächlich angemessene Umschuldungsangebote gemacht. Doch noch immer melden sich Studenten bei der Kanzlei, die über sofortige Rückzahlungsforderungen seitens der Bank oder horrende Zinssätze klagen, noch immer haben manche kein akzeptables Angebot erhalten.
Auch Mareike Finz* hat bis heute mit der Commerzbank keine Einigung erzielt. Für ihr Studium in den USA nahm die heute 25-Jährige vor sechs Jahren einen Flexi-Studienkredit bei der Dresdner Bank auf, 2009 wurde der Kreditrahmen für ihr Masterstudium noch einmal erhöht. Als sie sich einige Monate vor Beginn der Rückzahlungsphase Ende 2011 selbst bei der Commerzbank nach den Konditionen erkundigte, erhielt sie keine Antwort. Erst Monate später meldete sich das Kreditinstitut und machte der Studentin ein Angebot mit einem Zinssatz von mehr als 13 Prozent. Mareike Finz lehnte ab, seitdem kamen Bank und Studentin nicht überein. Fast 30000 Euro Schulden haben sich auf dem Konto von Mareike Finz angehäuft, immerhin 6000 Euro mehr als die Studentin eigentlich kalkuliert hatte.
"Bei der Vergabe eines Studienkredites ohne vorher vereinbarte Zinsbindung für die Rückzahlungsphase ist der Kreditnehmer der Bank ausgeliefert", sagt ein Sprecher der Verbraucherzentrale Bayern zu den Vorfällen. Wer gleich nach dem Studium keine Anstellung bekomme, habe es schwer, eine Bank zu finden, die den Studienkredit zu fairen Konditionen ablöse. Der Kreditnehmer muss daher die von der Bank gewählten Zinssätze akzeptieren. Hier werde der Verbraucherzentrale zufolge eine Notsituation ausgenutzt.
Anwalt Helge Petersen rät betroffenen Studierenden, sich in keinem Fall auf zu hohe Zinssätze einzulassen: "Bei diesen Vertragsverhältnissen scheint bei Abschluss bewusst eine Lücke gelassen worden zu sein. Hier muss der Vertrag konkludent in seinem Sinn ausgefüllt werden, das heißt der Zinssatz muss sich in jedem Fall am günstigsten Vertrag orientieren". Beim staatlichen Studienkredit des Marktführers, der als studentenfreundlich geltenden KfW-Bank, lag der Zinssatz in den vergangenen Jahren noch nie oberhalb von 6,5 Prozent. Obwohl die Studiengebühren bereits in fast allen Bundesländern abgeschafft worden sind, verzeichnet die KfW-Bank von Jahr zu Jahr mehr ausgegebene Darlehen.
*Namen geändert
München - Studienabschluss oder schuldenfrei: Anna Mante* würde sich noch einmal für Ersteres entscheiden. Die 26-Jährige bereut es nicht zu studieren. Wenn sie nach ihrem Master die Hochschule verlässt, wird die Absolventin aber mit hohen Schulden ins Berufsleben eintreten. Schon jetzt summieren sich ihre Verbindlichkeiten auf mehr als 39000 Euro - mehr als geplant. Als Mante vor fünf Jahren ihr Bachelorstudium in Medienwissenschaften begann, nahm sie einen Studienkredit bei der Dresdner Bank auf. Höchstens 34000 Euro sollte Mante inklusive Zinsen zurückzahlen, so war es mit der Bank vereinbart.
"Flexi-Studienkredit" nannte sich das Angebot für Studenten, das die Dresdner Bank von 2006 bis 2009 im Portfolio hatte. Das "Flexi" im Namen stand für volle Flexibilität, die Rückzahlungskonditionen blieben bei Abschluss des Kreditvertrages offen. Erst bei Fälligkeit nach einer Karenzzeit von einem Jahr sollte vereinbart werden, zu welchem Zinssatz, in wie vielen Raten und in welcher Höhe der Kredit zurückgezahlt werden würde. Die Berufsanfänger sollten die Tilgungsbedingungen so ihrem Einkommen nach dem Studium angleichen können. Da Mante an einer privaten Medienakademie während ihres Bachelor-Studiums allein um die 20000 Euro Studiengebühren zahlte, war sie auf solch einen Kredit angewiesen: "Ohne das Geld wäre das Studium für mich niemals möglich gewesen", sagt die 26-Jährige.
Für einige Studenten wäre der Hochschulabschluss ohne Studienkredit nicht möglich. Ein angeblich flexibler Kredit hat sich für manche allerdings als Schuldenfalle herausgestellt.
Während Mante noch studierte, schluckte die Commerzbank 2009 die Dresdner Bank und übernahm damit auch die Flexi-Studienkredite. Als für Anna Mante im Oktober vergangenen Jahres die Rückzahlung anstand, war von der versprochenen Flexibilität nicht mehr viel übrig: Zunächst informierte die Commerzbank die Studentin überhaupt nicht über die Fälligkeit des Darlehens. Monate später forderte das Institut dann innerhalb von wenigen Wochen die Tilgung der gesamten Kreditsumme - für die Masterstudentin ohne geregeltes Einkommen kaum realisierbar. Mittlerweile sind hohe Überziehungszinsen angefallen und Anna Mantes Schuld beläuft sich auf mehr als 39000 Euro. Wie sie das Geld sofort zurückzahlen soll, dies weiß sie nicht.
Ähnlich geht es vielen Studenten, deren "flexible" Kreditverträge von der Commerzbank übernommen wurden. Schon im vergangenen Jahr berichteten vermehrt Studierende, dass die Bank sie über das Auslaufen der Darlehen nicht rechtzeitig in Kenntnis gesetzt hatte. Die Commerzbank forderte ohne Vorwarnung entweder die sofortige Rückzahlung des gesamten Kredites - in manchen Fällen mit Überziehungszinsen von bis zu 18 Prozent - oder die Aufnahme eines neuen Kredites zu ebenfalls hohen Zinssätzen. Die Commerzbank selbst räumt ein, "mit einigen wenigen Kunden" nicht rechtzeitig über die Rückzahlungsbedingungen gesprochen zu haben. Mit allen Kunden seien aber nun einvernehmliche Lösungen getroffen worden, sagt ein Sprecher der Bank.
Der Kieler Rechtsanwalt Helge Petersen, der allein 2012 mehr als 90 Fälle in dieser Sache betreute, sieht das anders. Er vermutet hinter dem Verhalten der Bank System: "Bei sehr vielen Vertragsverhältnissen mit Beträgen im Bereich von 30000 bis 50000 Euro ist das für die Bank natürlich auch ein gutes Geschäft. Das ist mit Sicherheit kein Zufall". In vielen Fällen sei die Bank nach einem Schreiben der Kanzlei zwar eingeknickt und habe tatsächlich angemessene Umschuldungsangebote gemacht. Doch noch immer melden sich Studenten bei der Kanzlei, die über sofortige Rückzahlungsforderungen seitens der Bank oder horrende Zinssätze klagen, noch immer haben manche kein akzeptables Angebot erhalten.
Auch Mareike Finz* hat bis heute mit der Commerzbank keine Einigung erzielt. Für ihr Studium in den USA nahm die heute 25-Jährige vor sechs Jahren einen Flexi-Studienkredit bei der Dresdner Bank auf, 2009 wurde der Kreditrahmen für ihr Masterstudium noch einmal erhöht. Als sie sich einige Monate vor Beginn der Rückzahlungsphase Ende 2011 selbst bei der Commerzbank nach den Konditionen erkundigte, erhielt sie keine Antwort. Erst Monate später meldete sich das Kreditinstitut und machte der Studentin ein Angebot mit einem Zinssatz von mehr als 13 Prozent. Mareike Finz lehnte ab, seitdem kamen Bank und Studentin nicht überein. Fast 30000 Euro Schulden haben sich auf dem Konto von Mareike Finz angehäuft, immerhin 6000 Euro mehr als die Studentin eigentlich kalkuliert hatte.
"Bei der Vergabe eines Studienkredites ohne vorher vereinbarte Zinsbindung für die Rückzahlungsphase ist der Kreditnehmer der Bank ausgeliefert", sagt ein Sprecher der Verbraucherzentrale Bayern zu den Vorfällen. Wer gleich nach dem Studium keine Anstellung bekomme, habe es schwer, eine Bank zu finden, die den Studienkredit zu fairen Konditionen ablöse. Der Kreditnehmer muss daher die von der Bank gewählten Zinssätze akzeptieren. Hier werde der Verbraucherzentrale zufolge eine Notsituation ausgenutzt.
Anwalt Helge Petersen rät betroffenen Studierenden, sich in keinem Fall auf zu hohe Zinssätze einzulassen: "Bei diesen Vertragsverhältnissen scheint bei Abschluss bewusst eine Lücke gelassen worden zu sein. Hier muss der Vertrag konkludent in seinem Sinn ausgefüllt werden, das heißt der Zinssatz muss sich in jedem Fall am günstigsten Vertrag orientieren". Beim staatlichen Studienkredit des Marktführers, der als studentenfreundlich geltenden KfW-Bank, lag der Zinssatz in den vergangenen Jahren noch nie oberhalb von 6,5 Prozent. Obwohl die Studiengebühren bereits in fast allen Bundesländern abgeschafft worden sind, verzeichnet die KfW-Bank von Jahr zu Jahr mehr ausgegebene Darlehen.
*Namen geändert