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Kohle, nein danke!

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Die Aktionäre des Stromkonzerns RWE werfen dem Unternehmen vor, die eigene Energiewende verschlafen zu haben. Dem zweitgrößten deutschen Versorger bricht das Geschäft weg. Vorstandschef Peter Terium geht auf Konfrontationskurs.

Dass es auf der Hauptversammlung des Energiekonzerns RWE in Zeiten knapper Kasse auch um Kohle gehen würde, war den Aktionären klar. Aber so? Die U-Bahn-Eingänge vor der Essener Grugahalle sind abgesperrt. Polizisten, einige in Kampfanzügen, stehen vor dem Eingang Spalier. Dahinter ein Dutzend Demonstranten. Zwei Jahre nach der Atomkatastrophe von Fukushima kochen die Emotionen um den zweitgrößten deutschen Energiekonzern wieder hoch: 'RWE zerstört das Klima' oder 'Raus aus der Kohle!', steht auf grellbunten Plakaten von Umweltschützern, die gegen Kohlekraftwerke des größten CO2-Produzenten Europas demonstrieren.



Hat RWE die Energiewende verschlafen? Zumindest ist das der Eindruck der Aktionäre.

Die RWE-Hauptversammlung wird am Donnerstag zum Abbild der hitzigen Debatte in Deutschland um die richtige Richtung der Energiepolitik. Der schleppende Umbau des eigenen Konzerns, ein gewaltiger Schuldenberg, Vorwürfe von Umweltschützern zum hohen Anteil der Kohle an der Stromproduktion des Konzerns - in der Essener Grugahalle kämpft RWE-Chef Peter Terium vor 3500 Aktionären nicht nur wegen der Probleme rund ums Geschäft darum, die Oberhand zu behalten. Tumulte im Saal unterbrechen auch noch die Rede des Niederländers. Als der Lärm der Trillerpfeifen verhallt, sagt Terium, was ihm an diesem Morgen so wichtig ist: 'Wir unterstützen die Energiewende. Jetzt aber drohe sie aus dem Ruder zu laufen'.

Teriums Rede verdeutlicht: Den großen deutschen Energiekonzernen machen die Folgen der Energiewende immer mehr zu schaffen. Während der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromproduktion in Deutschland immer neue Rekorde erreicht, bricht Deutschlands zweitgrößtem Energieversorger das eigene Geschäft weg. 'Nach 2013 wird es kaum möglich sein, das Ergebnisniveau zu halten', warnt der Vorstandschef. 'Leider sehen wir dunkle Wolken am Horizont - vor allem für die konventionelle Stromversorgung.'

Für die derzeit noch 70 000 Beschäftigten von RWE dürften damit schwere Zeiten anbrechen. Der Konzern will nach bereits bekannten Zahlen bis 2015 gut 5000 Stellen abbauen. Auch danach werde der Sparkurs aber wohl weitergehen, signalisiert RWE. Der Konzern müsse sein Verkaufsprogramm fortsetzen, bei den Investitionen sparen und in Zukunft 'deutlich weniger Mitarbeiter beschäftigen', sagt Terium, der im vergangenen Jahr die Nachfolge des wegen seines Atomkurses umstrittenen Ex-Chefs Jürgen Großmann angetreten hatte.

Im Dauerstreit mit der Politik legt nun auch Terium nach. Der RWE-Chef kritisierte am Donnerstag das Management der Energiewende durch die Bundesregierung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Der Umstieg auf die erneuerbaren Energien drohe bundesweit bei den Kosten aus dem Ruder zu laufen. Viele konventionelle RWE-Kraftwerke schrieben wegen des Strompreisverfalls an der Börse Verluste. In Deutschland würden jährlich mehr als 16Milliarden Euro Subventionen für erneuerbare Energien auf die Verbraucher umgelegt.

RWE kämpft wie auch seine Konkurrenten Eon, Vattenfall und EnBW mit wegbrechenden Gewinnen aus der Stromproduktion und einem schwächelnden Gasgeschäft. Ökostrom aus Wind und Sonne verdrängt in Deutschland zunehmend die Energie aus konventionellen Anlagen und drückt wegen des großen Angebots auch noch den Strompreis an der Börse. 'Die eher schwache Konjunktur lässt die Nachfrage nach Strom zusätzlich sinken', sagte Terium. Investitionen in den eigenen Umbau fallen dem Konzern schwer, denn auf RWE lastet ein riesiger Schuldenberg von mehr als 33 Milliarden Euro. RWE kündigt deshalb an, die Investitionen zurückzufahren und den Verkauf von Beteiligungen wie der Öl- und Gasfördertochter RWE Dea voranzutreiben. 'Wir können nicht auf Dauer mehr Geld ausgeben als wir einnehmen.' Dass RWE in diesem Jahr anders als Konkurrent Eon noch nicht mit einem drastischen Gewinneinbruch rechnet, liegt an einem erwarteten Sondereffekt: Bis Mitte des Jahres will der Konzern seinen Streit über Lieferverträge mit dem russischen Gaskonzern Gazprom klären. RWE geht davon aus, dass dabei am Ende Preissenkungen für die Essener herausspringen.

Investoren fragen sich derweil längst, ob der Konzern in der heutigen Form überhaupt eine Zukunft hat. 'Die Tage der alten Welt aus Kohle und Kernkraft sind gezählt, das Geschäftsmodell von RWE bedarf einer Generalüberholung', warnt etwa Ingo Speich, Portfoliomanager der Fondsgesellschaft Union Investment.

Teriums Vorgänger Großmann war ein Fürsprecher der Atomenergie. Er hatte zum Teil wütende Proteste von Atomkraftgegnern auf sich gezogen. Terium gerät nun wegen seines Kohlekraftkurses in die Kritik. Kohlekraftwerke tragen zu mehr als der Hälfte der Stromerzeugung von RWE bei - deutlich mehr als etwa bei dem Konkurrenten Eon. Da die Produktion aus Wind und Sonne nicht immer gesichert sei, würden aber auch künftig konventionelle Anlagen benötigt, betont Terium.

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