Jahrzehntelang war der Landesverband Baden-Württemberg der erfolgreichste der FDP. Jetzt regiert dort der Verdruss.
Das tut schon weh. Wie alle ratlos rumstehen, mit versteinerten Mienen und suchenden Blicken, wortlos am Rande des FDP-Parteitags. Dirk Niebel, Birgit Homburger, drumherum die anderen aus dem Südwesten - sie alle müssten eigentlich reden und haben sich doch kaum etwas zu sagen. Dass sie sich austauschen, gar zusammenraufen würden - das sucht man vergeblich. Dabei wäre all das nötig, vor allem das Reden. Über die Niederlage der Landeschefin gerade eben zum Beispiel. Über die Strategie bei den Wahlgängen, die gleich folgen werden. Überhaupt über das fehlende Zusammenrücken in schweren Zeiten. Statt dessen gibt es diese Blicke ins Leere.
Dirk Niebel am Freitag im Bundestag
Ziemlich kopflos, ziemlich führungslos, ziemlich machtlos - der Dreiklang passt für diesen Moment wohl am besten. So schwach sind die Baden-Württemberger auf einem FDP-Bundesparteitag womöglich noch nie aufgetreten: Der Nachmittag des 9. März dürfte als dunkles Kapitel in ihren Köpfen bleiben. Am Ende fliegt Dirk Niebel, immerhin Nummer eins auf der Landesliste für die Bundestagswahl, aus dem Präsidium. Und Landeschefin Birgit Homburger kann sich gerade noch ins Präsidium retten, als dritte Beisitzerin, nachdem sie im Duell gegen den Sachsen Volker Zastrow unterlag und nicht länger stellvertretende Vorsitzende bleiben durfte. Eine stolze Partei? Ein mächtiger Landesverband? Das Stammland der Liberalen?
Die FDP aus Baden-Württemberg ist in der Tat mal eine sehr stolze Partei gewesen. Theodor Heuss, der erste Bundespräsident, hatte sie mitgegründet. Reinhold Maier, der 1945 bis 1953 im Südwesten regierte, ist bis heute der einzige Ministerpräsident geblieben, den die Partei je hatte, natürlich in Stuttgart. Außerdem ist die FDP in Baden-Württemberg die einzige Landespartei, die noch nie an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert ist. Und wer einmal studiert, welcher Landesverband bei Bundestagswahlen die besten Ergebnisse einsammelt, der landet so gut wie immer bei der FDP im Südwesten. 2009 waren es fast 19Prozent. Ja, seit der Gründung war dies einer der stärksten und einflussreichsten Landesverbände. 'Wir sind immer eine Macht gewesen', sagt ein Mitglied im Landesvorstand. 'Inzwischen aber haben sich die Gewichte dramatisch verschoben.'
Nun könnte man sagen, dass das ein kleines Problem ist. Krisen in Landesverbänden hat es immer gegeben. Im Jahr 2013 aber liegen die Dinge anders. In fünf Monaten wird im Bund gewählt. In einer Woche trifft sich die Partei in Nürnberg zum Wahlkampfparteitag. Und weil die FDP sehr kämpfen muss, um wieder auf die Beine zu kommen, kann sie es ganz und gar nicht gebrauchen, dass einer ihrer wichtigsten Pfeiler schlecht aussieht. Fragt man unter Berliner FDP-Politikerin herum, will niemand öffentlich klagen. Aber Sorge und Skepsis sind in jedem Gesicht abzulesen. 'Das kommt furchtbar ungelegen', sagt einer, der weit vorne stehen wird im Wahlkampf. 'Wir hoffen einfach, dass die Bundespolitiker das Manko ausgleichen.'
Schön klingt anders. Macht man sich also auf die Suche nach den Gründen, landet man zunächst bei der Vorsitzenden. Die 48-jährige Homburger führt den Landesverband seit neun Jahren. Und dass sie vollkommen schuldlos wäre an der Lage, wird inzwischen in der Landtagsfraktion wie unter den Bundespolitikern kaum noch einer behaupten. 'Am Ende müssen Sie die eigenen Leute begeistern können', sagt einer, der seit geraumer Zeit mit dabei ist. 'Das geht nicht mit Verwaltung.'
Begeisterung und Verwaltung - das sind mit Blick auf Homburger tatsächlich zentrale Vokabeln. Sie sagen alles aus über ihre Stärken und Schwächen. Nichts fehlt ihr mehr als ein öffentlicher Auftritt und eine Ausstrahlung, mit der sie andere mitreißen könnte. Am stärksten zu besichtigen war das in den Jahren zwischen 2009 und 2011, in denen sie die Bundestagsfraktion führte. Wann immer sie im Parlament ans Pult trat, kämpfte sie sich so beflissen wie humorfrei durch die Reden, dass nicht nur die politischen Gegner das oft als Qual empfanden. Nein, Homburger, die schon 23 Jahre im Bundestag sitzt, also fast das halbe Leben im Parlament verbracht hat, ist keine Menschenfängerin.
Außerdem, das erzählen selbst jene, die ihr wohlgesonnen sind, habe sie eine Strenge und ein Kontrollbedürfnis, das oft nicht mehr angenehm rüberkomme. Was in Berlin nach außen wie eine notwendige Überlebensstrategie erscheine, wirke nach innen hart und unnachgiebig. Dabei attestieren ihr auch Gegner eine hohe soziale Intelligenz. Sie spüre schnell, wenn sich was zusammenbraue, sie spreche einen auch mal direkt an, um Gefahren im Keim zu ersticken. Bundestagsabgeordnete bescheinigen ihr deshalb eine 'machttaktisch hohe Klugheit'. Aber inzwischen erkläre genau das auch 'den aggressiven Verdruss', der sich aufgebaut habe. Die Folge: 2011 schafft sie ihre Wiederwahl als Landeschefin erst im zweiten Wahlgang; 2012 flüchtet sie bei der Listenaufstellung auf den zweiten Platz, um einem Duell mit Ex-Landeschef Walter Döring auszuweichen. Und 2013 verliert sie ihre Position als Stellvertreterin von Philipp Rösler. Jedes mal muss sie eine Niederlage wegstecken. Jedes mal steht sie wieder auf. Jedes mal schrumpfen Kraft und Einfluss weiter. Manch anderer hätte längst aufgegeben.
Es wäre zu einfach, die Schwäche Homburgers als alleinigen Grund für die Schwäche des Landesverbandes zu nennen. Der Blick auf sie offenbart auch, wie eine komplette Landesspitze über Jahre hinweg ihr alle mühsamen Arbeiten überlässt, sich bei den Erfolgen (18,8 Prozent bei der Bundestagswahl) entschieden mitfeiert - und sich, wenn alles bröckelt und einbricht, schleichend abwendet. Homburger hat gerackert, sie stellte sich nicht in den Mittelpunkt. Und sie lernt jetzt, wie alleine man steht, wenn sich die Winde gedreht haben. Dass selbst Kritiker ihr sehr viel Fleiß, Detailkenntnis und Ausdauer bescheinigen, mag schön klingen, hilft aber auch nicht. Dieser Tage sagte ein prominenter FDP-Politiker in Berlin, sie sei 'als Managerin der Partei oder als Geschäftsführerin der Fraktion ziemlich unschlagbar.' Ob das für einen Politiker mehr Lob ist oder mehr Tadel, ließ er allerdings offen.
So bleibt Homburger Landeschefin auf Abruf, die im Wahlkampf den Listenersten Niebel unterstützen muss, mit dem sie nicht viel verbindet. Beide wissen nur, dass ein gutes Wahlergebnis am 22. September so etwas wie ihre allerletzte Chance ist. Homburger sagt dazu: 'Wir werden gemeinsam einen super Wahlkampf hinlegen.' Niebel sagt: 'Ich bin der einzige FDP-Bundesminister aus Baden-Württemberg und damit natürlich das Aushängeschild des Landesverbandes.' Was das zeigt? Auch jetzt kämpft jeder auf seine Weise.
Und drumherum sondieren längst andere, wie es im Herbst, beim nächsten Landesparteitag, weitergehen könnte. Mancher schaut auf den Bundestagsabgeordneten Hartfrid Wolff, einen 40-jährigen Wirtschaftsanwalt aus dem Raum Stuttgart, der sich derzeit vor allem im NSU-Untersuchungsausschuss einsetzt. Sein schärfster Konkurrent könnte Hans-Ulrich Rülke werden, der FDP-Fraktionschef im Stuttgarter Landtag. Wolff gilt als jovial, ruhig und machtbewusst, Rülke als Kämpfer und Einzelgänger. Das Bemerkenswerteste freilich ist, dass bis jetzt kaum jemand ihre Namen schon mal gehört hat. Ein Faktum immerhin, das beide miteinander verbindet.
Das tut schon weh. Wie alle ratlos rumstehen, mit versteinerten Mienen und suchenden Blicken, wortlos am Rande des FDP-Parteitags. Dirk Niebel, Birgit Homburger, drumherum die anderen aus dem Südwesten - sie alle müssten eigentlich reden und haben sich doch kaum etwas zu sagen. Dass sie sich austauschen, gar zusammenraufen würden - das sucht man vergeblich. Dabei wäre all das nötig, vor allem das Reden. Über die Niederlage der Landeschefin gerade eben zum Beispiel. Über die Strategie bei den Wahlgängen, die gleich folgen werden. Überhaupt über das fehlende Zusammenrücken in schweren Zeiten. Statt dessen gibt es diese Blicke ins Leere.
Dirk Niebel am Freitag im Bundestag
Ziemlich kopflos, ziemlich führungslos, ziemlich machtlos - der Dreiklang passt für diesen Moment wohl am besten. So schwach sind die Baden-Württemberger auf einem FDP-Bundesparteitag womöglich noch nie aufgetreten: Der Nachmittag des 9. März dürfte als dunkles Kapitel in ihren Köpfen bleiben. Am Ende fliegt Dirk Niebel, immerhin Nummer eins auf der Landesliste für die Bundestagswahl, aus dem Präsidium. Und Landeschefin Birgit Homburger kann sich gerade noch ins Präsidium retten, als dritte Beisitzerin, nachdem sie im Duell gegen den Sachsen Volker Zastrow unterlag und nicht länger stellvertretende Vorsitzende bleiben durfte. Eine stolze Partei? Ein mächtiger Landesverband? Das Stammland der Liberalen?
Die FDP aus Baden-Württemberg ist in der Tat mal eine sehr stolze Partei gewesen. Theodor Heuss, der erste Bundespräsident, hatte sie mitgegründet. Reinhold Maier, der 1945 bis 1953 im Südwesten regierte, ist bis heute der einzige Ministerpräsident geblieben, den die Partei je hatte, natürlich in Stuttgart. Außerdem ist die FDP in Baden-Württemberg die einzige Landespartei, die noch nie an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert ist. Und wer einmal studiert, welcher Landesverband bei Bundestagswahlen die besten Ergebnisse einsammelt, der landet so gut wie immer bei der FDP im Südwesten. 2009 waren es fast 19Prozent. Ja, seit der Gründung war dies einer der stärksten und einflussreichsten Landesverbände. 'Wir sind immer eine Macht gewesen', sagt ein Mitglied im Landesvorstand. 'Inzwischen aber haben sich die Gewichte dramatisch verschoben.'
Nun könnte man sagen, dass das ein kleines Problem ist. Krisen in Landesverbänden hat es immer gegeben. Im Jahr 2013 aber liegen die Dinge anders. In fünf Monaten wird im Bund gewählt. In einer Woche trifft sich die Partei in Nürnberg zum Wahlkampfparteitag. Und weil die FDP sehr kämpfen muss, um wieder auf die Beine zu kommen, kann sie es ganz und gar nicht gebrauchen, dass einer ihrer wichtigsten Pfeiler schlecht aussieht. Fragt man unter Berliner FDP-Politikerin herum, will niemand öffentlich klagen. Aber Sorge und Skepsis sind in jedem Gesicht abzulesen. 'Das kommt furchtbar ungelegen', sagt einer, der weit vorne stehen wird im Wahlkampf. 'Wir hoffen einfach, dass die Bundespolitiker das Manko ausgleichen.'
Schön klingt anders. Macht man sich also auf die Suche nach den Gründen, landet man zunächst bei der Vorsitzenden. Die 48-jährige Homburger führt den Landesverband seit neun Jahren. Und dass sie vollkommen schuldlos wäre an der Lage, wird inzwischen in der Landtagsfraktion wie unter den Bundespolitikern kaum noch einer behaupten. 'Am Ende müssen Sie die eigenen Leute begeistern können', sagt einer, der seit geraumer Zeit mit dabei ist. 'Das geht nicht mit Verwaltung.'
Begeisterung und Verwaltung - das sind mit Blick auf Homburger tatsächlich zentrale Vokabeln. Sie sagen alles aus über ihre Stärken und Schwächen. Nichts fehlt ihr mehr als ein öffentlicher Auftritt und eine Ausstrahlung, mit der sie andere mitreißen könnte. Am stärksten zu besichtigen war das in den Jahren zwischen 2009 und 2011, in denen sie die Bundestagsfraktion führte. Wann immer sie im Parlament ans Pult trat, kämpfte sie sich so beflissen wie humorfrei durch die Reden, dass nicht nur die politischen Gegner das oft als Qual empfanden. Nein, Homburger, die schon 23 Jahre im Bundestag sitzt, also fast das halbe Leben im Parlament verbracht hat, ist keine Menschenfängerin.
Außerdem, das erzählen selbst jene, die ihr wohlgesonnen sind, habe sie eine Strenge und ein Kontrollbedürfnis, das oft nicht mehr angenehm rüberkomme. Was in Berlin nach außen wie eine notwendige Überlebensstrategie erscheine, wirke nach innen hart und unnachgiebig. Dabei attestieren ihr auch Gegner eine hohe soziale Intelligenz. Sie spüre schnell, wenn sich was zusammenbraue, sie spreche einen auch mal direkt an, um Gefahren im Keim zu ersticken. Bundestagsabgeordnete bescheinigen ihr deshalb eine 'machttaktisch hohe Klugheit'. Aber inzwischen erkläre genau das auch 'den aggressiven Verdruss', der sich aufgebaut habe. Die Folge: 2011 schafft sie ihre Wiederwahl als Landeschefin erst im zweiten Wahlgang; 2012 flüchtet sie bei der Listenaufstellung auf den zweiten Platz, um einem Duell mit Ex-Landeschef Walter Döring auszuweichen. Und 2013 verliert sie ihre Position als Stellvertreterin von Philipp Rösler. Jedes mal muss sie eine Niederlage wegstecken. Jedes mal steht sie wieder auf. Jedes mal schrumpfen Kraft und Einfluss weiter. Manch anderer hätte längst aufgegeben.
Es wäre zu einfach, die Schwäche Homburgers als alleinigen Grund für die Schwäche des Landesverbandes zu nennen. Der Blick auf sie offenbart auch, wie eine komplette Landesspitze über Jahre hinweg ihr alle mühsamen Arbeiten überlässt, sich bei den Erfolgen (18,8 Prozent bei der Bundestagswahl) entschieden mitfeiert - und sich, wenn alles bröckelt und einbricht, schleichend abwendet. Homburger hat gerackert, sie stellte sich nicht in den Mittelpunkt. Und sie lernt jetzt, wie alleine man steht, wenn sich die Winde gedreht haben. Dass selbst Kritiker ihr sehr viel Fleiß, Detailkenntnis und Ausdauer bescheinigen, mag schön klingen, hilft aber auch nicht. Dieser Tage sagte ein prominenter FDP-Politiker in Berlin, sie sei 'als Managerin der Partei oder als Geschäftsführerin der Fraktion ziemlich unschlagbar.' Ob das für einen Politiker mehr Lob ist oder mehr Tadel, ließ er allerdings offen.
So bleibt Homburger Landeschefin auf Abruf, die im Wahlkampf den Listenersten Niebel unterstützen muss, mit dem sie nicht viel verbindet. Beide wissen nur, dass ein gutes Wahlergebnis am 22. September so etwas wie ihre allerletzte Chance ist. Homburger sagt dazu: 'Wir werden gemeinsam einen super Wahlkampf hinlegen.' Niebel sagt: 'Ich bin der einzige FDP-Bundesminister aus Baden-Württemberg und damit natürlich das Aushängeschild des Landesverbandes.' Was das zeigt? Auch jetzt kämpft jeder auf seine Weise.
Und drumherum sondieren längst andere, wie es im Herbst, beim nächsten Landesparteitag, weitergehen könnte. Mancher schaut auf den Bundestagsabgeordneten Hartfrid Wolff, einen 40-jährigen Wirtschaftsanwalt aus dem Raum Stuttgart, der sich derzeit vor allem im NSU-Untersuchungsausschuss einsetzt. Sein schärfster Konkurrent könnte Hans-Ulrich Rülke werden, der FDP-Fraktionschef im Stuttgarter Landtag. Wolff gilt als jovial, ruhig und machtbewusst, Rülke als Kämpfer und Einzelgänger. Das Bemerkenswerteste freilich ist, dass bis jetzt kaum jemand ihre Namen schon mal gehört hat. Ein Faktum immerhin, das beide miteinander verbindet.