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Hoffnungslos, aber nicht ernst

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Die SPD feiert in Berlin mit einer großen Sause ihren 150. Geburtstag nach, samt Riesenrad, Bratwurst und einem Auftritt von drei Märchenonkeln, die einst die Troika waren. Die Stimmung ist gut - gemessen an der Lage.

Da sitzen die drei wieder in einer Reihe, die Herren der einstigen Troika, die angeblich alle einmal von der Kanzlerkandidatur träumten und sich angeblich trotzdem so gut verstanden. Der, der Herausforderer wurde, kräht, der zweite bellt, der dritte i-aht. Peer Steinbrück, Parteichef Sigmar Gabriel und der Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier lesen in einem Zelt unweit des Brandenburger Tores das Märchen von den Bremer Stadtmusikanten vor. Und weil diese Truppe bekanntlich kein Trio, sondern ein Quartett war, musste noch eine Frau her - Schatzmeisterin Barbara Hendricks mimt die Katze. Sie miaut.

Im Programm steht, es handele sich um eine Lesung für Kinder. Die sind aber klar in der Minderheit. Ein gutes Dutzend Jungen und Mädchen krabbelt auf dem Boden, man bohrt in der Nase. Drumherum sitzt und steht eine halbe Hundertschaft SPD-Anhänger, angereist aus allen Ecken Deutschlands, die ihre Führungsleute einmal aus der Nähe erleben wollen. Kein Problem. Auf dem Mini-Podium wird aufgeräumt und gut gelaunt kein Wahlkampf gezeigt, sondern Familienprogramm. Und Stimmungspflege natürlich. Gabriel sagt in der Rolle des Hundes: 'Etwas Besseres als den Tod findest du allemal'. Ein klassischer Mutmacher-Satz. Den kann auch die SPD gut gebrauchen, in diesen Tagen. Nicht nur Funktionäre, sondern auch viele Mitglieder können nicht mehr daran glauben, dass es tatsächlich etwas wird mit einem rot-grünen Wahlerfolg. Eine Dame, angereist aus Nordrhein-Westfalen, schaut etwas wehmütig auf den Märchenonkel Steinbrück. Wird das was mit ihm als Kanzler? 'Nein. Leider, leider nein', seufzt die Dame, erklärtermaßen seit Jahrzehnten SPD-Anhängerin.



Die ehemalige Troika mimte beim SPD-Geburtstagsfest drei von vier Bremer Stadtmusikanten: Steinbrück, Gabriel, Steinmeier.

Die Mega-Party der Sozialdemokraten am Brandenburger Tor, tituliert als Feier zum 150-jährigen Bestehen der Partei, hat die trüben Gedanken nicht verscheuchen können. Aber gemessen an der Lage ist die Stimmung gut. Hunderttausend sind am Samstag auf die Straße des 17. Juni gekommen, wo die Massen sonst Fußball-Spieler feiern oder auch Silvester. Um die Sause hatte es zuvor Ärger gegeben, mit der Stadtverwaltung. Die für Mitte zuständigen Politiker sahen nicht ein, warum man die Straße sperren sollte, ausgerechnet für eine Parteiveranstaltung. Die SPD beteuerte, es sei keine Wahlveranstaltung, sondern ein Bürgerfest, zu dem jedermann eingeladen sei. Der SPD-geführte Senat Berlins erlaubte am Ende die Veranstaltung. Am Samstag schließlich, als all die Leute zwischen Bier-, Wurst- und Infoständen bummeln, mal wieder der Sängerin Nena, den Prinzen und den SPD-Promis lauschen, macht Gabriel auch keinen Hehl mehr aus dem wahren Sinn der Party. So viele Menschen wie die SPD habe die CDU zu ihrer offiziellen Wahlkampferöffnung längst nicht auf die Beine bekommen, verkündet er stolz. Gekommen sind nicht nur Genossen, sondern auch Touristen aus aller Welt und viele Berliner. In der Stadt liebt man Straßenfeste und kostenlose Unterhaltung. Hätten die Sozialdemokraten auch noch eine Wasserrutsche aufgebaut, die Meile wäre sofort wegen Überfüllung geschlossen worden. Immerhin gibt es ein Riesenrad.

Und einen der im Wahlkampf bislang seltenen Großauftritte von Steinbrück. Der zieht bekanntlich kleinere Veranstaltungen vor, bei denen er mit den Zuhörern ins Gespräch kommt. Nicht so vor dem Brandenburger Tor. Auf der Bühne, auf der tags darauf Roland Kaiser seine Midnight Lady besingen wird, steht Steinbrück am Samstag vor der Menge, die SPD-Fahnen und Peer-Plakate schwenkt. Er ist beeindruckt. Und redet dann 50 Minuten lang. Etwas umständlich erklärt er, warum ausgerechnet das Brandenburger Tor der richtige Platz für die SPD-Party ist, die ihren Geburtstag bekanntlich schon im Mai in Leipzig gefeiert hatte.

Folgt man Steinbrück, so ist das Tor nicht nur Symbol für die wechselhafte neuere deutsche Geschichte, sondern auch die der SPD. Der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann hatte vom Balkon des Reichstags, quasi um die Ecke, am 9. November 1918 die erste deutsche Republik ausgerufen. Im Januar 1933 zogen Nazis durch das Tor, die SPD wurde alsbald aufgelöst. Einen großen Geburtstag konnten die Sozialdemokraten bis 1989 hier nie feiern, Deutschland war geteilt, in der DDR war die SPD verboten. Eine der Geschichtslektionen, die der Kandidat stets hat, diesmal vielleicht auch als Nachhilfe gemeint für die störrischen Bezirkspolitiker von Berlin-Mitte.

Politische Neuigkeiten hat Steinbrück nicht mitzuteilen, man kennt die Versprechen Mindestlohn, bessere Gleichstellung und mehr Geld für Bildung. Aber deutlicher als bisher bekundet er seinen Willen, das Land nach dem 22. September zu regieren. Ein halbes Dutzend Mal sagt er, was er tun werde, wenn er Kanzler der Bundesrepublik Deutschland sei. Steinbrück hält, wenn man so will, eine Art Probe-Regierungserklärung vor dem Reichstag. Er macht damit Mut - den Anhängern und auch sich selbst.

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