Dänemark, Deutschlands kleiner Nachbar, will weiter wachsen. Es erhebt Anspruch auf den Nordpol – als erstes Land, schreibt die dänische Presse stolz. Das stimmt nicht ganz, die Russen haben dasselbe auch bereits versucht. 2007 rammten sie sogar eine russische Flagge in den Meeresgrund am Pol, rostfrei aus Titan. Die Dänen nahmen die Aktion damals mit Humor, ihre Regierung nannte sie einen „bedeutungslosen Gag für die Medien“. Dänemark selbst meint es nun allerdings ernst. Mitte Dezember reichte es seinen Anspruch auf das Gebiet bei der zuständigen Kommission der Vereinten Nationen ein.
Ein Schiff im Eisfjord hinter dem grönländischen Städtchen Ilulissat, Grönland. Dänemark erhebt Anspruch auf den Nordpol. Um diesen Anspruch zu rechtfertigen, muss das Land nachweisen, dass der Festlandsockel vor Grönland unter Wasser in den sogenannten Lomonossow-Rücken übergeht.
Zwölf Jahre lang haben dänische Geologen dafür in der Arktis geforscht und Daten gesammelt, die belegen sollen, dass das Gebiet um den Nordpol zu Grönland gehört. Grönland selbst ist zwar weitgehend autonom, aber immer noch Teil des dänischen Königreiches. Ob irgendwann auch der Nordpol dazu gehört, hängt vom Festlandsockel vor Grönland ab – also dem Rand des Kontinents unter Wasser.
Die dänischen Forschungsergebnisse sollen zeigen, dass dieser in ein Gebirge unter dem Meeresspiegel übergeht, den sogenannten Lomonossow-Rücken. Dieser Kamm zieht sich quer durch das Eismeer, so dass auch Russland und Kanada Teile für sich beanspruchen könnten. Aus dänischer Sicht jedoch verschafft er dem Königreich ein zusätzliches Gebiet von mehr als 895000 Quadratkilometern – wesentlich kleiner also als Grönland, aber immer noch zwanzig Mal so groß wie das dänische Festland.
Es ist bereits das fünfte Unterwasser-Gebiet, das die Dänen bei der UN-Kommission zur Begrenzung des Festlandsockels für sich reklamieren. In den vergangenen Jahren haben sie bereits Anspruch auf je zwei Flächen um die Färöer-Inseln und um Grönland angemeldet. Die Hoffnung ist immer, dort wertvolle Ressourcen zu finden. Das Institut United States Geological Survey vermutet, dass 30 Prozent der unentdeckten weltweiten Gasvorkommen und 13 Prozent des unentdeckten Öls nördlich des Polarkreises schlummern – der größte Teil davon Offshore.
Weil das Eis der Arktis durch den Klimawandel schneller schmilzt als erwartet, wachsen die Begehrlichkeiten. Auch von den Rechten am Fischfang oder potenziell wichtigen neuen Schifffahrtsrouten ist immer wieder die Rede, wenn es darum geht, die Arktis aufzuteilen. Das Interesse am Arktischen Rat hat zugenommen, zuletzt stießen 2013 unter anderen China und Indien als Beobachter dazu.
Christian Marcussen, der Leiter des grönländischen Teils im dänischen Festlandsockel-Projekt, hat selbst drei Expeditionen durch das Polarmeer geführt. Er relativiert die Erwartungen an den arktischen Grundbesitz: „Die Chancen, in diesen Gebieten Erdöl und Gas zu finden, sind sehr gering“, sagt er. Laut US-Studie würden nur drei bis vier Prozent der Vorkommen in der Arktis außerhalb der 200-Meilen-Zonen erwartet – also den Gebieten, für die die Bohrungsrechte längst unter den Küstenstaaten aufgeteilt sind. Außerdem sei es heute noch zu aufwendig und mit großen Risiken verbunden, dort zu bohren. Auch der Fischfang kann laut Marcussen kein Grund sein, den Festlandsockel zu beanspruchen. Dieser sichert laut UN-Abkommen nur die Rechte an Rohstoffen auf dem Meeresboden und im Untergrund, nicht jedoch in der See darüber. „Die Fischfangrechte muss man anders regeln“, so Marcussen. Eine ganzjährliche Schifffahrtsroute über den Nordpol kann er sich auch nicht vorstellen, jedenfalls nicht mehr zu seinen Lebzeiten. „Da liegt schließlich immer noch sehr viel Eis.“
Welche Gründe hatte Dänemark dann, umgerechnet knapp 17 Millionen Euro für das Nordpol-Projekt auszugeben? „Es ist eine Investition in die Zukunft“, sagt Marcussen. „Niemand weiß schließlich, welche Ressourcen wir in 100 Jahren brauchen.“ Für den Antrag wurde es höchste Zeit. Die Frist dafür ist Ende 2014 abgelaufen, also zehn Jahre, nachdem Dänemark das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen ratifiziert hat. Auf dieses stützen sich auch die Ansprüche aller arktischen Nachbarn. Es legt fest, dass Staaten ein Anrecht auf eine 200 Seemeilen breite Zone vor ihrer Küste haben, in der sie zum Beispiel fischen und nach Öl bohren dürfen. Wenn ein Staat Gebiete beanspruchen möchte, die darüber hinaus reichen, muss er beweisen, dass sein Festland unter Wasser weiter geht – als Festlandsockel.
In der Arktis führt das dazu, dass nicht nur Dänemark, sondern auch die anderen Anrainerstaaten Norwegen, Kanada, die USA und Russland in den vergangenen Jahren kräftig geforscht haben – teilweise sogar gemeinsam. Allein die USA haben das Seerechtsübereinkommen bisher nicht ratifiziert und können bei den Vereinten Nationen keine Gebiete für sich reklamieren. Die Ansprüche der anderen werden sich wahrscheinlich überlappen. Die UN-Kommission nimmt zwar Stellung dazu, ob ein Anspruch gerechtfertigt ist – ob beispielsweise der Lomonossow-Rücken als Festlandsockel gelten kann. Sie wird aber letztendlich nicht darüber entscheiden, wem welches Gebiet gehört.
Russland, das den Lomonossow-Rücken als Verlängerung des russischen Festlandsockels betrachtet, hat seinen Antrag dazu bereits 2001 eingereicht. Damals riet die UN-Kommission den Russen nur, weitere Daten für einen neuen Antrag zu sammeln. Dieser lasse nun nicht mehr lange auf sich warten, sagt Marcussen, der ihn bereits in diesem Frühjahr erwartet. Die UN-Kommission dagegen wird für ihre Empfehlungen vermutlich noch Jahre brauchen. 76 Anträge haben sich laut Marcussen bei dem Gremium angestaut, erst zu etwa 20 davon hat es Stellung genommen.
Am Ende müssen sich die Staaten sowieso untereinander einigen. Der dänische Außenminister Martin Lidegaard möchte den dänischen Vorstoß keinesfalls als Provokation verstanden wissen und spricht von „sehr guter Kooperation“ mit den arktischen Nachbarn. Dennoch geht es ihm um viel: „Das Ziel dieses großen Projektes ist es, die äußeren Grenzen unseres Festlandsockels – und damit letztlich des Königreichs Dänemark – zu bestimmen.“
Ein Schiff im Eisfjord hinter dem grönländischen Städtchen Ilulissat, Grönland. Dänemark erhebt Anspruch auf den Nordpol. Um diesen Anspruch zu rechtfertigen, muss das Land nachweisen, dass der Festlandsockel vor Grönland unter Wasser in den sogenannten Lomonossow-Rücken übergeht.
Zwölf Jahre lang haben dänische Geologen dafür in der Arktis geforscht und Daten gesammelt, die belegen sollen, dass das Gebiet um den Nordpol zu Grönland gehört. Grönland selbst ist zwar weitgehend autonom, aber immer noch Teil des dänischen Königreiches. Ob irgendwann auch der Nordpol dazu gehört, hängt vom Festlandsockel vor Grönland ab – also dem Rand des Kontinents unter Wasser.
Die dänischen Forschungsergebnisse sollen zeigen, dass dieser in ein Gebirge unter dem Meeresspiegel übergeht, den sogenannten Lomonossow-Rücken. Dieser Kamm zieht sich quer durch das Eismeer, so dass auch Russland und Kanada Teile für sich beanspruchen könnten. Aus dänischer Sicht jedoch verschafft er dem Königreich ein zusätzliches Gebiet von mehr als 895000 Quadratkilometern – wesentlich kleiner also als Grönland, aber immer noch zwanzig Mal so groß wie das dänische Festland.
Es ist bereits das fünfte Unterwasser-Gebiet, das die Dänen bei der UN-Kommission zur Begrenzung des Festlandsockels für sich reklamieren. In den vergangenen Jahren haben sie bereits Anspruch auf je zwei Flächen um die Färöer-Inseln und um Grönland angemeldet. Die Hoffnung ist immer, dort wertvolle Ressourcen zu finden. Das Institut United States Geological Survey vermutet, dass 30 Prozent der unentdeckten weltweiten Gasvorkommen und 13 Prozent des unentdeckten Öls nördlich des Polarkreises schlummern – der größte Teil davon Offshore.
Weil das Eis der Arktis durch den Klimawandel schneller schmilzt als erwartet, wachsen die Begehrlichkeiten. Auch von den Rechten am Fischfang oder potenziell wichtigen neuen Schifffahrtsrouten ist immer wieder die Rede, wenn es darum geht, die Arktis aufzuteilen. Das Interesse am Arktischen Rat hat zugenommen, zuletzt stießen 2013 unter anderen China und Indien als Beobachter dazu.
Christian Marcussen, der Leiter des grönländischen Teils im dänischen Festlandsockel-Projekt, hat selbst drei Expeditionen durch das Polarmeer geführt. Er relativiert die Erwartungen an den arktischen Grundbesitz: „Die Chancen, in diesen Gebieten Erdöl und Gas zu finden, sind sehr gering“, sagt er. Laut US-Studie würden nur drei bis vier Prozent der Vorkommen in der Arktis außerhalb der 200-Meilen-Zonen erwartet – also den Gebieten, für die die Bohrungsrechte längst unter den Küstenstaaten aufgeteilt sind. Außerdem sei es heute noch zu aufwendig und mit großen Risiken verbunden, dort zu bohren. Auch der Fischfang kann laut Marcussen kein Grund sein, den Festlandsockel zu beanspruchen. Dieser sichert laut UN-Abkommen nur die Rechte an Rohstoffen auf dem Meeresboden und im Untergrund, nicht jedoch in der See darüber. „Die Fischfangrechte muss man anders regeln“, so Marcussen. Eine ganzjährliche Schifffahrtsroute über den Nordpol kann er sich auch nicht vorstellen, jedenfalls nicht mehr zu seinen Lebzeiten. „Da liegt schließlich immer noch sehr viel Eis.“
Welche Gründe hatte Dänemark dann, umgerechnet knapp 17 Millionen Euro für das Nordpol-Projekt auszugeben? „Es ist eine Investition in die Zukunft“, sagt Marcussen. „Niemand weiß schließlich, welche Ressourcen wir in 100 Jahren brauchen.“ Für den Antrag wurde es höchste Zeit. Die Frist dafür ist Ende 2014 abgelaufen, also zehn Jahre, nachdem Dänemark das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen ratifiziert hat. Auf dieses stützen sich auch die Ansprüche aller arktischen Nachbarn. Es legt fest, dass Staaten ein Anrecht auf eine 200 Seemeilen breite Zone vor ihrer Küste haben, in der sie zum Beispiel fischen und nach Öl bohren dürfen. Wenn ein Staat Gebiete beanspruchen möchte, die darüber hinaus reichen, muss er beweisen, dass sein Festland unter Wasser weiter geht – als Festlandsockel.
In der Arktis führt das dazu, dass nicht nur Dänemark, sondern auch die anderen Anrainerstaaten Norwegen, Kanada, die USA und Russland in den vergangenen Jahren kräftig geforscht haben – teilweise sogar gemeinsam. Allein die USA haben das Seerechtsübereinkommen bisher nicht ratifiziert und können bei den Vereinten Nationen keine Gebiete für sich reklamieren. Die Ansprüche der anderen werden sich wahrscheinlich überlappen. Die UN-Kommission nimmt zwar Stellung dazu, ob ein Anspruch gerechtfertigt ist – ob beispielsweise der Lomonossow-Rücken als Festlandsockel gelten kann. Sie wird aber letztendlich nicht darüber entscheiden, wem welches Gebiet gehört.
Russland, das den Lomonossow-Rücken als Verlängerung des russischen Festlandsockels betrachtet, hat seinen Antrag dazu bereits 2001 eingereicht. Damals riet die UN-Kommission den Russen nur, weitere Daten für einen neuen Antrag zu sammeln. Dieser lasse nun nicht mehr lange auf sich warten, sagt Marcussen, der ihn bereits in diesem Frühjahr erwartet. Die UN-Kommission dagegen wird für ihre Empfehlungen vermutlich noch Jahre brauchen. 76 Anträge haben sich laut Marcussen bei dem Gremium angestaut, erst zu etwa 20 davon hat es Stellung genommen.
Am Ende müssen sich die Staaten sowieso untereinander einigen. Der dänische Außenminister Martin Lidegaard möchte den dänischen Vorstoß keinesfalls als Provokation verstanden wissen und spricht von „sehr guter Kooperation“ mit den arktischen Nachbarn. Dennoch geht es ihm um viel: „Das Ziel dieses großen Projektes ist es, die äußeren Grenzen unseres Festlandsockels – und damit letztlich des Königreichs Dänemark – zu bestimmen.“