"Nordwind“ ist in sozialen Netzwerken ein eher wenig gebräuchliches Wort, es sei denn, Menschen unterhalten sich auf Facebook oder dem russischen Pendant V-Kontakte über den Wetterbericht. In den vergangenen Tagen allerdings kam der Wind aus dem Norden auffällig häufig vor, wenn sich Unterstützer der prorussischen Separatisten in der Ostukraine und in Russland austauschten. Die Metapher steht, wenn man dem Historiker und wohl besten Kenner der Separatisten-Bewegung, Nikolaj Mitrochin, folgt, für die jüngsten Vorstöße russischer Kämpfer gegen ukrainische Truppen in der Ostukraine.
Der Konflikt in der Ukraine eskaliert: Kiew spricht von Angriffen russischer Truppen. Moskau dementiert.
Ein Sprecher des Kiewer Verteidigungsministeriums bestätigte am Mittwoch eben diese Truppenbewegungen: Ukrainische Soldaten seien in den vergangenen Tagen von regulären russischen Truppen angegriffen worden; schwere Gefechte hielten an zwei Kontrollstellen in der Region Luhansk nahe der Grenze zu Russland an. Moskaus Außenminister Sergej Lawrow dementierte umgehend.
Die Kämpfe in der Ostukraine eskalieren, und mit ihnen die gegenseitigen Beschuldigungen. Moskau fordert nach wie vor Beweise für seine Einmischung in den Krieg, der offiziell immer noch keiner ist, und Kiew zählt Angriff um Angriff russischer „Okkupanten“. Und während in der Nacht zum Donnerstag in Berlin die Außenminister von Deutschland, Frankreich und der Ukraine mit Moskau wieder um eine Lösung ringen, die Russland mit in die Verantwortung nimmt, dominiert im russisch-sprachigen Netz offene Begeisterung über Soldaten, die ihr Leben für die Unabhängigkeit der Donezker und Luhansker Volksrepubliken (DNR, LNR) oder für Neurussland geben. In den Postings tauchen diese Soldaten unter zwei populären Pseudonymen auf – entweder in einer ironischen Kombination aus den Worten „Krieger“ und „Handel“ (Wojentorg), ein Bezug auf Putins Sentenz nach der Krim-Annexion, man könne überall Uniformen im Supermarkt kaufen. Oder unter der Bezeichnung „Urlauber“ (Otpuskniki), denn nach russischer Lesart tun russische Freiwillige, die im Donbass kämpfen, das gern in ihrer Freizeit.
Welches die Gründe und Hintergründe für den erneuten Ausbruch blutiger Kämpfe im Donbass sind – darüber gibt es unterschiedliche Erklärungen. Im Kreml interpretiert man die Überzeugung des Westens, russische Interessen dominierten das Vorgehen der Separatisten, als den plumpen Versuch, Wladimir Putin zu stürzen. Kremlsprecher Dmitri Peskow sagte der Zeitschrift Argumenty iFakty, man wolle „Putin als eine Seite des Konflikts hinstellen, ihn international isolieren, Russland wegen eigener wirtschaftlicher Interessen erwürgen und einen Sturz Putins herbeiführen“.
In diplomatischen Kreisen im Westen kursiert hingegen die Vermutung, Putin wolle mit einer Eskalation die Bereitschaft Kiews erzwingen, direkt mit den Separatistenführern zu verhandeln. Je größer die Not bei den Bürgern des Donbass, je höher der Blutzoll bei der ukrainischen Armee, desto wahrscheinlicher könnte eine aktive und offizielle Einbeziehung der „Republikführer“ Alexander Sachartschenko (DNR) und Igor Plotnizki (LNR) in die Verhandlungen werden. Das aber käme, ist etwa bei der OSZE zu hören, einer unausgesprochenen Anerkennung der „Autonomen Volksrepubliken“ nahe – bisher undenkbar.
Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko erklärt nicht zuletzt die Einberufung zusätzlicher Soldaten und die jüngste Militäroffensive als verzweifelten Versuch der Gegenwehr gegen Angriffe russischer Artillerie. Die ukrainischen Truppen würden damit nicht nur ihr Land, sondern Europa verteidigen: „Die Frontlinie im Kampf um Europas Freiheit und Demokratie befindet sich in der Ukraine.“
Der Moskauer Wissenschaftler Nikolai Mitrochin hält eine andere Überlegung für wahrscheinlicher. Ziel Moskaus sei es, ein möglichst großes Stück aus der Ukraine herauszubrechen, ohne neue Sanktionen zu provozieren. Auf politischer Ebene agierten Separatistenführer mit teilweise dubiosen Biografien, die ihre berufliche oder militärische Ausbildung ganz überwiegend in der UdSSR oder später in Russland erhalten hätten. Sie seien Handlanger Moskaus; die Beteiligung dieser Männer an einer politischen Lösung liege nicht in Moskaus Interesse: „Putin ist in erster Linie Offizier und erst in zweiter Linie Politiker.“
80 Prozent der Kämpfer auf Separatistenseite seien russische Staatsbürger, schätzt der Forscher, der zuletzt an der Universität Bremen arbeitete und jetzt am Institut für die Wissenschaften vom Menschen in Wien forscht: Erfahrene Soldaten, die von Militärkommandos in die Ostukraine geschickt worden seien, junge Soldaten, die ohne ihr Wissen oder unter Druck verschickt würden, Veteranen und Freiwillige, Kommunisten und Nationalisten, Offiziere unterschiedlicher Geheimdienste. Entsprechend unterschiedlich, ja konfus seien die Interessen, die Einsatz- und Tagesbefehle. Eines sei gleichwohl sicher: Die große Linie, die gebe der Kreml vor.
Tatsächlich ist von den sogenannten Regierungen der Volksrepubliken selbst wenig zu hören, was nicht auf Moskau verweist. Auf der Webseite der DNR heißt es, die ukrainischen Banditen drohten Russland mit Krieg, ein Autor zitiert die jüngste Meldung, dass Moskau bei den Verhandlungen in Berlin auf die Einrichtung einer Pufferzone dringen wolle. Der russische Propagandist der Idee von Neurussland, Igor Strelkow, ruft die Bürger zu Blutspenden für die Armeen Neurusslands auf. Zu Friedensgesprächen jedweder Art war zuletzt aus Donezk zu hören, man sei des Redens müde, zuletzt waren die Herren erst gar nicht an- oder aber schnell wieder abgereist.
In der Luhansker Volksrepublik hat Anführer Igor Plotnizki seine internen Widersacher , die sich hinter einen russischen Afghanistan-Veteranen versammeln, aufgerufen, sich der Luhansker Armee anzuschließen. Plotnizki muss sich derzeit im Machtkampf auch gegen Don-Kosaken behaupten, die aus der Gegend um das russische Rostow kommen. Ach ja, er ist an einer Moskauer Militärhochschule ausgebildet – und war Major der Sowjetarmee.
Der Konflikt in der Ukraine eskaliert: Kiew spricht von Angriffen russischer Truppen. Moskau dementiert.
Ein Sprecher des Kiewer Verteidigungsministeriums bestätigte am Mittwoch eben diese Truppenbewegungen: Ukrainische Soldaten seien in den vergangenen Tagen von regulären russischen Truppen angegriffen worden; schwere Gefechte hielten an zwei Kontrollstellen in der Region Luhansk nahe der Grenze zu Russland an. Moskaus Außenminister Sergej Lawrow dementierte umgehend.
Die Kämpfe in der Ostukraine eskalieren, und mit ihnen die gegenseitigen Beschuldigungen. Moskau fordert nach wie vor Beweise für seine Einmischung in den Krieg, der offiziell immer noch keiner ist, und Kiew zählt Angriff um Angriff russischer „Okkupanten“. Und während in der Nacht zum Donnerstag in Berlin die Außenminister von Deutschland, Frankreich und der Ukraine mit Moskau wieder um eine Lösung ringen, die Russland mit in die Verantwortung nimmt, dominiert im russisch-sprachigen Netz offene Begeisterung über Soldaten, die ihr Leben für die Unabhängigkeit der Donezker und Luhansker Volksrepubliken (DNR, LNR) oder für Neurussland geben. In den Postings tauchen diese Soldaten unter zwei populären Pseudonymen auf – entweder in einer ironischen Kombination aus den Worten „Krieger“ und „Handel“ (Wojentorg), ein Bezug auf Putins Sentenz nach der Krim-Annexion, man könne überall Uniformen im Supermarkt kaufen. Oder unter der Bezeichnung „Urlauber“ (Otpuskniki), denn nach russischer Lesart tun russische Freiwillige, die im Donbass kämpfen, das gern in ihrer Freizeit.
Welches die Gründe und Hintergründe für den erneuten Ausbruch blutiger Kämpfe im Donbass sind – darüber gibt es unterschiedliche Erklärungen. Im Kreml interpretiert man die Überzeugung des Westens, russische Interessen dominierten das Vorgehen der Separatisten, als den plumpen Versuch, Wladimir Putin zu stürzen. Kremlsprecher Dmitri Peskow sagte der Zeitschrift Argumenty iFakty, man wolle „Putin als eine Seite des Konflikts hinstellen, ihn international isolieren, Russland wegen eigener wirtschaftlicher Interessen erwürgen und einen Sturz Putins herbeiführen“.
In diplomatischen Kreisen im Westen kursiert hingegen die Vermutung, Putin wolle mit einer Eskalation die Bereitschaft Kiews erzwingen, direkt mit den Separatistenführern zu verhandeln. Je größer die Not bei den Bürgern des Donbass, je höher der Blutzoll bei der ukrainischen Armee, desto wahrscheinlicher könnte eine aktive und offizielle Einbeziehung der „Republikführer“ Alexander Sachartschenko (DNR) und Igor Plotnizki (LNR) in die Verhandlungen werden. Das aber käme, ist etwa bei der OSZE zu hören, einer unausgesprochenen Anerkennung der „Autonomen Volksrepubliken“ nahe – bisher undenkbar.
Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko erklärt nicht zuletzt die Einberufung zusätzlicher Soldaten und die jüngste Militäroffensive als verzweifelten Versuch der Gegenwehr gegen Angriffe russischer Artillerie. Die ukrainischen Truppen würden damit nicht nur ihr Land, sondern Europa verteidigen: „Die Frontlinie im Kampf um Europas Freiheit und Demokratie befindet sich in der Ukraine.“
Der Moskauer Wissenschaftler Nikolai Mitrochin hält eine andere Überlegung für wahrscheinlicher. Ziel Moskaus sei es, ein möglichst großes Stück aus der Ukraine herauszubrechen, ohne neue Sanktionen zu provozieren. Auf politischer Ebene agierten Separatistenführer mit teilweise dubiosen Biografien, die ihre berufliche oder militärische Ausbildung ganz überwiegend in der UdSSR oder später in Russland erhalten hätten. Sie seien Handlanger Moskaus; die Beteiligung dieser Männer an einer politischen Lösung liege nicht in Moskaus Interesse: „Putin ist in erster Linie Offizier und erst in zweiter Linie Politiker.“
80 Prozent der Kämpfer auf Separatistenseite seien russische Staatsbürger, schätzt der Forscher, der zuletzt an der Universität Bremen arbeitete und jetzt am Institut für die Wissenschaften vom Menschen in Wien forscht: Erfahrene Soldaten, die von Militärkommandos in die Ostukraine geschickt worden seien, junge Soldaten, die ohne ihr Wissen oder unter Druck verschickt würden, Veteranen und Freiwillige, Kommunisten und Nationalisten, Offiziere unterschiedlicher Geheimdienste. Entsprechend unterschiedlich, ja konfus seien die Interessen, die Einsatz- und Tagesbefehle. Eines sei gleichwohl sicher: Die große Linie, die gebe der Kreml vor.
Tatsächlich ist von den sogenannten Regierungen der Volksrepubliken selbst wenig zu hören, was nicht auf Moskau verweist. Auf der Webseite der DNR heißt es, die ukrainischen Banditen drohten Russland mit Krieg, ein Autor zitiert die jüngste Meldung, dass Moskau bei den Verhandlungen in Berlin auf die Einrichtung einer Pufferzone dringen wolle. Der russische Propagandist der Idee von Neurussland, Igor Strelkow, ruft die Bürger zu Blutspenden für die Armeen Neurusslands auf. Zu Friedensgesprächen jedweder Art war zuletzt aus Donezk zu hören, man sei des Redens müde, zuletzt waren die Herren erst gar nicht an- oder aber schnell wieder abgereist.
In der Luhansker Volksrepublik hat Anführer Igor Plotnizki seine internen Widersacher , die sich hinter einen russischen Afghanistan-Veteranen versammeln, aufgerufen, sich der Luhansker Armee anzuschließen. Plotnizki muss sich derzeit im Machtkampf auch gegen Don-Kosaken behaupten, die aus der Gegend um das russische Rostow kommen. Ach ja, er ist an einer Moskauer Militärhochschule ausgebildet – und war Major der Sowjetarmee.