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Weit weg von London

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Nicola Sturgeon wartete am Donnerstagmorgen nicht einmal das Ende der Pressekonferenz ab. Ein Minister und ein Staatssekretär der britischen Regierung erläuterten noch vor Journalisten in Edinburgh, welche neuen Kompetenzen die schottische Regionalregierung bekommen soll, da verbreitete Sturgeon schon auf Twitter, dass London Versprechen gebrochen habe. Hier müsse nachgebessert werden, forderte die 44-Jährige, die Chefin dieser Regionalregierung ist und Vorsitzende der SNP, der Partei der schottischen Nationalisten. Dazu von Journalisten befragt, wiesen die zwei Vertreter aus London den Vorwurf brüsk zurück und verlangten von Sturgeon, mit der Zentralregierung in einer „wohl durchdachten und kooperativen“ Weise zusammenzuarbeiten.



Premier David Cameron und Nicola Sturgeon, Chefin der schottischen Regionalregierung, bei einem Treffen am Donnerstag in Edinburgh. Dort wurden Reformvorschläge vorgestellt, die Schottland mehr Unabhängigkeit innerhalb des Vereinigten Königreichs einräumen sollen.

Der Donnerstag war ein Meilenstein für die Schotten und das gesamte Vereinigte Königreich. Die Vorschläge, die in Schottlands Hauptstadt Edinburgh präsentiert wurden, bewegen Großbritannien in Richtung eines föderalen Staats. Aber die Reaktion von Sturgeon zeigt auch, dass noch zähe Verhandlungen nötig sind. Und die werden dadurch nicht einfacher, dass im Mai in London ein neues Parlament gewählt wird. Der 136-seitige Bericht mit den Gesetzesentwürfen trägt jedoch den zuversichtlichen Titel „Schottland im Vereinigten Königreich: eine dauerhafte Lösung“. Das Papier ist Ergebnis von vier Monaten voller Beratungen und Debatten.

Im vergangenen September stimmten die Schotten über die Unabhängigkeit ab, und als Umfragen die Separatisten auf einmal vorne sahen, versprachen Regierung und Opposition in London den Schotten deutlich mehr Selbstverwaltungsrechte, wenn sie sich für den Verbleib in der Union entschieden. Die Schotten stimmten tatsächlich in diesem Sinne ab, woraufhin die britische Regierung eine überparteiliche Kommission zu dem Thema einsetzte.

Bis zur Burns Night lägen die Gesetzesvorschläge vor, hatte der konservative Premier David Cameron damals versichert. Er reiste am Donnerstag für ein Treffen mit Nicola Sturgeon nach Edinburgh. Den Zeitplan konnte Cameron einhalten, denn die Burns Night ist immer am 25. Januar: Um ihres Nationaldichters Robert Burns zu gedenken, treffen sich Schotten da traditionell zu einem ebenso kalorien- wie promillereichen Abendessen. Verabschiedet werden die Rechtsakte aber erst nach den Wahlen im Mai. Die oppositionelle Labour-Partei will das Paket im Falle eines Sieges bei der Unterhauswahl ebenfalls umsetzen.

Schottland verfügt seit 1999 über ein Regionalparlament, das bereits für einige wichtige Bereiche wie Bildung und Gesundheit zuständig ist. Die Gesetzesentwürfe sehen unter anderem vor, dass dieses Parlament auch über die Einkommensteuer-Raten bestimmen darf. Die Einnahmen soll die Regionalregierung behalten, sie fließen nicht mehr zuerst ans Finanzministerium nach London. Im Gegenzug wird die britische Regierung weniger Geld nach Schottland überweisen.

Über die umstrittene Flugpassagierabgabe darf Schottland ebenfalls entscheiden sowie über einen Teil der Sozialleistungen, wobei die Autonomie Sturgeon gerade in diesem Bereich nicht weit genug geht. Außerdem sollen die Schotten selbst über die Ausgestaltung der Wahlen zum Regionalparlament und in den Kommunen bestimmen. Am Unabhängigkeits-Referendum durften 16- und 17-Jährige teilnehmen, das könnte die Regionalregierung zum Standard für alle Wahlen erklären.

Die Reformen hätten Folgen weit über Schottland hinaus. Denn Wales und Nordirland haben gleichfalls Regionalparlamente, auch hier wird der Ruf nach mehr Rechten laut. Für England hingegen gibt es keine eigene Volksvertretung. Daher stimmen Abgeordnete aus Wales, Schottland oder Nordirland im britischen Parlament auch über Themen ab, die nur England betreffen, etwa Gesundheit. Camerons Konservative wollen das im Falle eines Wahlsiegs ändern: Wenn die Schotten mehr Autonomie erhalten, sollen auch die Engländer gerechter vertreten sein. Die Tories fordern, dass im britischen Parlament nur Abgeordnete aus englischen Wahlkreisen über Gesetze abstimmen dürfen, die Folgen ausschließlich für England haben.

Labour lehnt das ab. Kein Wunder: Aus Schottland etwa schickt Labour 40 Abgeordnete nach Westminster, die Konservativen haben nur einen. Daher ist der Opposition nicht daran gelegen, die Rechte von Abgeordneten außerhalb der Tory-Hochburg England zu beschneiden. Wie dieser Streit ausgeht, wird sich bei den Wahlen im Mai entscheiden.

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