Diplomat ist Diplomat, das kann man an diesem Mittag bei Salaheddine Mezouar sehr schön studieren. Marokkos Außenminister steht in einem feinen Hotel Marrakeschs vor dem Mikro und klingt mit seinem charmanten Französisch unendlich freundlich, als er seine ganz klare Botschaft loswird. Er begrüßt den „großen Minister“ aus Deutschland, er beschwört die wunderbare Freundschaft zwischen beiden Ländern. Dann sagt er, die guten Beziehungen entsprächen der derzeitigen Weltlage. Es sei eine Beziehung des Respekts, denn Respekt sei unverzichtbar in schweren Zeiten. Und weil das so ist, sei er gegen jede Art von Stigmatisierung. Gegen Vorurteile. Man müsse jetzt aufpassen, dass der Islam keine stigmatisierte Religion werde. „Terrorismus kann das nicht rechtfertigen“, sagt Mezouar. Er sagt es zweimal, dreimal und lächelt. Trotzdem lädt er mit diesem Auftritt nicht zum Kaffee, sondern warnt vor einem Konflikt der Religionen.
Außenminister Frank-Walter Steinmeier beim Treffen mit Algeriens Präsident Abdelaziz Bouteflika. Auf der Nordafrika-Reise des deutschen Ministers wurde immer wieder die Frage aufgeworfen, ob zwischen Europa und der islamischen Welt ein Konflikt droht.
Wenige Stunden sind da seit der Landung Frank-Walter Steinmeiers in Marokko vergangen – und schon weiß der deutsche Außenminister, was ihn auf diesem Trip erwartet. In vier Tagen, bis zum Sonntag, besuchte er drei Länder Nordafrikas. Ursprünglich war das geplant, um jene Beziehungen zu pflegen, die immer wieder von Anderem, Wichtigerem verdrängt wurde. Doch jetzt, in den Wochen nach den Anschlägen von Paris, geht es erst mal um die Frage, wie es nun steht um das Verhältnis zwischen Europa und den Muslimen. Steinmeier trifft auf dieser Reise Minister, Abgeordnete, Künstler, auch Blogger – und bei allen erlebt er, wie groß die Sorge ist, dass die Anschläge den Islam als Ganzes auf Dauer in Misskredit bringen. „Drei Mörder und Millionen Muslime, die im Mist stecken“, so fasst es zwischendurch ein marokkanischer Gastgeber zusammen. „Was in Paris passiert ist, hat mit unserem Islam doch gar nichts zu tun.“
So ähnlich spricht das wenig später offenbar auch Marokkos König aus – obwohl man im Allgemeinen wenig erfährt aus Treffen mit Mohammed VI.. Begegnungen mit ihm finden stets im kleinsten Kreis statt; Journalisten und Kameraleute sind ohnehin ausgeschlossen. Selbst dass Steinmeier ihn trifft, ist außergewöhnlich. Er ist seit Jahrzehnten der erste deutsche Minister, der mit einem marokkanischen König ein paar Worte wechselt. Umso interessanter ist es, als dann doch durchdringt, wie aufmerksam der Monarch die Debatten in Europa wahrnimmt. Dass Bundeskanzlerin Angela Merkel zuletzt mit islamischen Verbänden einer Mahnwache beiwohnte, hat er als große Geste empfunden.
Deutlich wird in den vier Tagen freilich auch, wie sehr hier alle bemüht sind, mit Blick auf die Karikaturen von Charlie Hebdo bloß keinen Fehler zu machen. Nichts Falsches von sich zu geben, erst recht keine Morde zu legitimieren und doch zu sagen, dass man sich verletzt fühlt. Steinmeier und die mitreisenden Bundestagabgeordneten erleben das bei Ministern, Unternehmern, Abgeordneten und Künstlern. Aber auch Stadtführer, Museumsmitarbeiter, Hotelchefs versuchen sich in diesem Balanceakt. „Ich finde Terror furchtbar, aber man muss unseren Propheten nicht lächerlich machen“, klagt ein tunesischer Diplomat am Rande der Visite. Er möchte seinen Namen nicht nennen, aber doch eine Frage loswerden: „Ist es wirklich unmöglich, mehr Respekt walten zu lassen?“
Der Terror von Paris hat in Europa Angst vor mehr Terror ausgelöst – aber in Nordafrika vor allem die Frage aufgeworfen, ob zwischen Europa und der islamischen Welt ein Konflikt droht. Dabei spielt auch Pegida eine Rolle. Selbst Tausende Kilometer entfernt sind die antiislamischen Demonstrationen längst angekommen. Wie Steinmeier in einer ruhigen Minute erzählt, gipfelte diese Sorge in einem seiner Gespräche gar in der Frage: „Kommt da ein neuer Rassismus? Ein neuer Faschismus?“ Als der Minister in Tunis vor Hunderten Studenten für mehr Toleranz wirbt und vor Feindbildern warnt, melden sich anschließend gleich mehrere junge Tunesier, die vor allem diese Botschaft loswerden wollen: „Wir sind freundliche Menschen, wir sind berühmt für unsere Gastfreundschaft. Der Terrorismus gehört nicht zu uns, nicht zu unserem Islam.“
Dabei, und das gehört natürlich auch zu diesem Drei-Länder-Trip durch Marokko, Tunesien und Algerien, sind die Gefahren auch hier sehr real. Marokko verzeichnet immerhin gut 1200 Dschihadisten, die im Namen ihres radikalen Islamismus in den Krieg in Syrien gezogen sind. Und Tunesien hält sogar den traurigen Rekord: Aus keinem Land haben sich mehr dorthin aufgemacht, Schätzungen liegen bei 2500. Außerdem, das berichtet Tunesiens Außenminister, habe sein Land 9000 weitere an der Ausreise gehindert. Auf dieser Reise geht es deshalb denn nicht nur um Ängste und Gefühle, sondern auch um konkrete Absprachen. Mehr Austausch von Informationen, mehr Unterstützung bei der Sicherung der Grenzen. „Wir werden da enger zusammenarbeiten“, heißt es bei Steinmeier. Dass das auch eine engere Zusammenarbeit der Geheimdienste bedeuten dürfte, wird nicht offiziell bestätigt, aber auch nicht dementiert.
Bei den tunesischen Studenten kann Steinmeier erleben, dass dies auch neue Ängste weckt. Vierzig Minuten lang spricht er von falschen Feindbildern und gefährlichen Vereinfachungen. Er wirbt für mehr Verständigung und bezeichnet den Terrorismus als „gemeinsamen Feind“ aller. Und was sagt danach der erste Redner, ein Uni-Absolvent, der auf ihn antwortet? „Wir haben Angst, dass der Terrorismus wieder von diktatorischen Regimes gegen uns genutzt wird.“ Gegen die Freiheit und gegen kritische Studenten, im Zweifel gegen eine Gesellschaft.
Außenminister Frank-Walter Steinmeier beim Treffen mit Algeriens Präsident Abdelaziz Bouteflika. Auf der Nordafrika-Reise des deutschen Ministers wurde immer wieder die Frage aufgeworfen, ob zwischen Europa und der islamischen Welt ein Konflikt droht.
Wenige Stunden sind da seit der Landung Frank-Walter Steinmeiers in Marokko vergangen – und schon weiß der deutsche Außenminister, was ihn auf diesem Trip erwartet. In vier Tagen, bis zum Sonntag, besuchte er drei Länder Nordafrikas. Ursprünglich war das geplant, um jene Beziehungen zu pflegen, die immer wieder von Anderem, Wichtigerem verdrängt wurde. Doch jetzt, in den Wochen nach den Anschlägen von Paris, geht es erst mal um die Frage, wie es nun steht um das Verhältnis zwischen Europa und den Muslimen. Steinmeier trifft auf dieser Reise Minister, Abgeordnete, Künstler, auch Blogger – und bei allen erlebt er, wie groß die Sorge ist, dass die Anschläge den Islam als Ganzes auf Dauer in Misskredit bringen. „Drei Mörder und Millionen Muslime, die im Mist stecken“, so fasst es zwischendurch ein marokkanischer Gastgeber zusammen. „Was in Paris passiert ist, hat mit unserem Islam doch gar nichts zu tun.“
So ähnlich spricht das wenig später offenbar auch Marokkos König aus – obwohl man im Allgemeinen wenig erfährt aus Treffen mit Mohammed VI.. Begegnungen mit ihm finden stets im kleinsten Kreis statt; Journalisten und Kameraleute sind ohnehin ausgeschlossen. Selbst dass Steinmeier ihn trifft, ist außergewöhnlich. Er ist seit Jahrzehnten der erste deutsche Minister, der mit einem marokkanischen König ein paar Worte wechselt. Umso interessanter ist es, als dann doch durchdringt, wie aufmerksam der Monarch die Debatten in Europa wahrnimmt. Dass Bundeskanzlerin Angela Merkel zuletzt mit islamischen Verbänden einer Mahnwache beiwohnte, hat er als große Geste empfunden.
Deutlich wird in den vier Tagen freilich auch, wie sehr hier alle bemüht sind, mit Blick auf die Karikaturen von Charlie Hebdo bloß keinen Fehler zu machen. Nichts Falsches von sich zu geben, erst recht keine Morde zu legitimieren und doch zu sagen, dass man sich verletzt fühlt. Steinmeier und die mitreisenden Bundestagabgeordneten erleben das bei Ministern, Unternehmern, Abgeordneten und Künstlern. Aber auch Stadtführer, Museumsmitarbeiter, Hotelchefs versuchen sich in diesem Balanceakt. „Ich finde Terror furchtbar, aber man muss unseren Propheten nicht lächerlich machen“, klagt ein tunesischer Diplomat am Rande der Visite. Er möchte seinen Namen nicht nennen, aber doch eine Frage loswerden: „Ist es wirklich unmöglich, mehr Respekt walten zu lassen?“
Der Terror von Paris hat in Europa Angst vor mehr Terror ausgelöst – aber in Nordafrika vor allem die Frage aufgeworfen, ob zwischen Europa und der islamischen Welt ein Konflikt droht. Dabei spielt auch Pegida eine Rolle. Selbst Tausende Kilometer entfernt sind die antiislamischen Demonstrationen längst angekommen. Wie Steinmeier in einer ruhigen Minute erzählt, gipfelte diese Sorge in einem seiner Gespräche gar in der Frage: „Kommt da ein neuer Rassismus? Ein neuer Faschismus?“ Als der Minister in Tunis vor Hunderten Studenten für mehr Toleranz wirbt und vor Feindbildern warnt, melden sich anschließend gleich mehrere junge Tunesier, die vor allem diese Botschaft loswerden wollen: „Wir sind freundliche Menschen, wir sind berühmt für unsere Gastfreundschaft. Der Terrorismus gehört nicht zu uns, nicht zu unserem Islam.“
Dabei, und das gehört natürlich auch zu diesem Drei-Länder-Trip durch Marokko, Tunesien und Algerien, sind die Gefahren auch hier sehr real. Marokko verzeichnet immerhin gut 1200 Dschihadisten, die im Namen ihres radikalen Islamismus in den Krieg in Syrien gezogen sind. Und Tunesien hält sogar den traurigen Rekord: Aus keinem Land haben sich mehr dorthin aufgemacht, Schätzungen liegen bei 2500. Außerdem, das berichtet Tunesiens Außenminister, habe sein Land 9000 weitere an der Ausreise gehindert. Auf dieser Reise geht es deshalb denn nicht nur um Ängste und Gefühle, sondern auch um konkrete Absprachen. Mehr Austausch von Informationen, mehr Unterstützung bei der Sicherung der Grenzen. „Wir werden da enger zusammenarbeiten“, heißt es bei Steinmeier. Dass das auch eine engere Zusammenarbeit der Geheimdienste bedeuten dürfte, wird nicht offiziell bestätigt, aber auch nicht dementiert.
Bei den tunesischen Studenten kann Steinmeier erleben, dass dies auch neue Ängste weckt. Vierzig Minuten lang spricht er von falschen Feindbildern und gefährlichen Vereinfachungen. Er wirbt für mehr Verständigung und bezeichnet den Terrorismus als „gemeinsamen Feind“ aller. Und was sagt danach der erste Redner, ein Uni-Absolvent, der auf ihn antwortet? „Wir haben Angst, dass der Terrorismus wieder von diktatorischen Regimes gegen uns genutzt wird.“ Gegen die Freiheit und gegen kritische Studenten, im Zweifel gegen eine Gesellschaft.