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Die EZB schlägt zurück

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Benoît Cœuré war nach Davos gekommen, um zu erklären. Der Franzose, Mitglied im Direktorium der Europäischen Zentralbank und des Deutschen mächtig, hatte vorher sehr genau die deutsche Presse studiert. Er hatte all die beißende Kritik gelesen, all die scharfen Worte. Die EZB habe „den Rubikon“ überschritten, ihr Plan, Staatsanleihen in großem Stil aufzukaufen, sei „eine Zumutung“, ja sogar „ein Dokument des Scheiterns“. Namhafte Professoren warfen den Notenbankern vor, sie hätten eine „Inflationsmaschine“ oder gar eine „Vermögensvernichtungswaffe“ geschaffen.



Der Beschluss der EZB, in den nächsten eineinhalb Jahren Staats- und Unternehmensanleihen im Umfang von 1,1 Billionen Euro aufzukaufen wurde stark kritisiert. Nun wehren sich die Verantwortlichen.

Cœuré hält diese Kritik für verfehlt. Mehr noch: Er sieht auch Deutschland am Zug, mehr für das Wachstum in Europa zu tun. Wenn man seiner Argumentation folgt, dann hat die EZB den billionenschweren Anleihekauf ja nicht aus freien Stücken initiiert, sondern weil sie keine andere Wahl mehr hatte: Ihr Leitzins liegt schon bei null und lässt sich nicht weiter senken. Vor allem aber: Die Politik in Europa tut zu wenig, um die zähe Krise zu bekämpfen. Also muss notgedrungen jene Institution einspringen, die als einzige dazu bereit ist: die EZB. „Wir haben unseren Teil erledigt, nun müssen andere ihren Teil erledigen“, sagte Cœuré am Samstag beim Weltwirtschaftsforum in Davos.

Man kann das auch so verstehen: Die EZB ist nicht länger bereit, all die Kritik, die sie vor allem aus Deutschland zu hören bekommt, hinzunehmen. Sie bedrängt nun ihrerseits die Euro-Staaten, endlich für mehr Wachstum und mehr Jobs in Europa zu sorgen. Cœuré wählte dazu ungewöhnlich klare Worte: „Wir sind nicht bereit, das Risiko auf uns zu nehmen, weiter geduldig zu sein“, sagte er. Wenn das Wachstum weiterhin niedrig und die Arbeitslosigkeit hoch bleibe, werde dies „das Fundament des gesamten europäischen Projekts gefährden“. Es sei daher nötig, dass die Politik handele und das Vorgehen der EZB unterstütze. Cœuré fordert die Euro-Staaten ganz konkret auf, mehr zu investieren. Nötig seien zudem Strukturreformen, damit die Arbeitsmärkte in Europa besser funktionieren.

Ähnlich äußerte sich am Wochenende auch EZB-Präsident Mario Draghi. Auch er bedrängte die Politiker der Euro-Staaten, mehr für das Wachstum zu tun und die Notenbank nicht allein zu lassen. Er sprach sich dafür aus, eine Wirtschaftsunion zu schaffen und die Euro-Länder dadurch zu Reformen zu verpflichten. So könne glaubhaft gemacht werden, dass einzelne Länder tatsächlich durch Wachstum ihre Verschuldung überwinden könnten. Dies könne die EZB nicht leisten. Auch EZB-Direktor Yves Mersch erklärte in einem Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung: Man könne nicht immer nur die Währungspolitik bemühen, um die Vertrauensprobleme in der Euro-Zone anzugehen. Die Notenbank will damit unmittelbar vor dem Treffen der EU-Finanzminister an diesem Montag in Brüssel die Debatte in eine andere Richtung lenken und klarmachen, dass sie mehr Unterstützung erwartet.

Die Europäische Zentralbank hatte am Donnerstag beschlossen, dass sie in den nächsten gut eineinhalb Jahren Staats- und Unternehmensanleihen im Umfang von insgesamt gut 1,1 Billionen Euro aufkaufen wird – und dass sie bei Bedarf sogar bereit ist, dieses Programm über den angekündigten Zeitraum zu verlängern.

Die Bundesregierung hatte in den vergangenen Monaten in vertraulichen Gesprächen mit der Europäischen Zentralbank keinen Hehl daraus gemacht, dass sie vom geplanten Ankauf von Staatsanleihen nichts hält, ihre Kritik allerdings nie öffentlich geäußert. Kanzlerin Angela Merkel sei über das Vorhaben von Draghi regelrecht verärgert gewesen, berichtete die Financial Times am Wochenende. Im Gespräch mit dem britischen Premierminister David Cameron habe Merkel Anfang Januar von einer „sehr, sehr schlechten Idee“ gesprochen. Auch bei einem Treffen eine Woche später in Berlin habe Draghi die Kanzlerin und Finanzminister Wolfgang Schäuble nicht von seinem Aufkaufprogramm überzeugen können. Ihre Sorge: Die Politik des billigen Geldes verführe manche EU-Länder dazu, nötige Reformen aufzuschieben.

Aus Sicht der EZB sind diese Reformen wiederum nur ein Teil der Lösung. Notwendig ist aus Sicht der Notenbanker ähnlich wie in den USA, wo die Regierung die Geldpolitik der Federal Reserve mit eigenen Ausgabenprogrammen unterstützte, eine expansive Haushaltspolitik in jenen EU-Staaten, die sich dies leisten können.

So wünschen sich die Notenbanker schon seit Monaten, dass die Bundesregierung die Konjunktur in Deutschland – und damit auch in der Euro-Zone – durch zusätzliche Investitionen ankurbelt. Deutschland habe dazu den notwendigen Spielraum, heißt es in der EZB. Doch Merkel und Schäuble wollen von ihrem Ziel einer schwarzen Null, also einem ausgeglichenen Etat, nicht abrücken.

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