Um Viertel nach zwei sieht es noch so aus, als würde Pegida bald nur noch die Veranstaltung der letzten Unzufriedenen aus dem Sächsischen sein. 5000 Demonstranten sind es vielleicht, die sich da auf dem Theaterplatz kalte Füße holen, ein Bruchteil der 25000, von denen die Pegida-Veranstalter zuletzt selbstbewusst redeten. Es sieht aus, als könnten jene recht behalten, die meinen, dass sich die Bewegung bald zerstritten haben und dann verlaufen haben wird. Doch dann kommen sie, mit ihren Deutschlandfahnen und Transparenten, die Gassen hier sind eng, die Leute schieben sich langsam voran, der Beginn der Kundgebung wird verschoben. 17300 Pegida-Anhänger füllen nach Polizeiangaben gegen 15 Uhr den Platz vor der Semperoper, als Kathrin Oertel ans Mikrofon tritt. 5000 Gegendemonstranten sind gekommen. Verschwunden ist Pegida an diesem kalten, grauen Sonntag nicht.
Am Sonntag kamen nach Polizeiangaben über 17000 Menschen zur Pegida-Demonstration auf dem Theaterplatz in Dresden.
Es brodelt in Dresden, nach wie vor. Diesmal kommen die Patriotischen Europäer gegen die vermeintliche Islamisierung des Abendlandes an einem Sonntag zusammen, ausnahmsweise. Denn am Montag ist die Innenstadt besetzt. Herbert Grönemeyer, Silly und Keimzeit wollen vor der Frauenkirche aufspielen, für Toleranz und ein weltoffenes Dresden. Die Pegida-Leute sind da lieber ausgewichen – aus praktischen Gründen, aber auch, weil es ins Opfer-Image passt, das die Führenden der Bewegung von sich zeichnen.
Auch Kathrin Oertel tut das an diesem Nachmittag. 37 Jahre alt ist sie am Freitag geworden, einige Demonstranten singen ihr ein Geburtstagslied. Seit Lutz Bachmann, der Initiator der Montagsaufmärsche, am Donnerstagabend zurückgetreten ist, ist sie Stimme und Gesicht dieser in viele Richtungen ausfransenden Bewegung. Nachdem Bachmanns ausländerfeindliche Äußerungen zum Skandal geworden waren, hat sie versucht, sich von den Extremisten in den eigenen Reihen loszusagen. Oertels Ton war zuletzt moderater geworden, nachdrücklicher ihr Wunsch nach Dialog. Doch davon ist an diesem Nachmittag nichts mehr zu spüren.
Stattdessen nimmt ihre Rhetorik erneut an Schärfe. Oertel spricht von „Presselügnern“ und „Politikversagern“, verliest noch einmal die sechs Forderungen der Bewegung, fordert ein Ende der Polizeireform, beklagt den angeblichen Hass der Roten und Grünen gegen Pegida. Als Beispiel nennt sie den Tod von Khaled B.. Der Flüchtling aus Eritrea ist am Samstag in Berlin beerdigt worden. Am 13. Januar war er mit mehreren Messerstichen in Hals und Brust tot aufgefunden worden. Eine fremdenfeindliche Tat? Später hatte ein Mitbewohner B.s gestanden, seinen 20-jährigen Landsmann im Streit getötet zu haben. Die Häme im Netz war groß, die sächsische CDU forderte Entschuldigungen. Für Pietät scheint kein Platz zu sein in diesen Tagen. Für Politik hingegen schon.
Am Freitagabend saß Sigmar Gabriel, der Vizekanzler und SPD-Vorsitzende, in Polohemd und Freizeitjacke im Saal des Stadtmuseums, wo unter Vermittlung der sächsischen Landeszentrale für politische Bildung Pegida-Anhänger und Gegner diskutieren, später diskutierte er mit. Er sei als „Privatmann“ da, sagte er – doch dass dieser Besuch die Diskussion über den Umgang mit der islamfeindlichen Bewegung befeuern, war klar. Darf man auf Pegida zu gehen? Und wenn ja – wie weit?
In Dresden hofft man, Antwort auf diese Frage gefunden zu haben. „Miteinander in Sachsen“ heißt die neue Gesprächsreihe, mit der Landeshauptstadt und Staatsregierung auf den Bürgerprotest reagieren. Der erste Termin fand vergangenen Mittwoch statt. Am gleichen Tag also, als durch Leipzig Legida zog und den größten Polizeieinsatz seit der Wende provozierte. Man hat schon besseres Timing erlebt – man hat auch Politiker schon auf Gegendemonstrationen gesehen. In Dresden waren 477 Menschen der Einladung Stanislaw Tillichs gefolgt. 300 von ihnen seien per Los ausgewählt worden, erklärte ein Regierungssprecher. Am Ende saßen in der Runde ein NPD-Mann aus dem Erzgebirge, aber weder Migranten noch Muslime. In einem Interview mit der Welt am Sonntag ließ der sächsische Ministerpräsident verlauten: „Der Islam gehört nicht zu Sachsen.“ Bei einem muslimischen Bevölkerungsanteil von knapp 0,5 Prozent hat er damit sogar irgendwie recht.
Von ungefähr kommen solche Äußerungen, die auch ein Zerwürfnis mit der Kanzlerin riskieren, freilich nicht. Die CDU in Sachsen kann und will im Umgang mit Pegida nicht der AfD das Feld überlassen. Zumal Vereinssprecherin Kathrin Oertel in AfD-Chefin Frauke Petry eine Mentorin auf dem Gebiet der Öffentlichkeitsarbeit gefunden zu haben scheint. Inzwischen verschickt Pegida Pressemitteilungen, lädt sogar zu Prossekonferenzen. Lutz Bachmann, damals noch Vorsitzender, sagte vor einer Woche in ein Dutzend Mikrofone: „Die Politiker müssen ihre Arbeit machen, damit wir mal wieder am Montagabend auf der Couch sitzen können.“ Drei Tage später beschloss die sächsische CDU ein Papier zur Asyl- und Flüchtlingspolitik. Dort ist von „Integration über das Erlernen der deutschen Sprache und die Einbeziehung in das Erwerbsleben und unsere Kultur“ die Rede. Was genau mit „unsere Kultur“ gemeint ist – das bleibt unklar.
Auch wenn nicht die angekündigten 25000 auf dem Theaterplatz demonstrieren: Was da in großen Teilen der Bevölkerung gärt, die rassistischen Ressentiments im Netz und auf der Straße – das alles wird nicht einfach so verschwinden. In Hoyerswerda, jener Stadt, in der 1991 ein Asylbewerberheim mit Steinen und Molotowcocktails angegriffen wurde und die von Neonazis seinerzeit für „ausländerfrei“ erklärt wurde, demonstrierten am Samstag etwa 350 Menschen gegen die angebliche Überfremdung. Etwa tausend waren es in Erfurt. Dort formierte sich erstmals Pegada – deren Anhängern macht die „Amerikanisierung des Abendlandes“ noch mehr Sorgen als die Islamisierung. Und auch in Leipzig will am Mittwoch wieder Legida laufen.
Dessen Organisator Silvio Rösler können die Dresdner Pegida-Anhänger schon am Sonntag applaudieren. Überraschend steht er neben Kathrin Oertel – wo sie sich doch gerade erst von den Leipzigern mit ihren Verbindungen in die harte rechte Szene distanziert hat. Der Schulterschluss nach rechts ist da. Nein, es verschwindet nicht, das Problem.
Am Sonntag kamen nach Polizeiangaben über 17000 Menschen zur Pegida-Demonstration auf dem Theaterplatz in Dresden.
Es brodelt in Dresden, nach wie vor. Diesmal kommen die Patriotischen Europäer gegen die vermeintliche Islamisierung des Abendlandes an einem Sonntag zusammen, ausnahmsweise. Denn am Montag ist die Innenstadt besetzt. Herbert Grönemeyer, Silly und Keimzeit wollen vor der Frauenkirche aufspielen, für Toleranz und ein weltoffenes Dresden. Die Pegida-Leute sind da lieber ausgewichen – aus praktischen Gründen, aber auch, weil es ins Opfer-Image passt, das die Führenden der Bewegung von sich zeichnen.
Auch Kathrin Oertel tut das an diesem Nachmittag. 37 Jahre alt ist sie am Freitag geworden, einige Demonstranten singen ihr ein Geburtstagslied. Seit Lutz Bachmann, der Initiator der Montagsaufmärsche, am Donnerstagabend zurückgetreten ist, ist sie Stimme und Gesicht dieser in viele Richtungen ausfransenden Bewegung. Nachdem Bachmanns ausländerfeindliche Äußerungen zum Skandal geworden waren, hat sie versucht, sich von den Extremisten in den eigenen Reihen loszusagen. Oertels Ton war zuletzt moderater geworden, nachdrücklicher ihr Wunsch nach Dialog. Doch davon ist an diesem Nachmittag nichts mehr zu spüren.
Stattdessen nimmt ihre Rhetorik erneut an Schärfe. Oertel spricht von „Presselügnern“ und „Politikversagern“, verliest noch einmal die sechs Forderungen der Bewegung, fordert ein Ende der Polizeireform, beklagt den angeblichen Hass der Roten und Grünen gegen Pegida. Als Beispiel nennt sie den Tod von Khaled B.. Der Flüchtling aus Eritrea ist am Samstag in Berlin beerdigt worden. Am 13. Januar war er mit mehreren Messerstichen in Hals und Brust tot aufgefunden worden. Eine fremdenfeindliche Tat? Später hatte ein Mitbewohner B.s gestanden, seinen 20-jährigen Landsmann im Streit getötet zu haben. Die Häme im Netz war groß, die sächsische CDU forderte Entschuldigungen. Für Pietät scheint kein Platz zu sein in diesen Tagen. Für Politik hingegen schon.
Am Freitagabend saß Sigmar Gabriel, der Vizekanzler und SPD-Vorsitzende, in Polohemd und Freizeitjacke im Saal des Stadtmuseums, wo unter Vermittlung der sächsischen Landeszentrale für politische Bildung Pegida-Anhänger und Gegner diskutieren, später diskutierte er mit. Er sei als „Privatmann“ da, sagte er – doch dass dieser Besuch die Diskussion über den Umgang mit der islamfeindlichen Bewegung befeuern, war klar. Darf man auf Pegida zu gehen? Und wenn ja – wie weit?
In Dresden hofft man, Antwort auf diese Frage gefunden zu haben. „Miteinander in Sachsen“ heißt die neue Gesprächsreihe, mit der Landeshauptstadt und Staatsregierung auf den Bürgerprotest reagieren. Der erste Termin fand vergangenen Mittwoch statt. Am gleichen Tag also, als durch Leipzig Legida zog und den größten Polizeieinsatz seit der Wende provozierte. Man hat schon besseres Timing erlebt – man hat auch Politiker schon auf Gegendemonstrationen gesehen. In Dresden waren 477 Menschen der Einladung Stanislaw Tillichs gefolgt. 300 von ihnen seien per Los ausgewählt worden, erklärte ein Regierungssprecher. Am Ende saßen in der Runde ein NPD-Mann aus dem Erzgebirge, aber weder Migranten noch Muslime. In einem Interview mit der Welt am Sonntag ließ der sächsische Ministerpräsident verlauten: „Der Islam gehört nicht zu Sachsen.“ Bei einem muslimischen Bevölkerungsanteil von knapp 0,5 Prozent hat er damit sogar irgendwie recht.
Von ungefähr kommen solche Äußerungen, die auch ein Zerwürfnis mit der Kanzlerin riskieren, freilich nicht. Die CDU in Sachsen kann und will im Umgang mit Pegida nicht der AfD das Feld überlassen. Zumal Vereinssprecherin Kathrin Oertel in AfD-Chefin Frauke Petry eine Mentorin auf dem Gebiet der Öffentlichkeitsarbeit gefunden zu haben scheint. Inzwischen verschickt Pegida Pressemitteilungen, lädt sogar zu Prossekonferenzen. Lutz Bachmann, damals noch Vorsitzender, sagte vor einer Woche in ein Dutzend Mikrofone: „Die Politiker müssen ihre Arbeit machen, damit wir mal wieder am Montagabend auf der Couch sitzen können.“ Drei Tage später beschloss die sächsische CDU ein Papier zur Asyl- und Flüchtlingspolitik. Dort ist von „Integration über das Erlernen der deutschen Sprache und die Einbeziehung in das Erwerbsleben und unsere Kultur“ die Rede. Was genau mit „unsere Kultur“ gemeint ist – das bleibt unklar.
Auch wenn nicht die angekündigten 25000 auf dem Theaterplatz demonstrieren: Was da in großen Teilen der Bevölkerung gärt, die rassistischen Ressentiments im Netz und auf der Straße – das alles wird nicht einfach so verschwinden. In Hoyerswerda, jener Stadt, in der 1991 ein Asylbewerberheim mit Steinen und Molotowcocktails angegriffen wurde und die von Neonazis seinerzeit für „ausländerfrei“ erklärt wurde, demonstrierten am Samstag etwa 350 Menschen gegen die angebliche Überfremdung. Etwa tausend waren es in Erfurt. Dort formierte sich erstmals Pegada – deren Anhängern macht die „Amerikanisierung des Abendlandes“ noch mehr Sorgen als die Islamisierung. Und auch in Leipzig will am Mittwoch wieder Legida laufen.
Dessen Organisator Silvio Rösler können die Dresdner Pegida-Anhänger schon am Sonntag applaudieren. Überraschend steht er neben Kathrin Oertel – wo sie sich doch gerade erst von den Leipzigern mit ihren Verbindungen in die harte rechte Szene distanziert hat. Der Schulterschluss nach rechts ist da. Nein, es verschwindet nicht, das Problem.